22. April 2022

New York – was sich nach der Pandemie verändert hat und warum ich die Stadt trotzdem liebe

3 Kommentare

New York ist meine große Liebe. Zwei Jahre habe ich hier gelebt, das ist lange her und viele Male danach habe ich die Stadt besucht. Ich hatte Sehnsucht. Vor meiner Reise sagte man mir, es habe sich viel verändert und nicht eine Sekunde wollte ich das glauben. New York ist eine Stadt der Kämpfer. Doch was ich in den sieben Tagen in der Stadt erlebt habe, lässt mich zweifeln. Plötzlich wollen viele nur noch raus. Aufs Land, nach New Jersey, Hauptsache weg. Was ist passiert? Ich begebe mich auf Spurensuche und entdecke neue Seiten. Noch in der Nacht vor der Abreise suche ich panisch nach meiner Metro-Card für öffentlichen Verkehrsmittel. Als ich sie endlich gefunden hatte, muss ich entdecken, dass sie längst abgelaufen ist. Und dass man sie neuerdings auch gar nicht mehr braucht. Aber dazu musste ich erst hinreisen.

die Narben

Am deutlichsten ist es jenseits der 80’er Straße in Richtung Uptown. Geschlossene Ladenfronten reihen sich aneinander, die Rollläden sind heruntergelassen und dort wo es Restaurants, Bäckereien und Shops aller Art gab, ist plötzlich nichts mehr. Es wirkt verlassen und das in dieser Stadt. Daran ändert auch ein sonnig-warmer Tag im Frühling nichts. In der U-Bahn bekomme ich plötzlich immer einen Platz. Ich habe noch selten in der U-Bahn einen Platz bekommen aber jetzt ist sie viel leerer. Ende März gilt noch die Maskenpflicht aber nicht jeder hält sich daran. Ich fahre Richtung Downtown zum Union Square, zum Greenmarket. Es ist wenig los an diesem Vormittag. Nur ein paar einzelne Stände. Ein Glas Kimchi wird hier für 11$ verkauft, ein Joghurt kostet 3,50$. Im Dreierpack ist es etwas günstiger. Die Preise sind explodiert seit ich das letzte Mal hier war. Mein Rührei mit einer Scheibe Brot zum Frühstück kostete 16$. Das tut fast weh. Wo noch bei meinem letzten Besuch vor 5 Jahren das Leben tobte, wo auf dem Platz getanzt wurde und einem die Marktleute anstrahlten, ist heute der Blick geradeaus gerichtet. Niemand will sich lang irgendwo aufhalten. Am Rand des Union Squares sitzen ein paar einsame Schachspieler vor ihrem Brett und warten auf Mitspieler. Als ich nach einer halben Stunde weiterlaufe, ist immer noch keiner gekommen, der mit ihnen spielen will. Am Abend legt sich der Geruch von Haschisch und Gras über die Stadt. Seit Cannabis legalisiert wurde, stehen jeden Abend lustig bemalte Trucks in den Straßen, wo man sich sein Dope kaufen kann. War es früher nur der Duft des Washington Squares, ziehen nun die Schwaden durch die ganze Stadt. Den wunderbaren Küchenladen im Chelsea Market gibt es nicht mehr, „they went out of business“, heißt es. Stattdessen gibt es jetzt noch mehr Fast Food. Zum Glück hat Crate & Barrel, mein zweitliebster Küchenladen überlebt. Ich kaufe eine schwere Auflaufform. Nicht, dass es so was bei uns nicht gäbe. Ich muss sie einfach kaufen. Ebenso wie ein Chili-Öl von David Chang. Ich schleppe ja gern.

so viele Läden haben zumachen müssen

auch auf dem Greenmarket am Union Square ist viel weniger los

und Abends kommen die Cannabis-Trucks

Koreanisch, chinesisch, japanisch, dominikanisch – meine Favoriten

Angesicht der gestiegenen Preise, erscheint das Menü des Drei-Sterne-Restaurants Eleven Madison Park mit seinen 335$, wohlgemerkt ohne Getränke, plötzlich nicht mehr so utopisch und bereits einen Monat zuvor kreiste mein Finger über dem Button für die Reservierung, doch dann entschied ich mich dagegen. Dieses Mal wollte ich dorthin, wo ich schon lange nicht mehr war. Nach Chinatown, Koreatown und Brooklyn. Es gibt grandiose koreanische Restaurants hier, wo man Kimchi-fried-Rice mit Lobster und herrlich luftige Pfannkuchen mit Frühlingszwiebeln zu gegrilltem Fleisch serviert. Das Gaonnuri ist so ein tolles Restaurant. Im 39sten Stock des Nomad-Towers angesiedelt, hat man einen fantastischen Blick über die Stadt. Die Einrichtung ist stylish und schnörkellos. Und es schmeckt wie in Korea.

Kimchi fried Rice mit Lobster

im 39sten Stock Midtown

Gaonnuri
1250 Broadway 39th Floor, New York, NY 10001
www.gaonnurinyc.com

Am nächsten Abend will ich ein kleines japanisches Restaurant nicht weit von meinem Hotel ausprobieren und es erweist sich als Glücksgriff. Hier gibt es wunderbare Teigtäschchen und das gebratene Gemüse mit Rindfleisch ist sehr aromatisch. Dass Allerbeste ist, dass ich mit etwas mehr als 40$ sogar noch einigermaßen glimpflich davonkomme. Ich nehme mir vor, nochmal herzukommen, doch ich werde es nicht schaffen. Da ist noch so viel, was lockt.

gefüllte Teigtäschchen

Fuji Hibachi
321 W 42nd St, New York, NY 10036
www.fjhibachi.com

Ich fahre nach Chinatown. Zuerst gönne ich mir eine einstündige Fußmassage, danach will ich eintauchen, in die Dim Sums, Eierflockensuppen und Sesamhühnchen. Zur Wahl steht auch gedünsteter Frosch und Seegurke, doch ich bin nicht mutig an diesem Tag. Ich bleibe bei Teigtaschen und süßlichem Huhn. Es ist voll und laut. Es ist großartig. Zwar gibt es jetzt auch durchaus hippe Läden in Chinatown wie das Xi’an Famous Foods, doch darin sieht man keine chinesischen Gäste, nur Weiße, die gerne das dreifache für einen Teller Nudeln bezahlen.

In Chinatown scheint alles wie immer..

Straßenmarkt in Chinatown

Eierflockensuppe

Sesame chicken

Eine der glücklichsten Erfahrungen meiner Reise mache ich nicht weit entfernt von der U-Bahn Haltestelle Prospect Avenue in Brooklyn. Ich habe Hunger. Es ist bereits nach Mittag und ich habe noch nichts gegessen. Und ich habe Zeit. Das El Nuevo Sabor Latino ist weder chic noch angesagt, doch in dem Moment, wo ich vorbeilaufe, lockt mich die Vorstellung von einem saftigen Burrito oder einem würzigen Eintopf. Es gibt ein paar Tische und gekocht wird in einer offenen Küche. Die Besitzerin strahlt mich an, nickt wohlwollend als ich ein Burrito mit dreierlei Fleisch bestelle und mir ein mexikanisches Bier aus dem Kühlschrank hole. Ich bekomme einen Riesen-Burrito! Prallvoll gefüllt mit einer rauchig-tomatigen Sauce, zartem Fleisch und Bohnen. Das alles unter einer dicken Schicht Käse. Das ist pures Wohlfühl-Essen. Ich trinke noch ein Bier, weil die Stimmung hier so gut ist. Beim Essen wippe ich zu den Merengue-Rhythmen. Ausnahmslos jeder strahlt mich hier freundlich an.

ein riesiger Burrito

El Nuevo Sabor Latino
620 4th Ave, Brooklyn, NY 11215

Essex Market

Meinen definitiv besten Bagel bekomme ich bei Davidovich Bakery im Essex Market. Ich bin eher aus Zufall hier gelandet, denn eigentlich hat die Lower East Side rund um die Essex Street nicht allzu viel zu bieten, doch dieser Markt ist ein echtes Highlight. Hier gibt es nicht nur goldgelbe Bagels, sondern auch Feinkostgeschäfte und kleine Restaurants. Der Essex Market ist genaugenommen der älteste New York City Public Market der Stadt. Davon gibt es noch weitere und jeder davon ist einen Besuch wert.
Mehr dazu unter: publicmarkets.nyc

auf der Brooklyn Bridge

Pickle Guys – weitermachen, auch wenn alle anderen weg sind

In früheren Zeiten, als noch Straßenverkäufer mit ihren Handkarren eingelegte Gurken in dieser Gegend verkauften, gab es viele Läden, wo man saures Gemüse, Pickles und Fermentiertes kaufen konnte. Einige davon verkauften an die großen Marken, die meisten verschwanden einfach so. Heute erinnert rund um die Essex, Hester und Allan Street nicht mehr viel daran, wie es einmal ausgesehen haben muss. Nur ein Eckladen hat überlebt, der heute noch Pickles anbietet. Die Pickle Guys. Wer saure Gurken, die weltbesten gepickelten Knoblauchzehen oder eingelegte Mango haben will, ist hier richtig. Hier wird alles eingemacht, eingelegt, fermentiert. Jede Art von Gemüse und man sollte unbedingt die Gelegenheit nutzen, das eine oder andere zu probieren. Hier ist man mutig, was Eingemachtes angeht.
Mehr zur Geschichte der „Pickle-Alley“ gibt es hier: untappedcities.com/2021/01/25/history-nyc-pickle-alley/

Pickle Guys
357 Grand St, New York, NY 10002

MOFAD – Museum of Food and Drink

Warum gab es das eigentlich noch nicht schon früher? Ein Museum, welches sich mit der Kultur des Essens und Trinkens beschäftigt. Diese Frage hat sich auch der Radiomoderator Dave Arnold gestellt, der heute der Präsident des Museums ist. Die derzeitige Ausstellung ist dem „Black Food“ gewidmet. Jeder, der wir ich mit Spannung die Serie „High on the Hog“ auf Netflix verfolgt hat, kann hier noch mehr über die kulinarischen Einflüsse der afro-amerikanischen Bevölkerung erfahren. Zu sehen gibt es die Original Testküche des „Ebony“ Magazins, einen riesigen Quilt, welcher alle Größen der afro-amerikanischen Kochkunst vereint und viele Hintergrundinformation und Videobeiträge. Außerdem verkauft man hier viele Kochbücher zu diesem Thema (nein, ich bin standhaft geblieben und habe keines gekauft).
Außer mir gab es nur noch eine Handvoll Besucher mehr an diesem Vormittag, man kann sich vorab auch eine Lunchbox bestellen. Hochspannend!

es regnet – perfekt fürs Museum

der riesige „Legacy Quilt“

MOFAD
www.mofad.org

Noble Plateware – Brooklyns schönste Bowls

Vor einigen Jahren, kurz vor meiner Reise nach Bornholm, hatte ich einen Artikel über die besten Keramik-Künstler für Geschirr gelesen. Wo weiß ich nicht mehr. Lov i listed auf Bornholm war einer davon. K.H. Würtz, ebenfalls aus Dänemark, stand auch auf der Liste. Und Wynne Noble von Noble Plateware in Brooklyn. Ich hatte Wynne Emails geschrieben und gefragt, ob sie verschicke, doch es war nicht möglich. Als ein Freund vor ein paar Jahren nach New York reiste, hatte er den Auftrag mir zwei ihrer Hollywood Bowls mitzubringen. Sie gehören seitdem zu meinen Lieblingen in der Küche. Und die zwei sehnten sich nach Zuwachs. Wynne jedoch verstarb vor einiger Zeit und auf Instagram wurde es still um die kleine Manufaktur. Doch es gibt sie noch. Die griechisch-stämmige Amerikanerin Stiliani Moulinos hat ihre Nachfolge angetreten. Ich schreibe sie an und erfahre, dass es noch ein paar Bowls aus der ursprünglich Produktion gibt. Ich muss hin. Und es wurde einer der schönsten Nachmittage meiner Reise. Stiliani ist ein Herz von Mensch, der es wichtig ist, dass die wunderbare Arbeit von Noble Plateware nicht in Vergessenheit gerät. Auch sie hat in den letzten zwei Jahren hart ums Überleben gekämpft, denn die meisten ihrer Kunden, Restaurants der Spitzenklasse, haben dichtgemacht. Jetzt will man das Geschäft wieder ankurbeln. Mit klarem Stil, schlichtem Look und zeitloser Eleganz. Ich darf in die Schatzkammer der Musterstücke. Lange über ihre Arbeitszeit hinaus stehen Stiliani und ich in der Werkstatt und reden über das Leben, die Arbeit und wie wichtig es ist, weiterzumachen. Ich schleppe eine schwere Tasche mit Geschirr als ich zurück zur U-Bahn laufe. Sie kommt zu der ohnehin schon schweren Auflaufform dazu. Egal, es ist so egal. Ich werde zwei Tage Muskelkater von Schleppen haben, aber es ist es wert.

Stiliani Moulinos von Noble Plateware

Noble Plateware
nobleplateware.com
87 19th St, Brooklyn, NY 11232

Besuch nach Voranmeldung möglich

Bye, bye Metro-Card

Wer es bis hierher geschafft hat, erinnert sich vielleicht an meine eingangs erwähnte Panik ob dem Verlust meiner Metro Card. Eben jene Karte, die man aufladen kann, um damit in New York mit Bussen und Bahnen unterwegs zu sein. Man braucht sie nicht mehr. Wer mit Apple Pay oder Google Pay auf dem Mobiltelefon unterwegs ist, muss jetzt das Handy nur noch an ein Gerät halten und schon ist man bargeldlos unterwegs. Was für eine Innovation! Das Gerät erkennt sogar, wenn man von der U-Bahn in den Bus umsteigt, um ein Ziel zu erreichen. Gut gemacht, New York!

3 Kommentare

  1. Liebe Claudia, habe diesen wunderbaren Bericht sofort auf Facebook teilen müssen (Freunde), ohne Dich vorher gefragt zu haben. Geht hoffentlich in Ordnung.
    Lieben Gruß, Thea

    Antworten
    • Liebe Thea,
      natürlich darfst du den Bericht teilen. Ich freue mich darüber.

      Liebe Grüße
      Claudia

      Antworten
      • Danke Dir.

        Antworten

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