Ciboure ist ein kleines Küstenstädchen mit schmalen Gassen, Häusern mit wunderschönem roten (baskisch rot) Fachwerk und tückischen Einbahnstraßen, wie mein Taxifahrer feststellen muss. Mehr als einmal muss er wenden und einen anderen Weg zum Hotel suchen, doch dann bin ich endlich angekommen. Die Sonne scheint noch immer – das tut sie um diese Jahreszeit besonders lang im Südwesten Frankreichs – und ich richte mich in meinem kleinen Hotel mit vielversprechendem Ausblick auf die Küste ein. Eine Woche werde ich im französischen Baskenland unterwegs sein, ich werde Bayonne und das Aldude Tal besuchen, die Küste um Capbreton und werde vor allem jede Menge Köstlichkeiten entdecken, doch erst einmal werde ich ganz gemütlich in Saint Jean de Luz und Ciboure die Küste entdecken. Wohin ich genau fahre weiß ich noch nicht, es ist spät und ich habe seit dem Morgen nichts gegessen. Solche Entscheidungen sollte man nicht auf nüchternen Magen treffen. Doch genau da lauert die erste Herausforderung. Die meisten Restaurants hier im Ort schließen früh.
Sardinen und baskische Pastete in Saint Jean de Luz
Es ist kurz nach 21:00 Uhr als ich die erste gut besuchte Brasserie erreiche, wo ich einen freien Tisch erspähe. Die Küche habe bereits zu, meint die junge Frau im Service. Das ist nicht das, was ich hören wollte. Ein paar Häuser weiter stehe ich vor dem einzigen mit einem Michelin Star ausgezeichneten Restaurant des Ortes. Kurz zögere ich – die Aussichten sind wenig vielversprechend. Ich laufe weiter. Über die große Brücke rüber in den nächsten Ort nach Saint Jean de Luz. Ich werde leicht panisch. Hunger ist ein echter Stimmungskiller. Um 21:30 Uhr soll hier alles schließen. Ich lege einen Zahn zu. Das erste, was ich entdecke ist „La Grillerie de Sardines“. Gut besucht und noch geöffnet. Bezahlt und bestellt wird am Tresen. Auf der Karte stehen Sardinen, Omeletts, Salat und Muscheln. Außerdem eine baskische Pastete und baskischer Kuchen. Die Entscheidung ist schnell gefallen. Ich bestelle eine Pastete, gegrillte Sardinen mit Piperade (eine für die Region typische Sauce mit Tomaten und Paprika) und einen Kuchen. Dazu eine Karaffe Hauswein. Die Pastete ist wunderbar würzig, die Sardinen köstlich und der flache Kuchen genau das, was mein Menü perfekt macht. Ich sitze, ich habe was zu essen und zu trinken, vor mir schaukeln die Fischerboote im letzten Licht des Tages und erst jetzt fühle ich, dass ich angekommen bin. Deutlich entspannter schlendere ich wieder zurück über die Brücke. Auf dem Marktplatz in Ciboure ist eine Bühne aufgebaut, der ganze Ort hat sich versammelt und ich bin mitten in einem Festival gelandet. Eine Weile bleibe ich noch, doch dann sehne ich mich nach einem weichen Bett. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag, um den hübschen Ort zu entdecken.
restaurant la grillerie de sardines
Quai du Capitaine de Vaisseau Pierre Renon, 64500 Saint-Jean-de-Luz
www.restaurantlasardinerie.com
Unterwegs nach Hendaye entlang des Flyschs
Ich habe einen Leihwagen. Das ist eine Steigerung zum gestrigen Tag und macht mich entschieden unabhängiger, also entschließe ich, weiter in Richtung spanischer Grenze nach Hendaye zu fahren. Eigentlich will ich nur dorthin, weil die Straße direkt entlang der Küste führt. Ich brauche die Aussicht auf das Meer. Ich will die salzige Luft spüren.
An einer hohen Klippe halte ich an. Ich parke das Auto in einer kleinen Parkbucht und steige über niedriges Geländer. Ein Warnschild ist aufgestellt – Vorsicht ist geboten. Und dann sehe ich den Grund – vor mir geht es steil in die Tiefe. Ich gehöre eindeutig zu der Fraktion, die mit Höhe nicht besonders gut klarkommt, doch was ich sehe fesselt mich. Ich sehe die ungewöhnlichsten Felsen, die ich je gesehen habe. Als haben riesige Krallen in den Felswänden ihre Furchen hinterlassen. Selbst im Wasser sind sie zu sehen. Flysch nennt man diese Formation und entstanden ist sie vor 100 Millionen Jahren. Es handelt sich um eine Sedimentablagerung, die hauptsächlich aus aufeinanderfolgenden Schichten von Sandstein und Mergel besteht. Ein Wechselphänomen, das den Anschein aufeinanderfolgender Schichten erweckt: härtere und dickere Sandsteinschichten, zwischen denen sich spröderer Mergel befindet. Man findet sie nur hier in der „Corniche“ einem Gebiet zwischen Ciboure und Hendaye. Fasziniert stehe ich am Rand der Klippen und vergesse sogar für einen Moment meine Höhenangst. Das hier ist spektakulär!
frische Austern
Mitten im Zentrum von Hendaye verkauft eine alte Dame frische Austern. Sie sehen wunderbar aus diese Austern und während ich sie beobachte, lassen sich zwei junge Mädchen ein paar Austern öffnen. Genussvoll schlürfen sie sie. In diesem Moment wünsche ich mir, dass es mir gelungen wäre, je einen Zugang zu Austern zu finden. Es ist mir nicht gelungen. Hier ist ihr Genuss nicht dekadent, sondern ganz normal, doch das ändert nichts daran, dass ich mich mit ihnen nicht anfreunden kann. Ich setze mich in ein Café und trinke ein Glas eiskalten Kombucha. Die Austern überlasse ich den anderen.
ein exzentrisches Schloss
Schlösser gibt es in Frankreich ja zur Genüge. Irgendwo steht immer ein prachtvolles Château in malerischer Umgebung und als ich am Eingang der Auffahrt von Château d’Abbadia vorbeifahre, kommt mir der Gedanke, dass eine Reise nach Frankreich ja unvollständig ist, wenn nicht auch ein Schloss darin vorkommt. Royal pompös eben mit überragender Aussicht. Ich suche einen Parkplatz und mache mich auf den Weg. Schlossparks machen sich immer gut auf Bildern, denke ich, doch was ich entdecke, entspricht so gar nicht einem typischen Schloss, wie man es erwartet.
Über dem Eingang rankt sich eine riesige Schlange, der Treppenaufgang wird flankiert von steinernen Krokodilen, eine weitere riesige Schlange windet sich an der Außenseite entlang und auf den Spitzen des neugotischen Baus sitzen Katzen und andere Wildtiere aus Stein. Das wäre die perfekte Kulisse für einen Harry Potter Film! Schaurig und faszinierend. Ich erfahre, dass der Erbauer dieses Schlosses, Antoine Thomson d’Abbadie, eine große Liebe zu Afrika hegte und der Akademie der Wissenschaften angehörte. Die meiste Zeit reiste der Adlige in der Welt herum, bis er sich im Alter von 70 Jahren entschied, dieses Schloss zu bauen. Nach seinem Tod vermachte er das Schloss der Akademie der Wissenschaften.
am Strand in Ciboure
Den Tag am Strand ausklingen lassen. Klingt perfekt, oder? Die Zehen in den Sand vergraben, vor mir ein kaltes Bier und der Blick ruht auf den Wolken und dem Meer. Keine Pläne mehr für den Rest des Tages. Vollkommene Entspannung.
So ganz stimmt das natürlich nicht, denn ich muss dann doch noch mal in den Ort, weil ich dort ein hübsches Spezialitätengeschäft gesehen habe, das auch am Sonntag geöffnet ist. Öle, Sardinen und Piment d’Espelette und altes Geschirr (sehr verführerisch). Ich kaufe bläuliche, mit Algen gefärbte Nudeln, eine scharfe Sauce, Olivenpaste und zwei Teller. Gerne hätte ich auch noch beim Metzger eingekauft, doch meine Reise geht weiter. Morgen geht es nach Bayonne. Auf zu Schinken und Schokolade!
Offenlegung: die Reise wurde unterstützt von Nouvelle-Aquitaine Tourisme, wofür ich sehr dankbar bin, denn in diese Region Frankreichs wollte ich schon sehr sehr lange.
Liebe Claudia,
Wie schön, dass du auch beim Château Abbadia vorbeikommen bist. Ich liebe es mit seinem mysteriösen neugotischen Stil unter äthiopischem Einfluss.
Merci Yasmine, muss ein etwas exzentrischer Adliger gewesen sein.