Von wegen "in Japan ist BIO nicht so wichtig" - der Farmers Market an der UNU (United Nations University) ist der beste Platz, wenn man wissen will, was grad in Japan Saison hat.
Wer in Tokio oder generell in Japan einen Bioladen sucht, hat es nicht leicht. Was bei uns mittlerweile ganz normal ist, hat in die japanische Kultur wenig bis gar keinen Einzug gefunden. Und das hat durchaus seine Gründe. Während bei uns bereits ein Standard auf minimalem Niveau Grund genug ist, ein grünes Bio-Label aufzukleben, gehen die Menschen in Japan einfach davon aus, dass ihre Nahrung in Ordnung ist. Erst in den letzten Jahren hat sich eine neue, zugegeben noch zaghafte, Bewegung etabliert, die sich wieder aufs Land zurückzieht und dort traditionell Gemüse anbaut, fermentiert, Miso macht und nach ökologischen Prinzipien wirtschaftet. Verkauft werden die Erzeugnisse dann auf kleineren und größeren Märkten in der Stadt. Der Größte davon findet immer samstags und sonntags auf dem Gelände vor der Universität der Vereinten Nationen im Aoyama District in Shibuya statt. Nicht alle Farmer kommen an beiden Tagen. Es heißt, nicht jeder Stand hätte ausschließlich Bioware im Angebot, doch obwohl ich nun schon etliche Male diesen Markt besucht habe, habe ich noch keinen gefunden, der konventionell anbaut. Vielleicht sind die Blumenstände damit gemeint. Auf Reisen macht es leider wenig Sinn Blumen zu kaufen, um sich sein winziges Hotelzimmer damit zu schmücken.
Dieser Markt mit mehr als 70 Händlern zeigt genau, was gerade Saison hat. Bambusschößlinge im Frühjahr, Kastanien im Herbst. Spannende Zitrusfrüchte gibt es immer. Wer jedoch nach der Yuzu sucht, jener unwiderstehlichen Zitrone mit einem Geschmack der zwischen Mandarine, Grapefruit und Zitrone angesiedelt ist, der muss im Winter herkommen. Als ich Ende April auf diesem Markt stand, war die Saison schon längst vorbei.
Gleich bei meinem ersten Besuch in Tokio hatten sich Freunde mit mir auf diesem Markt verabredet (und haben es sicher bereut, denn von nun an waren sie dazu verdammt, mir im Schneckentempo von Stand zu Stand zu folgen). Nicht ein Gläschen sollte mir entgehen. Ich stopfte meine Taschen voll mit eingemachten Lotuswurzeln, Chrysanthemenblüten und jungem Miso, schleppte fortan alles durch weitere drei Länder, bis es endlich zuhause in München ankam. Das war auch beim letzten Mal nicht anders. Doch mittlerweile bin ich geschickter. Ich kaufe an meinem letzten Tag ein, lasse einen Koffer in Tokio und nehme ihn erst wieder mit, wenn ich den Heimflug antrete.
Es heißt ja, man solle es möglichst vermeiden, hungrig einkaufen zu gehen. Auf diesem Markt sollte man genau das nicht tun, denn neben den Ständen für Gemüse, Fermentiertes, Blumen, Tee und Früchten, gibt es auch mehrere Food Trucks. Und wenn man Glück hat, findet gleich auch noch ein kleines Food Festival im Innenhof des Universitätsgeländes statt. Gefeiert wird der Kaffee, die Wurst, das Miso oder was auch immer. Dann werden lange Tische aufgebaut, wo man sich hinsetzen kann.
Ich liebe diesen Markt. Auch wenn ich eine Weile gebraucht habe um zu verstehen, warum man in Japan gerne das teurere Gemüse kauft, wenn das Gleiche einen Stand weiter günstiger angeboten wird. Hier in Deutschland käme wohl kaum einer auf die Idee, lieber die teureren Gurken zu kaufen, als die günstigeren vom Nachbarstand. Es erscheint und geradezu unlogisch. In Japan jedoch assoziiert man mit dem höheren Preis auch eine höhere Qualität. Und Qualität bedeutet Perfektion. Je perfekter ein Gemüse gewachsen ist, desto wertvoller wird es. Ich zucke bereits, wenn ich auf dem Markt eine französische Gala-Melone für sechs Euro kaufe, nur weil sie so unwiderstehlich duftet. In Japan bezahlt man auch sechzig Euro dafür, dass ihre Schale und Form makellos ist.
Aber ich erkenne diese Schönheit, wenn ihr begegne, kann minutenlang auf die wunderschönen Zitronen starren und streichle mit den Fingerspitzen über die frischen Bambussprossen. Und wenn ich könnte, dann wäre ich jedes Wochenende auf diesem Markt.
Adresse:
UNU Farmers Market
150-0001 Tokyo, Shibuya, Jingumae, 5 Chome−53−70
zwischen der U-Bahn Station Shibuya und Omote Sando
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