Ich habe keinen Garten. Sämtliche Versuche, auf meinem Balkon auch nur ein paar Kräuter zu züchten, schlugen fehl. Das liegt nicht an meinem Balkon und das liegt auch ganz sicher nicht an den hübschen Töpfen, die ich extra dafür erstanden habe. Es liegt an mir. Und ich lamentiere auch nicht, von wegen ich vermisse einen grünen Daumen, was mir hier fehlt ist die Leidenschaft dafür. Ich spreche nicht mit den Setzlingen und gebe ihnen entweder nicht genug oder viel zu viel Wasser. Würde ich als Chili-Pflanze wiedergeboren, ich würde darum beten in bessere Hände zu fallen als in die meinen. Dennoch hege ich die allergrößte Leidenschaft für alles, was als Gemüse oder Obst aus dem Garten kommt. Als Kind hatte ich einen riesigen Garten, in dem es ständig blühte, summte und reifte. Da habe ich mich in die Schnittlauchblume verliebt und in die roten Stachelbeeren. Und so sind es heute die Bauernmärkte, die mir das wieder bringen, was mir selbst nicht gelingen mag. Und eben genau diese Saite wird auch zum Klingen gebracht, wenn ich Alice Waters‘ Buch „Simple Food – Rezepte und Glück aus dem Küchengarten“ lese. Waters ist die große Dame, die auch Michelle Obama zu ihren Küchengarten im Weißen Haus verhalf. Sie ist Vize Präsidentin von Slow Food, wurde für ihr Engagemant vielfach ausgezeichnet und sie ist eine glühende Verfechterin der regionalen Küche. Ihrer Meinung nach ist es sinnlos, Nahrungsmittel über weite Strecken zu transportieren. Nach diesem Prinzip betreibt sie ihr Restaurant „chez Panisse“ in Berkley, Kalifornien. Mit großem Erfolg. Wenn es also nach ihr geht, so müssen Köche zu Gärtners werden und umgekehrt.
Und weil sie diese Leidenschaft so mitreißend vetritt, ist ihr neues Buch eben nicht nur ein Kochbuch mit vielen inspirierenden Rezepten, sondern es ist ergo auch eine Anleitung zum Selbstversorgertum. Urban Gardening, egal ob mit oder ohne Garten ist das, wozu sie uns in diesem Buch auffordert. Selbst die kleinste Fensterbank kann genutzt werden.
Kandierte Minzblätter zum Tee…
„Servieren Sie diese kandierten Minzblätter zum Tee!“ – ach, liebe Frau Waters, wie gerne würde ich das tun, hätte ich doch die Zeit zum Tee zu laden. Aber die Bilder, die diese kandierten Minzblätter in mir wecken, durchfluten mich mit einem so angenehmen Gefühl, sie wecken die Sehnsucht und machen mich allein beim Lesen schon glücklich. Überhaupt macht es mich glücklich zu lesen, wie die ganzen Pflanzen verwertet werden können, annährend jedes Rezept ist noch mit zusätzlichen Tipps und Ideen ausgestattet und je eindringlicher ich mich durch die Jahreszeiten bewege, desto mehr sehne ich mich nach Beeren, nach frischem Blattgemüse, nach allen Früchten der Erde. Ich will einmachen, ich will köstliche Pestos machen und immerzu mich um meine (noch nicht vorhandenen) Pflanzen kümmern. Ich brauche auch keine Bilder für die Rezepte, ich will nur immer weiterlesen. Außer den Merian-ähnlichen Abbildungen der Pflanzen, findet sich auch in dem ganzen Buch tatsächlich kein einziges Bild zu einem Rezept. Mir ist das völlig egal. Ich brauche sie nicht, kann es jedoch nachvollziehen, dass dies dem einen oder anderen Leser vielleicht fehlen mag. Auch kommen manche ihrer Sätze ein wenig holprig daher und so entsteht stellenweise der Eindruck, dass hier mit wenig Fingerspitzengefühl übersetzt wurde. Angesichts der spärlich bebilderten Seiten, tritt das Geschriebene in den Vordergrund und so ertappe ich mich immer wieder, dass ich einen Satz oder eine Passage ins Englische übersetzte und siehe da – plötzlich erhasche ich ihren Witz und Humor.
Salzkumquats…
Warum bin ich darauf nicht früher gekommen? Wieso habe ich nicht ein mal hinter den Horizont der Salz Zitronen geschaut? Da bedurfte es also Alice Waters‘ Buch, damit ich wie hypnotisiert von der Beschreibung der in Salz und Zitronensaft eingelegten Kumquats sofort überlege, wo ich diese herbekommen könnte. Jetzt gleich. Sie empfiehlt dazu Cavolo Nero, Haselnüsse und Parmesan, als Salat angemacht. Ich jage also nach Bio Kumquats, ritze sie auf, fülle sie mit Salz und stopfe sie in Gläser. Und warte. Ganze 4 Wochen. Dann gibt es keinen Cavolo Nero (Palmkohl) mehr. Sie ermuntert in ihrem Buch zu variieren. Und so probiere ich das mit Wirsing und Puntarella und bin schlichtweg hingerissen. Ich stöbere im Kapitel der Blattgemüse und Brokkoli und entdecke ein schönes Rezept für Sprossenbrokkoli. Prima – gerade hat mein Biomarkt diesen im Angebot und auch hier überzeugt das Gericht (zu den Gerichten kommen wir noch).
Ich werde euch mit getrockneten Tomaten und eingelegten Gurken überschütten..
Genau so wird es kommen. Im Gegensatz zu so manchen Einmach Fibeln gibt es hier wirklich mal was Neues. Eingelegte Okra Schoten mit Piment, Zimt und Chili oder Dillbohnen mit Weinblättern. Auch das Sauerkraut mit indischen Gewürzen lässt bei der Vorstellung meinen Gaumen tanzen. Hier kommen auch bei den Marmeladen und Gelees uns eher unbekannte Zitrusfrüchte wie Buddhas Hand zum Einsatz. Eindeutig hier ist in unseren Breiten Schluss mit Küchengarten, aber wer ein Gewächshaus hat, der kann auch allem Zitronigen frönen.
Breitwürfig aussäen..
Der zweite, kleinere Teil des Buches, ist dem Garten gewidmet. Was muss man bei den Böden beachten. Wann brauche ich Mulch oder wie funktioniert vertikales Gärtnern? Vor diesem Teil scheue ich mich noch ein wenig. Soll ich? Ein kleines Hochbeet auf dem Balkon? Irgendwie sehe ich Alice Waters mir aufmunternd zunicken. Und im Anhang finde ich auch gleich mehrere Adressen in Deutschland und der Schweiz wo ich Samen und alte Sorten bekommen kann.
Dieses Buch sollte in jedem Haushalt stehen.. Weil es nicht nur die Lust aufs Gärtnern weckt, sondern auch mit einem Füllhorn an Ideen für die kreative Küche mit regionalen Produkten aufwartet. Weil es sensibilisiert für die natürliche Kulinarik, wo es um uns und Nachhaltigkeit geht. Und weil es sich auf keine Seite schlägt – weder auf die Vegetarische noch auf die Vegane. Es ist für alle Geschmäcker und Vorlieben, also auch für die Fleisch- und Fischesser. Und so steht auch auf der Innenseite der Buchklappe “Respektiert eure Landwirte!“. Dem kann ich nur zustimmen.
Alice Waters wird nicht umsonst als die einflussreichste Köchin Amerikas bezeichnet, obwohl es dort sicherlich noch viel zu tun gibt. Fangen wir also an – mit einem klitzekleinen Beet.
The Art of Simple Food, Rezepte und Glück aus dem Küchengarten von Alice Waters ist im Prestel Verlag erschienen.
[fblike showfaces=“false“ width=“450″ verb=“like“ font=“arial“ locale=“de_DE“]
Wow, das ist ja mal ungewöhnlich :) Sieht wahnsinnig toll aus, was du da variiert hast!
LG
Ela
Danke, liebe Ela. Eigentlich so simple – aber diese kleinen Kumquat-Wunder mit den Haselnüssen… wow. Und Puntarella ist ja grad echt gut zu bekommen.
Liebe Grüße
Claudia