Es regnet so gut wie nie, der Himmel ist immer blau und meist weht der Wind. Was die Insel für unzählige Besucher aus aller Welt so anziehend macht, ist ihre einzigartige Lage am Vulkankrater. Es sind die kleinen Gassen von Oia, die hunderttausendfach als Fotokulisse dienen, die spektakulären Aussichten, die man über das Meer hat und es ist eines der ältesten Weinanbaugebiete der Welt. Doch hier findet man keine Weinberge im klassischen Sinn. Manchmal ist der Anbau allenfalls für Eingeweihte erkennbar. Der Rest hält die korbartig verschlungenen Reben, die sich auf dem Boden wie Nester verteilen, schlicht für Gestrüpp. Der Weinbau hier ist anders, die Böden sind anders und der daraus hergestellte Wein ist umwerfend. Warum man ihn im Rest der Welt nicht so kennt? Ganz einfach – es gibt nicht genug für den Rest der Welt. Wer den besten Assyrtiko, Athriri oder Mavrotragano trinken will, der muss herkommen.
Welchen Wein gibt es hier?
Die Datenbank der Insel zählt um die 40 verschiedene Rebsorten zu den autochthonen Rebsorten, was bedeutet, es gibt sie nur hier. Eine Rolle davon spielen lediglich 6 Sorten. 90% der Reben sind Weißwein 10% Rotwein. Es sind Rebsorten, die perfekt an die mineralischen Vulkanböden angepasst sind. Der von allen wohl am weitesten verbreitete Wein ist der Assyrtiko, ein mineralischer Weißwein mit einer knackigen Säure. Oft wird die Traube auch mit einem kleinen Anteil Athiri gemischt. Dann kommt zu der mineralisch-salzigen Säure noch das Aroma tropischer Früchte und das Bouquet wird voller. Einzigartig ist auch der Vinsanto der Insel, der nichts mit dem italienischen Süßwein zu tun hat. Nur hier auf Santorini darf er so genannt werden. Die Trauben dafür werden hochreif gelesen und im warmen Klima getrocknet. Dadurch reduziert sich das Wasser, der Zucker konzentriert sich und so entsteht ein süßer und aromareicher Wein.
Wie kann der Wein hier wachsen?
Die Frage habe ich mir natürlich gestellt, als ich die staubtrockenen Böden sah. Wie kann ohne Regen Wein wachsen? Nachts steigt aus der Caldera des Vulkans Feuchtigkeit auf, die im Bimsstein gespeichert wird. Messungen haben ergeben, dass in der Mitte eines Rebenkörbchens, hier “Kouloura” genannt, die Temperatur immer ein wenig niedriger ist und durch die Form der Reben, die Feuchtigkeit besser gespeichert wird. Nur die ganz jungen Reben dürfen 5 Jahre lang bewässert werden, ansonsten würden 60 – 70% verloren gehen. Danach ist es untersagt, Reben zu wässern, da Wasser auf der Insel ein kostbares Gut ist. Nach ihrer „Jugend“ muss die Rebe also kämpfen. Sie muss um jeden Tropfen kämpfen, der sich im Gestein über Nacht gespeichert hat. Manche der Reben sind über 150 Jahre alt.
Domaine Sigalas
Im Norden der Insel auf etwa 40 Hektar gründete Paris Sigalas 1991 das Weingut Sigalas. Seine Weine wurden vielfach prämiert und wer hierherkommt, darf sich außerdem auf eine ausgezeichnete Küche und einen lauschigen Platz im Freien unter Reben freuen. Hier wird moderne griechische Küche passend zu den Weinen serviert. Für eine Weinprobe sollte man sich zuvor anmelden. Der Assyrtiko, der im Holzfass gelagert wurde ist umwerfend.
Domaine Sigalas
Baxes, Oia, Santorini 847 02
Estate Agyros
Eindrucksvoll präsentiert sich eines der ältesten Weingüter der Insel mit moderner Architektur und uralten Reben. Die „jüngeren“ Reben sind um die 60 Jahre alt. Als eines der wenigen Weingüter der Insel, bietet es auch einen Rosé aus Assyrtiko und Mandilaria an, herrlich frisch und mit bezaubernder Frucht. Die Granate ist jedoch Estate Argyros Cuvee Nykteri Santorini, ein Wein der von ältesten Trauben nachts geerntet wird und lange reift und den man auch gerne noch ein paar Jahre lagern kann. 100% Assyrtiko können kaum besser sein. Ein Wein, der gefeiert werden will. Hier kann man eine Verkostungstour inklusive kleiner Häppchen buchen.
Estate Agyros
Episkopi Gonias 847 00
Santo Wines
Kein anderes Weingut der Insel bietet einen so spektakulären Blick über den Krater. Hierher kommt man aber nicht nur wegen der Aussicht, sondern auch wegen des guten Essens und weil man garantiert im Shop des Weinguts noch einkaufen muss. Vor allem die berühmten eingemachten Kapernblätter. Wer sich auf der Insel in Fava, den würzigen Dip aus gelben Schälerbsen verliebt hat (und das tut jeder, versprochen), der kommt um Kapern und Kapernblätter nicht drumrum. Sie und das gute Olivenöl machen aus den Erbsen erst eine Köstlichkeit. Bei Santo Wines findet man auch einen weißen und einen rosé Sparkling Wine, erster aus 100% Assyrtiko und der Rosé mit einem Anteil von 20% Mandilaria. Das Essen hier ist ausgezeichnet, modern interpretierte Klassiker der griechischen Küche und hervorragender Fisch. Es ist dieses Gesamterlebnis, was diesen Besuch hier zu etwas Besonderem macht. Die Lage, der Wein und die Küche. Den blauen Himmel gibt es immer gratis dazu.
Santo Wines
Pyrgos Kallistis 847 00
Gaia Wines
Es ist das vierte Weingut auf meiner Reise. Es ist ein kleines Weingut, das unweit des Flughafens liegt und die Besonderheit sind hier die großen Amphoren aus Ton, in denen ein Teil des Weins gelagert wird. Das Weingut, das früher eine Tomatenfabrik beherbergte, ist vielleicht nicht unbedingt so eindrucksvoll, wie manch anderes, doch die Weine sind von einer leuchtenden Intensität, die man gekostet haben sollte. Ein kleiner Teil davon darf „wild“ fermentieren und präsentiert mit jedem Jahrgang ein bisschen anderes Aromenprofil.
Auch hier kann man schön sitzen und aufs Meer schauen.
Gaia Santorini Winery
Exo Gonia-84700 Santorini
Und natürlich das wunderschöne Oia
Von April bis Oktober drängen sich alle durch die schmalen Gassen. Kleine Läden haben meist von 10:00 Uhr morgens bis spät in die Nacht geöffnet und das bringt viele hier an ihre Grenzen, denn erst wenn im November die Läden bis zum nächsten Frühjahr schließen, können die Menschen, die hier arbeiten durchatmen und zu ihren Familien aufs Festland fahren. Wer hier „Saisonarbeiter“ ist und zum Beispiel eine kleine Boutique oder Galerie betreibt, der wird auch in den ruhigen Monaten weiter vom Staat bezahlt, denn es gilt die Kräfte für die nächste Saison zu sammeln. Dunkle Augenringe sind also am Ende der Saison keine Seltenheit. Oia ist touristisch und trotzdem muss man hier gewesen sein. Man kann gemütlich in einem Café sitzen und sich darüber amüsieren, wie Brautpaare und Influencer auf den Dächern für das beste Foto posieren. Es ist einfach immer voll. Zum Beginn und Ende der Saison etwas weniger.
So sehr ich das eine oder andere Mal von der Menge an Besuchern überwältigt war, so sehr habe ich es aber auch einfach genossen, hier zu sein. Besonders in den Momenten, wenn ich im Schatten oder vor der untergehenden Sonne saß mit einem Glas kühlem Assyrtiko in der Hand und sehnsüchtig auf den nächsten Fava Dip, Zucchinifritters oder einen frischen Fisch gewartet habe.
Offenlegung: Die Reise nach Santorini wurde unterstützt von Discovering Volcanic Agriculture of Europe und ist ebenso Teil eines von der EU geförderten Programms „Enjoy it’s from Europe“. Vielen Dank für die tolle Organisation. Die Eindrücke sind wie immer ganz die meinen.
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