Als ich in der kleinen Boutique des Tropical Spice Gardens in Penang ein Kochbuch über die malaysische Nyonya Küche entdeckte, überlegte ich kurz, ob es wirklich eine gute Idee sei, ein Kochbuch mit nach Hause zu nehmen, schließlich ist so ein Kochbuch kein Fliegengewicht und die meisten Airlines sind streng, wenn es um die Einhaltung des Maximalgewichts der Koffer angeht. Ich überprüfte also erst, ob es auch eine Möglichkeit gäbe, das Buch in Deutschland zu bestellen. Es gab keine. Ich hatte also keine andere Wahl. Und das war ein Glücksfall, denn als ich ein paar Stunden später in meinem Hotel durch das Buch blätterte, entdeckte ich, dass die Autorin Pearly Kee in Georgetown eine Kochschule führt. Das Buch erschien 2017. Zwischen dem Erscheinen des Buches und heute liegen einige Jahre und vor allem eine Pandemie, die für mindestens zwei Jahre vieles zum Erliegen brachte. Ich recherchierte also. Es gibt die Kochschule immer noch. Ich schrieb eine Mail, dass ich zwei Tage später gerne einen Kurs besuchen würde. Und Pearly antwortete. Treffpunkt sei am übernächsten Tag um 9:00 Uhr am Pulau Tikus Wet Market.
Der Pulau Tikus Wet Market
Ich war ein bisschen zu früh dran, ausnahmsweise war es mit dem Verkehr mal nicht so schlimm und so stand ich an der gegenüberliegenden Ecke des Marktes und beobachtete die Menschen, die auf den Markt strömten, als plötzlich eine kleine lächelnde Asiatin vor mir stand. Sie sieht etwas älter aus als in ihrem Kochbuch, ihre Haare sind mehr von grauen Strähnen durchzogen, doch das Lächeln – eindeutig. Sie ist es. Pearly Kee. Ihr Englisch ist tadellos, aber das hatte ich bereits aus der Email, in der sie mir geantwortet hatte, geschlossen. Das hier sei ihr liebster Markt, erklärt sie mir. Jetzt, zwei Tage vor Chinese New Year sei es voller als üblich. Am Eingang des Marktes werden unzählige verschiedene Ananas verkauft, das sei eine beliebte Dekoration für die Festtage, zum Essen seien die nicht bestimmt. Ich bin trotzdem hingerissen von den wunderschönen Früchten. Sie macht mich auf „Sand Ingwer“ aufmerksam. Der sei selten und teuer, ein Kilo davon kostet fast 15 €. Ja, das ist sehr viel hier. Sie zeigt mir Celtuce, den chinesischen Spargel, Bambuswurzeln, Flaschenkürbisse (die tatsächlich früher als Flaschen benutzt wurden) und einen Stand, wo frische Kokosmilch gemacht wird. Kokosnüsse werden hier frisch geraspelt und mit dem Kokoswasser zu einer Creme vermischt. Ich brauche nicht viel Vorstellungsvermögen, um zu ahnen, dass dies die Kokosmilch, die es bei uns in Dosen und Tetrapacks gibt, bei Weitem in den Schatten stellen würde. Sie zieht mich immer weiter hinein in den Bauch dieses wundervollen Marktes, sie grüßt jeden Standbesitzer und jeder kennt sie, bis wir auf der anderen Seite wieder herauskommen. Es sei jetzt ein guter Zeitpunkt für einen Pfannkuchen mit etwas Sirup und ein kühles Getränk mit saurer Pflaume. Sie zeigt mir, wer hier das beste Sambal macht und wo ich die besten Hühner bekommen würde. Ich seufze. Ich würde gerne ein Huhn kaufen, und Sambal und da war der Stand mit den tollen Nudeln. Immerhin würde ich zumindest bald kochen. Wenn ich es schon nicht mitnehmen kann in meine eigene Küche.
Was ist eigentlich Nyonya Cuisine?
Mit den Einwanderern aus den südlichen Regionen Chinas im 19. Jahrhundert nach Malaysia, brachten diese ihre traditionellen Gerichte, Rezepte und Zubereitungsarten mit. Mit der Zeit verwoben sich diese mit den regionalen Produkten und assimilierten zu einer Küche, die sowohl malaysische, wie auch chinesische, indische und thailändische Einflüsse beinhaltete. Als Nyonyas bezeichnete man die Frauen, Männer wurden Baba genannt. Die Nyonyas waren stolz darauf, alles selbst zu machen. Die Nudeln, die Pasten, die Gewürzmischungen. Daraus entstanden die für Penang berühmten Gerichte wie Penang Laksa, Khong Assam (eine saure Suppe mit Tamarinde und Schweinefüßen), Perut Ikan (Curry mit eingemachtem Fischmagen) und Fischkopf Curry. Heute sind die großen Mörser kaum noch in den Küchen zu finden. Blitzhacker und Thermomixe haben die Arbeit übernommen.
Die Penang Homecooking School
Außer mir gibt es an diesem Tag nur einen weiteren Teilnehmer. Einen schmalen, stillen Schotten, der seit einiger Zeit jeden Tag herkommt, um die Gerichte kennenzulernen. Drei Gerichte werden wir heute kochen. Hokkien Char mit Gelben Nudeln, Sambal Udang (scharfe Garnelen) und Spicy Chicken. Und wie immer beginnt es mit dem Mis en Place. Vorbereitung ist einfach alles. Pearly hat sich eine Schürze umgebunden und erklärt genau, wie die Shrimppaste im Wok zu rösten sei. Jeder von uns hat seinen eigenen Wok. Wir machen es also nach. Nach einer Weile nimmt Pearly mir den Spatel aus der Hand. Nicht schräg, ich soll mit der flachen Seite die Paste verteilen. Sie nimmt das sehr genau und ich ertappe mich dabei, dass ich gerne von ihr gelobt werden würde. Also röste ich die Paste, wie sie es vorgemacht hat. Sie nickt. Pearly ist streng. Wir müssen die Garnelen entdarmen und schälen und das Hühnchen klein schneiden. Danach das Zitronengras in feinste Ringe schneiden. Ich frage sie, ob es üblich sei, mit einem eher stumpfen Messer zu arbeiten. Sie schaut mich prüfend an. Du willst ein scharfes Messer? Die meisten können mit einem scharfen Messer doch gar nicht umgehen. Ich lächle freundlich. Wenn du wüsstest, liebe Pearly, wie genau ich in meiner Küche darauf achte, dass meine Messer immer superscharf sind. Mit dem geschärften Messer geht es auch gleich viel besser und schneller. Der Schotte verzieht keine Miene und kämpft derweil wohl weiter mit dem stumpfen Messer. Tamarinden einweichen, Ingwer, Knoblauch und Chilis fein hacken. Limetten auspressen und die Fischküchlein in exakt 1 cm dicke Scheiben schneiden. Dann die geröstete Shrimppaste mit den frischen Chilis und den gehackten Kerzennüssen zu einer Paste anrühren. Pearly achtet genau darauf, in welcher Reihenfolge die vorbereiteten Zutaten auf welchem Teller liegen.
Dann müssen wir noch Schalotten knusprig braten. Gefühlt machen wir über eine Stunde nichts anderes, als schnippeln, hacken und putzen. Langsam bekomme ich Hunger. Außer dem kleinen Pfannkuchen mit Sirup habe ich an diesem Tag noch nichts gegessen. Ob ich Reis dazu wolle, werde ich gefragt. Ich nicke. Ich bin noch mit dem Säubern der Mungbohnensprossen beschäftigt.
Und dann, als alles schön ordentlich um den Wok hergerichtet ist, geht es ganz schnell. Davor erklärt Pearly noch warum sie eine besondere Soja Sauce für dieses Gericht empfiehlt und eine andere für das zweite Gericht. Plötzlich wird es lebhaft in der Küche. Es brutzelt und duftet köstlich. Zuerst das Gericht mit den zweierlei Nudeln, Garnelen und Fischküchlein, dann die Shrimps, wobei ich hier selbst entscheiden soll, wie scharf es werden soll und zuletzt das Hühnchen. Nach etwa 10 Minuten steht alles auf dem Tisch. Der schweigsame Schotte probiert nur ein bisschen. Ich rätsle, was ihn wohl dazu bewogen hat, nicht nur einen, sondern gleich mehrere von Pearlys Kochkursen zu besuchen. Ein großer Esser scheint er jedenfalls nicht zu sein und fünf Minuten später ist er auch schon wieder verschwunden. Ich plaudere noch ein wenig mit Pearly, mache noch ein Foto von der Shrimp Paste, die ich unbedingt noch kaufen muss und dann gibt sie mir noch ihr erstes Kochbuch und schreibt eine Widmung hinein.
Die Kochbücher von Pearly Kee
Auf dem deutschsprachigen Kochbuchmarkt sieht es mickrig aus, wenn es um Malaysische Küche geht. Will man dann auch noch ganz konkret etwas über die Nyonya Küche aus Penang erfahren, ist es komplett düster. Ich hatte also keine andere Wahl, als zwei Kochbücher mit nach Hause zu nehmen. Und auch wenn ich hier keine frischen Ingwerblüten bekomme, keine Buah Keluak Nüsse und vermutlich auch keine Flügelbohnen, ich kaufe diese Bücher ja nicht, um jedes Rezept originalgetreu nachzukochen. Bücher aus fremden Länderküchen sind eine hervorragende Inspiration, sie nähren die Sehnsucht nach fernen Zielen und bieten Ideen für neue Gewürzkombinationen.
Im ersten Buch von Pearly Kee „My Nyonya Inheritance“ geht es hauptsächlich um die Gerichte, die die meisten aus den Garküchen der Nachtmärkte kennen. Schnelle Pfannengerichte aber auch klassische Schmorgerichte wie „Beef Redang“ oder geschmortes „Chili Pork“.
Im zweiten Buch „Nyonya Pantry“ geht sie dann noch genauer auf die Zutaten ein und erklärt, in welchen ikonischen Gerichten (besagtes Fischkopfcurry zum Beispiel) sie zu Einsatz kommen. Ich finde beide großartig, allein das Kapitel über Kokosnuss ist sehr erhellend.
Was ich alles mitgebracht habe, habe ich ja schon in meinem Bericht über die Küche Penangs vorgestellt. Es wird also mit großer Wahrscheinlichkeit zukünftig noch das eine oder andere malaysische Gericht hier geben. Derweil hoffe ich mal, dass ich in meinem Asialaden zumindest frische Pandanblätter bekomme.
Auf Youtube hat Pearly übrigens ganz viele Videos eingestellt, wo sie die Nyonya Küche vorstellt.
Ihre Kochschule findet man hier:
Penang Home cooking School
0 Kommentare