7. Mai 2022

Kulinarische Notizen aus Albanien (Teil 1) – traditionelle Küche in Tirana, Märkte, Maisbrot und ein Ausflug ans Meer

2 Kommentare

Vor drei Jahren bekam ich ein albanisches Kochbuch geschenkt. Albanien? Ich wusste nicht viel über Albanien. Ich hatte einen Roman von Ismail Kadare, einer albanischen Autoren-Ikone, gelesen. Ein grandioses Werk. Und ich war fasziniert, wie in diesem Kochbuch die traditionelle Küche neu interpretiert wurde. Immer wieder wollte ich etwas daraus kochen, doch es fehlte mir etwas Entscheidendes. Mir fehlte das Erlebnis der albanischen Küche. Ich hatte keinen Eindruck, keinen Geschmack dieses Landes in meiner Erinnerung. Wie also hätte ich darüber entscheiden können, ob es typisch ist oder nicht? Ich musste hinfahren. Als ich soweit war, kam die Pandemie. Nichts mit Reisen. Doch dann war es endlich soweit. Ich hatte ein Ticket nach Tirana, ein Hotel und einen Mietwagen und die allerbeste Reisebegleitung. Meine ebenfalls bloggende und völlig food-besessene Freundin Petra (derMutanderer) kam mit. Das Abenteuer konnte beginnen. Und dieses Abenteuer beginnt damit, dass wir mit dem Mietwagen in die Stadt kommen müssen. Wir brauchen Google Maps und dafür Internet. Der Netzanbieter schickte bereits kurz nach der Ankunft das wenig verlockende Angebot über 50MB (das ist nichts!) Mobilfunkdaten für stattliche 4,99€. Dass man heutzutage mit dieser Datenmenge nicht weit kommt, dürfte jedem klar sein, weswegen man das durchaus als Abzocke bezeichnen könnte. Zum Glück hatte eine andere Freundin mir kurz vor der Reise den Tipp gegeben, mir eine „e-sim“ zu installieren, eine App für die neueren Iphones, womit man sich quasi eine virtuelle Sim-Karte einrichten kann, über die man für wenig Geld (8$ für 1 GB) eine Woche lang surfen kann. Das Navi war also schon mal kein Problem. Und das mit dem Verkehr? Würde ich schon hinkriegen. Das hat bisher in jedem Land geklappt.

 

Oda – ein Restaurant mit traditioneller albanischer Küche

Linda, von Albanien Food Tours, die ich vor meiner Reise kontaktierte, überschüttete mich geradezu mit Tipps für Tirana. „Du musst unbedingt zu Oda“.  Nachdem wir unser Auto mitsamt Schlüssel an einem Parkplatz abgegeben hatten (zuerst mulmiges Gefühl, doch völlig unbegründet), ins Hotel direkt um die Ecke des Marktes eingecheckt hatten, um uns kurz frisch zu machen, waren wir die typischen „early-birds“, die kurz nach 19:00 Uhr bei Oda vor der Tür standen. Nur einer der wenigen Tische draußen war noch frei. Oda ist eigentlich immer voll. Selbst nach 22:00 Uhr warteten Gäste noch draußen auf einen Tisch. Klar war, dass ich ausschließlich albanischen Wein während meiner Reise trinken wollte. Die Karte ist zwar zweisprachig, doch die Gerichte sind so gut wie gar nicht beschrieben. Ein absolutes Highlight ist die Leber in Ricotta (Tavë dheu). Köstlich rund und mit einer feinen sauren Note vom Käse. Die mit Kräutern gewürzten Reisbällchen (Qifqi oriz) waren etwas trocken, doch mit Joghurt dazu einfach wunderbar knusprig. Wir bestellten davor einige Vorspeisen, Wurst, Käse und verschiedene Pickles (Salattë Thurshi). Als Hauptgericht im Holzofen geschmortes Lamm. Das war dann tatsächlich auch nur das Lammfleisch, ohne Beilagen, was jedoch wegen beschriebenen Pickles, den Reisbällchen und dem Joghurt wieder genau richtig war und somit war die erste Lektion gelernt. Immer nach Beilagen fragen, denn die stehen nicht auf der Karte. Wirklich bemerkenswert ist das dichte Vollkornbrot und das fast noch bessere Maisbrot. Davon kann ich kaum genug bekommen.

Leber in Ricotta (Tavë dheu) – ein fantastisches Gericht!

albanischer Wein

Maisbrot

auf dem Markt

Das erste, was mir auffällt sind kleine grüne Früchte, die aussehen wie Oliven. Es sind keine Oliven. Es sind Erik-Früchte. Eine Art Kirschpflaumen, jedoch unreif. Die werde ich auf jeden Fall mitnehmen, denn irgendwie sehen sie so aus, als könne man aus ihnen japanische Umeboshis machen. Und Nudeln. Überall gibt es vorgekochte Nudeln, die in Tüten angeboten werden. Dazwischen viele Kräuter und Gemüse wie Senfkohl, Sauerampfer und Löwenzahn. Auch losen Tabak kann man hier überall kaufen. Getrocknete Feigen sind allgegenwärtig, ebenso wie Honig und verschiedene Hülsenfrüchte. Rund um den Markt sind die Käseläden, Bäckereien und Metzger. Hier darf man nicht zimperlich sein, wenn ein ganzes Lamm im Schaufenster hängt. Ähnlich wie in Griechenland gibt es überall den köstlichen Bergtee zu kaufen.

der köstliche Bergtee

Knoblauch gibt es hier genug

das Grüne sind die Erik-Früchte und vollmundige Erdbeeren gibt es für 0,80 €

auf dem „New Bazaar“

jetzt ist die Saison für viele zarte Kräuter

die superdünnen Nudeln für die Desserts gibt es überall

Cafés und die Radio Bar

Daydrinking? Warum eigentlich nicht. Schließlich kann man ja erst einmal mit einer Virgin Mary oder einem Virgin Mojito loslegen. Die Cocktails in der Radio Bar, die herrlich bunt und verrückt eingerichtet ist, sind die besten, die ich seit langem hatte. Ein Cocktail mit albanischem Raki (was nichts mit dem Anisschnaps zu tun hat, sondern dort einfach nur Schnaps heißt) ist grandios. Gekonnt ausbalanciert mit einer Feigenmarmelade. Ich hatte noch nie einen Cocktail mit einer Feigenmarmelade aber diesen hier will ich unbedingt nochmal. Und wenn ich dafür noch mal nach Tirana fliegen muss.

Im ehemaligen Regierungsviertel gibt es unzählige Cafés und Bars und es fällt schwer, sich für ein Café zu entscheiden. Mein Tipp: mit der Radio Bar anfangen. Da bleibt man dann sowieso hängen.

Cocktails, Wein und irgendwie ist immer was los

In der alten byzantinischen Festung, die mittlerweile zur Vergnügungs- und Shoppingmeile umgebaut wurde, findet man eine der besten Weinbars der Stadt, die Filari Wine Bar, die von zwei Sommeliers betrieben wird. Zwar stehen auch internationale Tropfen auf der Karte, doch hier gibt man dem albanischen Wein eine Bühne. Und die teils autochthonen Trauben sind es wert, entdeckt zu werden. Gerade hat einer der Besitzer seinen eigenen Wein auf die Flasche gezogen, die Flaschen haben noch kein Etikett, aber wir dürfen ihn probieren. Und der Wein ist samtig, ohne zuviel Tannin, mit Anklängen von Trockenfrüchten und erinnert ein wenig an einen Shiraz. Wer neugierig ist, kann hier viel über albanischen Wein lernen.
Und man muss dafür auch nicht der albanischen Sprache mächtig sein. Es überrascht, wieviele hier ausgezeichnetes Englisch sprechen.

rund um die alte Festung mitten in Tirana

die Filari Wine Bar

der frisch abgefüllte eigene Wein hat noch keine Etiketten

ein Spaziergang durch Tirana

In einer Ecke des riesigen Skanderbeg Platzes werden an diesem Morgen Zelte für das Frühjahrsfest aufgebaut. Der Platz ist ein Traum für Rollschuhläufer (weil komplett Marmor-gefliest), doch an denen mangelt es hier. Quer durch die Stadt fließt der kleine Fluss Lana, überall findet man immer wieder kleine Marktstände. Auch ein Stück der Berliner Mauer ist unweit davon ausgestellt. In den kleinen Gassen der Altstadt finden sich viele Reparatur-Läden für alles Mögliche. Die neue große Moschee ist immer noch nicht fertig (es heißt,wegen der Pandemie), die schicksten Boutiquen findet man im Regierungsviertel und die Stadt besticht durch die Kontraste zwischen ultra-modern und ziemlich runtergekommen. Charmant sind die vielen Secondhand-Buchhändler, die am Rande der Parks ihre Bücher aufstellen.

noch nicht fertig, aber es soll die größte Moschee des Balkans werden.

Autofahren  – nichts für schwache Nerven

Autofahren in Tirana ist crazy. Davon abgesehen, dass es hier eine ähnlich Dichte an Luxus-SUV‘s wie im Süden von München gibt, fahren hier alle ziemlich vogelwild. Wo zwei Spuren sind, fährt man auch gerne dreispurig, oder es fehlt gleich ganz die Fahrbahnmarkierung, was dem Ganzen einen zusätzlichen Kick verleiht. Und eben weil man es hier nicht so genau nimmt, wenn man im Kreisverkehr mal schnell in die nächste Ausfahrt ausscheren will, kracht es hier auch ständig. Landstraßen sind übersäht mit teils tiefen Schlaglöchern, an den Landstraßen hängen viele Blumengebinde an den Leitplanken (das ist ziemlich übel), was aber überhaupt kein Problem ist, ist das Tanken. So viele Tankstellen, wie es hier gibt, habe ich selten gesehen. Trotz der relativ vielen Unfälle scheint man dennoch bemüht zu sein, aufeinander acht zu geben. Das Navi führte mich auf dem Weg zum Flughafen in eine Einbahnstraße, die glücklicherweise zweispurig war. Ein Polizist hat es beobachtet und nur mit dem Kopf geschüttelt. Aber jeder ist ohne Aufblinken mir aus dem Weg gefahren. Wirklich schnell fahren kann man hier sowieso nicht, was einige in ihren protzigen Limousinen natürlich trotzdem versuchen. Am letzten Tag in Tirana landete dann auch gleich ein ganzer Bus im Flussbett. Er war zuvor mit einer Mercedes A-Klasse kollidiert. Es gab zum Glück nur Verletzte.

nicht unüblich und in schlechter Qualität, da aus dem Auto mit dem Handy fotografiert

Ausflug nach Durrës ans Meer

Wenn die Zeit schon nicht für den Süden reicht, so dann wenigstens für einen Ausflug ans Meer. Durrës liegt auf dem Weg, lediglich ein kleiner Umweg ist nötig auf dem Weg nach Norden ins Agritourismo Mrizi i Zanave (kommt in einem gesonderten Bericht). Abends auf der Strandpromenade sind fast nur Einheimische unterwegs, die Strände sind zwar da, aber auch grad in der Renovierung, wie überhaupt vieles in Durrës dringend renoviert werden müsste. Der Lack, oder besser der Putz ist ab und das Bröckelnde hat allenfalls noch Charme bei den alten Ruinen aus der Römerzeit. Monumentale Statuen wirken wie aus der Zeit gefallen. Das Hotel ist allerdings ein echtes Juwel, welches an die früheren Prachtzeiten des Badeorts erinnert (Hotel Epidamn ) welches für gerade mal 60,00 € ein Deluxe Zimmer mit goldener Klobrille bietet. Abends vor dem Hotel ist es der beste Platz für einen Drink. Man kann schauen und sich eine wirklich ausgezeichnete Margerita gönnen, während die Fassade imposant beleuchtet wird. Auch hier sind die Matratzen und die Kissen ausgezeichnet. Alles ist allem ist der Besuch in Durrës trotz oder gerade wegen der Kontraste lohnenswert.

ein wunderbarer Sonnenuntergang am Meer

ich habe ein Faible für Wolken und Licht

diese Statue ist riesig

es gab bestimmt bessere Zeiten.

aber dieses Hotel macht alles wett

ein klassisches albanisches Frühstück

Tarhana muss man zumindest einmal gegessen haben. Dahinter verbirgt sich eine Mischung aus fermentiertem Getreide mit Joghurt. Gewürzt wird es mit Brühe, Olivenöl, Ziegenkäse und je nachdem Kräutern oder Brot. Es ist ein bisschen wie die gute alte Haferschleimsuppe nur besser. Mir macht so ein Frühstück großen Spaß, denn auch in Asien konnte man mich schon immer für die morgendliche Reissuppe begeistern.

Adressen und Tipps

Oda
Rruga Luigj Gurakuqi 3
Tirana
Albanien

Filari Wine Bar
Tirana Castle
Shëtitorja Murat Toptani
Tiranë
Albanien

Hotel Boka
zentral, direct am Markt und das Frühstückszimmer ist strassbesetzten goldenen Stühlen (grusel!) ein Erlebnis der besonderen Art. Aber es gibt tollen Käse und Oliven zum Frühstück. Die Betten und Kissen sind grandios.
Rruga Shemsi Haka 4
Tiranë
Albanien
hotel-boka.al

Radio Bar Tirana
Rruga Ismail Qemali P. 29 Ap. 1
Tirana
Albanien
www.radiobar.al

MIA Organic
einer der wenigen Bioläden der Stadt. Hier bekommt man geröstete Kichererbsen, Eingemachtes, Fleisch und Käse
Rruga Ismail Qemali ish rruga Sami Frasheri Pallati Nr. 11, Kati i 1
Tirana
Albanien
mia.al

Mullixhiu (mehr dazu im nächsten Bericht)
Shëtitorja Lasgush Poradeci Hyrja e Parkut tek Diga e Liqenit Artificial
Tirana
Albanien
www.mullixhiu.al

2 Kommentare

  1. Danke für diesen tollen Bericht! Da bekommt man sofort Lust auch nach Tirana zu fliegen (und eigene Vorurteile abzubauen). Ein offensichtlich zu Unrecht vergessenes (ignoriertes) Land. Auch die Hinweise zu den Restaurants in anderen Löndern finde ich super hilfreich! ? Als große „Misoproduzentin“? und -Liebhaberin werde ich mir gleich das Buch kaufen und natürlich die kulinarischen Reisen…….Vielen Dank!

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    • Das freut mich sehr, liebe Kaja.
      Albanien ist definitiv eine Reise wert.
      Herzliche Grüße
      Claudia

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