Seeland also. Die größte und bevölkerungsreichste Insel Dänemarks – Heimat von Kopenhagen, doch auf ihren Nebenstraßen zeigt sie eine leise, fast unberührte Seite. Mein Aufenthalt beginnt am Fjord – und dort zeigt Seeland seine stille Seite.
Ein Færgekro mit Blick auf das Wasser, die Zimmer hell und nordisch, mit einer Prise maritimer Nostalgie. Ein ehemaliges Lagerhaus, das erzählt, wie man früher Eier über Monate konservierte – weil Hühner dem Tageslicht folgen und Vorratshaltung eine Kunst war. Dann eine Galerie voll Kunst, die laut sein will – und ein Cider, der ganz leise überzeugt.
Ich schlafe im Tanja‑Blixen‑Zimmer in einem herrschaftlichen Anwesen, während draußen der Wind durch die alten Bäume rauscht. Am westlichsten Punkt der Insel, dort wo der Leuchtturm steht, tobt der Wind und wühlt die ruhige Ostsee auf. Auf den sanften Hügeln der Halbinsel wachsen Reben, aus denen ein Wein entsteht, der das nordische Licht einfängt – klar, elegant und prämiert.
Zwischen stillen Rückzugsorten und rauer Küstenenergie entfaltet sich eine Reise voller Kontraste. Und voller Geschmack.
- Hørby Færgekro– Charmantes Seehotel am Isefjord mit Geschichte
- Æglageret – Art & Egg Museum
- SuRi in Holbæk – frische nordische Küche direkt am Hafen
- Kunst, die Frohsinn verbreiten will: Møller i Mejeriet
- Kragerup Gods – wo Tanja Blixen in jungen Jahren ihre Sommer verbrachte
- Einmal durchpusten lassen am Røsnæs Fyr
- Nordische Frische, Mineralität und Eleganz: die Weine von Dyrehøj Vingård
- Tusen Vin und ein eleganter Cider
Hørby Færgekro– Charmantes Seehotel am Isefjord mit Geschichte
Ich bin ein wenig zu früh, mein Zimmer ist noch nicht fertig. Das macht aber nichts, denn das Personal ist ganz reizend hier. Ich könne doch einfach in einem der bequemen Sessel Platz nehmen, man bringe mir gerne einen Tee und ich kann hinaus auf den Fjord schauen. Gerade verziehen sich die letzten Regenwolken. Hørby Færgekro ist ein Fährgasthof mit über 800 Jahren Geschichte, 2021 renoviert und modernisiert – heute ein helles, maritim inspiriertes Gästehaus mit Meerblick. Mein Zimmer, das kurze Zeit später bezugsfertig ist, hat eine breite Fensterfront mit Balkon direkt auf den Fjord hinaus. Die Einrichtung ist hyggelig-maritim und an der Wand hängen zwei übergroße wärmende Mäntel für all jene, die bei nicht ganz so tollem Wetter nicht auf einen Spaziergang im Freien verzichten möchten. Die Küche bietet eine feine, gehobene Hausmannskost. Ich bestelle zum Abendessen einen Salat mit frisch gepulten Krabben (ich liebe diese köstlichen, kleinen Dinger) und ein Frikassee. Und so fällt es auch nicht schwer, den Teller leer zu essen. Am nächsten Morgen scheint dann auch tatsächlich die Sonne und der Himmel ist wolkenfrei.
Hørby Færgekro
Strandvejen 1, Hørby 4300 Holbæk
Æglageret – Art & Egg Museum
Dass es rund ums Jahr stets frische Eier gibt war nicht immer so, erklärt Jørgen Fokdal vom Kunst- und Eier Museum in Holbæk. Noch zu Anfang des letzten Jahrhunderts gab es Eier nur zu den Zeiten, wenn es mehr als 12 Stunden am Tag hell war. Beim Eierlegen unterscheiden sich Hühner grundsätzlich nicht von anderen Vogelarten. Eier werden also ab dem Frühjahr gelegt. Das vergisst man heute leicht, denn mit der Einführung der Elektrizität hat sich dieser Grundsatz verändert.
Damit man allerdings in diesem Teil Dänemarks nicht auf Eier verzichten musste und vor allem Eier auch exportieren konnte, wurde 1921 von der Odense Ægforretning, dem größten Eierexporteur des Landes, dieses Lagerhaus gebaut, in dessen Keller bis zu 3 Millionen Eier luftdicht in kalkhaltigem Wasser gelagert wurden. So konserviert, blieben sie bis zu einem Jahr haltbar.
In den oberen Etagen gibt es wechselnde Ausstellungen von lokalen Künstlern.
Æglageret
Lindevej 6
4300 Holbæk
SuRi in Holbæk – frische nordische Küche direkt am Hafen
Besonders schön ist es natürlich am Hafen direkt auf dem Steg seine Brotzeit zu essen, die Sonne scheint und auf dem Wasser schaukeln rund herum die Boote. Wer es etwas eleganter mag, geht ins SuRi. Selbst an einem Montag ist hier jeder Tisch zur Mittagszeit besetzt. „Kann ich auch auf der Terrasse sitzen“, frage ich. Eher nicht, denn in einer halben Stunde sei es vorbei mit dem schönen Wetter. Die freundliche Servicedame ist also eine Wetterfee? Ungläubig schaue ich hinauf zu den kleinen Schäfchenwolken. Und genau 30 Minuten später, schlägt heftiger Regen gegen die großen Fenster. Ich genieße also mein trockenes Plätzchen im Inneren und noch mehr genieße ich den frisch gebratenen Spargel mit Katzenwels und einer perfekten Béarnaise. Hier kocht man entspannt aber mit hohem Anspruch.
Restaurant SuRi
Havnevej 5
4300 Holbæk
Kunst, die Frohsinn verbreiten will: Møller i Mejeriet
Das Gebäude war früher eine Käserei und in vielen Ecken kann man das auch noch erahnen. Dann stand es lange leer und beherbergt heute eine bunte Mischung verschiedener Künstler. Die Werke von Finn Møller sind dabei so etwas wie das Herzstück der Galerie. Seine Kunst soll fröhlich machen, meint er. Er trifft dabei vielleicht nicht genau meinen Geschmack, doch wer einen Tumor im Gehirn überstanden hat und den starken Willen besitzt, die Welt von diesem Moment an zu einem fröhlicheren Ort zu machen, dem zolle ich meinen Respekt. Denn nach wie vor lässt sich über Geschmack nicht streiten und gerade sind positive Botschaften mehr als willkommen, betrachtet man das aktuelle Weltgeschehen.
Møller i Mejeriet
Solvænget 2 Kirke Stillinge
4200 Slagelse
Kragerup Gods – wo Tanja Blixen in jungen Jahren ihre Sommer verbrachte
Es ist ein Phänomen, dass die Autorin Tanja Blixen nur auf dem deutschsprachigen Literaturmarkt so heißt. Jeder kennt diesen Namen, denn sie hat das Buch „Jenseits von Afrika“ geschrieben, das mit Meryl Streep und Robert Redford verfilmt wurde. Tatsächlich heißt sie Karen Blixen. Geboren wurde sie als Karen Dinesen. Ihr Großvater war Herr über das Landgut Kragerup Gods wo sie als Kind und Jugendliche die Sommermonate verbrachte. Ihr Zimmer, das einen herrlichen Blick auf den Park hat, erinnert mit Bildern und einer alten Schreibmaschine an sie. Ich stelle mir gerne vor, wie sie hier den wundervollen ersten Satz ihres Buches schrieb: „Ich hatte eine Farm in Afrika, am Fuße der Ngong-Berge.“
Sie hat ihn jedoch nicht hier geschrieben. Trotzdem atmen diese Räume diese Noblesse und die Schönheit ihrer späteren Werke. Das Haus, das heute ein 4* Sterne Hotel ist, inspiriert mich. Vieles hier ist so erhalten und eingerichtet, wie zu der damaligen Zeit. Zwar steht in meinem Zimmer eine nostalgische Badewanne, doch ich bevorzuge das moderne Badezimmer mit Regendusche. Zum Dinner geht es in das hoteleigene „Restaurant Blixen“, wo die Auswahl des Menüs fein und überschaubar ist. Ich wähle eine Brioche mit einer köstlichen Creme aus Hühnerleber und ein gegrilltes Bavette zum Hauptgang. Anschließend wandere ich noch ein wenig durch den Park. Die Abende sind lang um diese Jahreszeit.
Was mir hier auch noch besonders gut gefällt: die hauseigene Kosmetikserie. Ich mag eigentlich kein Hotelshampoo doch dieses hier ist sehr gut. Ebenso das Duschgel. Auf den Gängen kann man sich feine Kräutermischungen für einen Tee aussuchen und sich dann auf dem Zimmer seinen Tee aufbrühen.
Kragerup Gods
Kragerupgårdsvej 33
4291 Ruds-Vedby
Einmal durchpusten lassen am Røsnæs Fyr
Ich liebe den Sturm, den Wind und die Wellen. Vorzugsweise jedoch an Land. Ich bin nicht gegen Seekrankheit gefeit. Hier am westlichsten Punkt Seelands stürmt es und die sonst so ruhige Ostsee ist plötzlich gar nicht mehr so ruhig. Ein kurzer Spaziergang durch den Wald führt mich zum Leuchtturm, von wo aus man einen grandiosen Blick über die Küste hat. Es gibt auch ein kleines Café und einen kleinen Souvenirshop (geschmackvoll und ohne Kitsch). Ich suche mir ein windgeschütztes Plätzchen und genieße einfach nur den Blick aufs Meer. Hier verliere ich jedes Gefühl für Zeit. Allein schon der Weg hierher führte mich durch eine bezaubernde Landschaft und ich hätte mir die vielen Knoten in meinen Haaren, die der Wind mir beschert hat, um nichts in der Welt entgehen lassen wollen.
Nordische Frische, Mineralität und Eleganz: die Weine von Dyrehøj Vingård
„Was wir jetzt hier haben, ist die nächste Generation der PiWi Weine“, meint Jacob Bruun-Jensen, CEO des größten Weinguts Dänemarks. Man merkt ihm an, dass er den Begriff PiWi (was für pilzresistente Rebsorten steht) eigentlich nicht so richtig mag, viel lieber spricht er über die Cuvées und Schaumweine, die hier entstehen und die mehrfach ausgezeichnet wurden. Auch ich habe lange Zeit Solaris, Muscaris, Souvignier Gris und Konsorten eher für Garanten von saurem und wenig genussvollem Wein gehalten. Das ändert sich gerade. Solaris in französischer Eiche ausgebaut schmeckt mir ausgezeichnet und zum ersten Mal werden Begriffe wie nordische Mineralität für mich greifbar. 2008 hat man hier damit begonnen Wein anzubauen. Mittlerweile sind es über 50.000 Rebstöcke.
Sie haben sich hier im Norden einfach nicht entmutigen lassen und über den Zeitraum von fast 20 Jahren etwas ganz Eigenes entwickelt. Und sich um einen Platz in der Weinwelt verdient gemacht. Neben der Wein-Boutique bietet das Weingut auch ein Café mit einer kleinen, feinen Lunchkarte.
Dyrehøj Vingård
Røsnæsvej
254 4400 Kalundborg
Tusen Vin und ein eleganter Cider
Tusen Vin ist ein junges Bio-Weingut von Sofie Saerens und Ebsen Misfeldt direkt am Fjord. 2020 haben sie damit begonnen, Reben zu pflanzen und sich somit einen lang gehegten Traum von nordischem Biowein verwirklicht. Doch der Wein ist nicht der eigentliche Grund, weshalb ich dieses Weingut unbedingt noch besuchen wollte. Während die beiden ihre Reben aufzogen und darauf warteten, die erste Ernte einzufahren, machten sie Cider. Einen grazil, ausdrucksvollen Cider aus Holsteiner Cox Äpfeln. Genau diesen Cider wollte ich näher kennenlernen. Sofie ist nicht nur Bioingenieurin, sondern auch leidenschaftliche Hefe-Expertin und für die Entwicklung der Weine und Cider von Tusen Vin verantwortlich. Stolz zeigt sie mir den Raum für die Abfüllung und Etikettierung. Alles hier ist so konstruiert, dass es quasi von einer Person bedient werden kann. Das Aufregende an ihrem Cider ist, dass er jedes Jahr mit jeder neuen Ernte ein einzigartiges Profil bekommt. So will sie es auch. Ihr Cider soll komplex sein und eine eigene Identität haben. Ich bin begeistert von ihrem Cider, der nach der Chamapgner-Methode hergestellt wird und kann wirklich jedem nur empfehlen, hier einen Stopp einzulegen. Außerhalb der Hauptsaison ist die kleine Hofboutique nur an Samstagen geöffnet. Auch Führungen mit Weinprobe werden angeboten. Die Details erfährt man über die Homepage.
Tusen Vin
Bognæsvej 35
4300 Holbæk
Die Tage auf den dänischen Ostseeinseln haben gutgetan. Neue Erfahrungen und viel unberührte Natur. Mit sagenhaften 10 Kilo mehr im Gepäck fliege ich über Kopenhagen (wo ich viel zu viel Zeit hatte und die Rabattaktion von 25% bei Royal Copenhagen schamlos ausgenutzt habe und mir zwei bezaubernde Teller gekauft habe) wieder nach Hause. Bis hoffentlich ganz bald, schönes Dänemark!
Offenlegung: Die Reise nach Seeland wurde unterstützt von Destination Sjaelland, insbesondere von den dänischen Ostseeinseln. Vielen Dank dafür. Die Eindrücke sind wie immer meine eigenen.
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