9. August 2019

Es scheint die Sonne noch so schön…

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Lange Sommertage in Norwegen auf Tautra in Trøndelag.

Ich will noch nicht schlafen. Es ist bereits lange nach Mitternacht und noch immer ist es angenehm warm, der Himmel ist in ein magisches rosa-orangenes Licht getaucht und die Luft ist salzig-mild und frisch. Ab und zu streichelt mir ein leichter Wind meine Arme. Seit etwa halb zwölf ist die Sonne untergegangen, doch es wird bis zum Sonnenaufgang nicht dunkel werden. Eine nicht enden wollende Dämmerung zieht sich über den Himmel. Manchmal hört man noch eines der Schafe auf der Weide oder eine einzelne Möwe.

Ich habe die langen Nächte im Norden erlebt, im Dezember auf Vesterålen und Lofoten, wenn es vormittags um elf Uhr erst hell wird und kurz nach vierzehn Uhr schon wieder dunkel, doch noch nie eine Sommernacht, in der es nicht dunkel wird. Ich sollte müde sein. Ich bin um fünf Uhr morgens aufgestanden, bin mit der S-Bahn zum Flughafen gefahren, von dort aus nach Oslo geflogen und weiter nach Trondheim. Dort habe ich einen Mietwagen genommen und bin entlang des Åsenfjords nach Frosta auf die kleine Insel Tautra gefahren. Im Hotel Klostergården, einem 300 Jahre alten Farmhaus, habe ich ein hübsches Zimmer. Der Garten ist am Nachmittag, als ich ankomme, voll mit Ausflugsgästen, es gibt Hausmannskost und Craftbier aus der eigenen kleinen Brauerei. Es ist heiß, über 30°, und da ist ein Platz im Schatten unter den großen Bäumen angenehm. Später bin ich dann mit einem Kollegen des Inhabers hinunter an den Strand gelaufen, um Seetang für eine Suppe zu sammeln. Das konnte nicht warten, denn das ist nur möglich bei Ebbe. Danach lief ich um die Ruinen des alten Klosters vor dem Haus herum. Ich entdeckte den kleinen Kräutergarten, setzte mich wieder in den Schatten und spürte langsam den Hunger. Ich hatte seit dem Morgen nichts gegessen.

es gibt genug Seetang für die Suppe

der Tang ist zäh wie Gummi und muss lange gekocht werden.

Selleriefelder

 

Getreidefelder am Meer

Ich kann nicht stillsitzen. Es ist sieben Uhr am Abend, der Garten ist leer und die Tagesausflügler auf ihrem Weg nach Hause. Vielleicht ist es diese große Sehnsucht nach dem Meer, vielleicht, weil ich Zeit habe, bis die Seetangsuppe fertig ist. Ich kann hin wo immer ich will. Ich will zum Wasser. Ich setze mich ins Auto und fahre los. Die Sonne steht schon tiefer aber noch immer wird es Stunden dauern, bis sie untergeht. Auf meinem Weg an die Spitze der Insel komme ich vorbei an großen Sellerie Feldern, ich halte an einem kleinen Bootssteg und laufe hinaus aufs Wasser. Boote wiegen sich auf dem fast spiegelglatten Wasser. Nirgendwo wird es deutlicher, dass Trøndelag die Kornkammer Norwegens ist. Große Felder mit Gerste wiegen sich im Wind. Ich fahre weiter, stelle irgendwo am Straßenrand das Auto ab und laufe am Rand eines Kornfelds hinunter zum Wasser. Ein großer Vogel zieht seine Kreise über dem Fjord. Ich würde gerne schreiben, dass es ein Adler ist, die gibt es hier häufiger, doch ich kann es nicht erkennen.

Zeit der Sauerkirschen auf Tautra

aus dieser Gerste wird auf der Insel auch ein Whisky destilliert

Idyllischer geht es kaum

 

es wird immer noch nicht dunkel

um halb zehn endlich essen Ståle Anderssen, Küchenchef und Besitzer vom Klostergården, und ich die Seetangsuppe. Es ist eine kräftige Suppe mit Sahne, Zwiebeln und Rotwein, der Seetang ist allerhöchstens eine Fußnote darin. Ich habe Hunger. Ich unterhalte mich leise, so als wollte ich die Abendstimmung nicht stören, als wäre sie anders, wenn meine Stimme zu laut wäre. Es ist die Stunde und die Stimmung, da man auch einem bis vor ein paar Stunden unbekannten Menschen viel über sich erzählt und viel über den anderen erfährt. Diese Zeit ab 23:00 Uhr ist die Zeit der andauernden Dämmerung. Oder des nicht enden wollenden Abendrots. Ich spüre, wie langsam die Müdigkeit wie ein altes Tier hinter den Augen hervorkriecht. Sie ist unentschlossen, weiter zu gehen. Legt sich präsent in den Weg. Ich spüre ihr Gewicht. Und trotzdem – ich kann noch nicht ins Bett. Dann würde ich all das hier verpassen, was die Menschen hier oben im Norden im Sommer jede Nacht erleben. Ich denke daran, wie es wäre, genau jetzt in einem Boot über den Fjord zu fahren. Ich würde mich einfach nur treiben lassen. Kein Laut sollte diese Stille stören. Sterne wird es keine geben in dieser Nacht, so wie in allen Nächten im Sommer. Die Venus, die schafft es irgendwann sich trotz der Dämmerung zu zeigen. Für alle anderen bleibt es zu hell.

Irgendwann erhebt sich die Müdigkeit wieder und fordert beachtet zu werden. Ich gebe ihr nach. Es werden noch einige helle Nächte folgen. Um mich herum ist kein Laut mehr zu hören, außer dem Knirschen meiner Sohlen auf dem Kiesboden als ich ins Haus laufe. Vorsichtshalber ziehe ich das Rollo an meinem Fenster nach unten. Eine Minute später bin ich tief und fest eingeschlafen.

Ståle Anderssens berühmte Seetangsuppe. Das Brot ist auch selbstgebacken.

Ståle Anderssen, der Hausherr vom Klostergården.

Hier wird ganz großartiges Bier gebraut. Besonders das Vorderste – ein Bier ohne Hopfen aber mit Wacholder und geräucherter Gerste.

 

Die alte Klosterruine aus dem 13. Jahrhundert. Viel ist nicht übrig geblieben.

KLOSTERGÅRDEN

Spisested – Bryggeri – Overnatting – Butikk
Klostergården Tautra
7633 Frostra

https://klostergardentautra.no

 

Die Seetangsuppe ist übrigens eines der populärsten Gerichte im Klostergården. Seit 12 Jahren steht sie auf der Karte.

Mehr zu Trøndelag gibt es hier zu lesen: Visit Norway

 

Offenlegung: Die wunderbare Reise, von der es noch ganz viel zu berichten geben wird, erfolgte auf Einladung von Visit Norway. Tusen Takk dafür!

 

 

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