16. September 2018

Die Transformationskräfte des Kochens, ein unentbehrliches Kochbuch und ein glücklichmachendes Huhn in Essig

4 Kommentare

 

Mal angenommen Sie laden sich Gäste zum Dinner ein. Bereits Tage vorher, suchen in Ihren Kochbüchern oder im Netz nach den passenden Rezepten für das Menü. Sie scheuen keine Kosten und Mühen, planen genau die Reihenfolge der Zubereitung, halten sich in der Regel genau an die Anleitung im Rezept und im allerbesten Fall erfreuen Sie sich am glücklichen Seufzen und dem Lob Ihrer Gäste. Sie werden nach den Rezepten gefragt, weil jeder der festen Meinung ist, dass ein gutes Rezept ausreicht, um in der Küche zu brillieren.

Das ist leider nur teilweise richtig.

Ein Rezept ähnelt in vielerlei Hinsicht den Malbüchern, wo einzelne nummerierte Flächen mit Farben zu füllen sind, welche dann hinterher den Eindruck eines mehr oder weniger komplexen Werks vermitteln sollen. Eine Ahnung vom Malen haben Sie deswegen trotzdem nicht. Jeder ist schon mal ins Museum gegangen und stand vor einem Bild, von dem er meinte, wenn er nur den Pinsel in die Hand bekäme, dann wäre es ein Leichtes, das nachzumachen. Natürlich haben wir, wenn wir so etwas sagen, keine Ahnung und genauso ist es mit dem Kochen.

Wir haben vielleicht ein ansatzweise passables Halbwissen, wenn es darum geht über Osmose zu parlieren, doch wenn es darum geht, wirklich zu verstehen worum es beim Salzen geht, fehlt den meisten jegliche Ahnung. So ist das eben mit den Rezepten. Sie liefern eine Anleitung, aber sie vermitteln kein Wissen. Wer einmal einen Kochkurs bei einem guten Koch besucht hat, liegt hier schon weiter vorn.

Wäre es nicht schön, wenn wir endlich verstünden, was genau wir so tun, wenn wir kochen? Wenn uns klar wäre, was warum wie diffundiert, warum wir endlich den Aberglauben ablegen sollten, dass Fleisch (bis auf Leber) nicht vor dem Braten gesalzen werden sollte? Wenn wir souverän im Umgang mit Öl und Fett wären? Wenn wir genau wüssten, wie und mit welcher Säure wir ein Gericht harmonisieren könnten, was genau Säure überhaupt ist und welche wunderbaren Eigenschaften ihr zugutekommen? Um letztendlich den Umgang mit den Elementen zu beherrschen und genau zu verstehen, warum was in Dampf gegart, gebraten oder confiert wird?

Es wäre großartig und sicher wird jeder nun denken, dann hätte ich auch eine Kochlehre machen können. Ich hätte mich durch endlose, fade Theorie gewälzt, um all dies zu verstehen. Doch das muss nicht sein.

Salz. Fett. Säure. Hitze

Samin Nosrat hat genau darüber ein Buch geschrieben mit dem Titel „Salz, Fett, Säure, Hitze“. Und es ist geschrieben, wie wenn eine gute Freundin sich in der Küche neben einem stellt und genau erklärt, warum was wie gerade passiert. Sie muss es wissen, sie hat bei Alice Waters im Chez Panisse gelernt, reiste danach weiter nach Italien, um dort weiterzulernen, kehrte zurück nach Kalifornien und ist heute Köchin, Lehrerin und Autorin. Für die NY Times schreibt sie ebenso, wie für die Zeitschrift Bon Appetit und wer ihre Texte liest, wird feststellen, dass ihre Gabe des Schreibens gewaltig ist. Sie versteht es, leicht und verständlich, mit einer guten Prise Humor, die Schleier der Kochmysterien zu lüften. Dabei teilt sie ihr erstes Buch in zwei Teile. Den Theoretischen, wo es zu jedem der Begriffe ein Kapitel gibt und den Praktischen, wo es zur Sache geht und eine Vielzahl von Rezepten sich tummelt.

Sie warnt eindringlich davor, den zweiten Teil vor dem ersten zu lesen und sofort loszulegen. Denn das kennen wir ja bereits. Kochen nach Rezept. Erst wer sich durch den kurzweiligen ersten Teil durchgelesen hat, dem entfalten sich nun die Rezepte in ihrer vollen Schönheit.

Schlagen, als hinge Ihr Leben davon ab oder nie wieder Ärger mit einer geronnenen Emulsion

Die Mayonnaise geht gerade den Bach runter, man steht kurz vor dem emotionalen Zusammenbruch, Eier für eine zweite Runde sind nicht mehr da. Und überhaupt scheint es für alles sowieso zu spät. Ein passender Moment auf den nächstbesten Stuhl zu sinken, das große Taschentuch rauszuholen und Rotz und Wasser zu heulen? Von wegen. Nosrat steht dem Leser auch hier zu Seite. Gibt Tipps und gute Ratschläge, wie das Ganze noch zu retten ist. An dieser Stelle sei auch mal erwähnt, dass das Buch komplett ohne Fotos ist. Es sind die wunderbaren Zeichnungen von Wendy MacNaughton, die dieses Buch zu einem Erlebnis machen. Eines, das über die Zeit hinausreicht und vor dem wir in zehn Jahren nicht kopfschüttelnd stehen werden und die Nase über die eigenwillige Foodfotografie rümpfen werden.

In zehn Jahren werden wir hoffentlich alles, worüber Nosrat in ihrem Buch schreibt verinnerlicht haben, werden uns souverän jeder Herausforderung am Herd stellen und milde lächeln, wenn wir nach einem Dinner mal wieder nach einem Rezept gefragt werden. Denn Sie werden es dann besser wissen. Sie werden wissen, was Sie warum getan haben und nicht nur, was alles im Rezept stand.

Ich habe mit Freude wirklich jede Seite dieses Buchs gelesen, hab unzählige Rezepte und Hinweise markiert und natürlich auch daraus gekocht. Ich rede mir natürlich gerne ein, dass mir vieles auch davor schon in Ansätzen klar war, doch mit diesem Buch habe ich eine weitere Sicherungsleine für den freien Fall am Herd an die Hand bekommen. Ich habe Sizilianischen Hühnchensalat gekocht, mein Gemüse mit Limetten-Erdnuss Dressing verfeinert und ein sagenhaftes Huhn in Essig gekocht. Und ich will unbedingt den Teekuchen mit Mandeln und Kardamom ausprobieren.

Ich will nicht mehr ohne dieses Buch sein.

Essig Huhn

 

Für Vier

1 Huhn (oder in meinem Fall zwei Brüste mit Haut und zwei Schenkel), die Anleitung zum Zerlegen findet man aber auch im Buch
60 g Mehl Type 550
Olivenöl Extra Vergine
Salz
3 EL Butter
2 mittelgroße gelbe Zwiebeln, in feine Ringe geschnitten
180 ml trockener Weißwein
6 EL Weißweinessig
2 EL Estragonblätter, fein gehackt
120 g Crème Double

dazu gab es frische Erbsen in Butter

Das Huhn mindestens eine Stunde vor dem Zubereiten salzen. Dabei das Mehl mit einer großzügigen Prise Salz mischen und die Hühnerteile darin wenden. Überschüssiges Mehl abschütteln und die Teile auf ein Kuchengitter oder ein mit Backpapier ausgelegtes Blech legen.

Eine große Pfanne oder Schmortopf bei mittlerer bis hoher Temperatur erhitzen und so viel Olivenöl hineingießen, dass der Boden gerade bedeckt ist. Die Hühnerteile in zwei Portionen anbraten, damit der Topf nicht zu voll wird. Mit der Hautseite nach unten hineingeben, anbräunen und dann wenden, bis beide Seiten nach jeweils 4 Minuten gleichmäßig gebräunt sind. Auf ein Backblech legen, das Fett vorsichtig abgießen und den Topf auswischen.

Bei mittlerer Temperatur wieder auf den Herd stellen und die Butter zerlassen.

Die Zwiebeln hinzugeben und salzen. Unter gelegentlichem Rühren etwa 25 Minuten dünsten, bis sie weich und gebräunt sind.

Die Temperatur hochschalten, Wein und Essig zugießen und die Röststoffe am Boden mit einem Holzlöffel abschaben.

Die Hälfte des Estragons einrühren. Die Hühnerteile mit der Hautseite nach oben hineinlegen und bei geringer Hitze köcheln lassen.

Mit halb offenem Deckel weiterköcheln lassen und die Hühnerbrüste nach etwa 12 Minuten herausnehmen. Die Schenkel noch etwa 20 – 25 weiterköcheln lassen, dann herausnehmen.

Die Hühnerteile auf eine Platte legen. Die Temperatur erhöhen und die Sahne zur Sauce gießen, zum Köcheln bringen und eindicken lassen.

Kosten und mit Salz, Pfeffer und – falls die Sauce noch etwas Frische braucht – mit ein wenig Essig würzen. Den restlichen Estragon einrühren und die Sauce zum Servieren über das Huhn geben.

Hier gibt es einen Blick ins Buch:

www.book2look.com

 

Samin Nosrat / Wendy MacNaughton Salz. Fett. Säure. Hitze.

Die vier Elemente guten Kochens

erschienen August 2018 im Verlag Antje Kunstmann

492 Seiten,

36,00€

 

 

 

 

(Links sind Affiliate Links)

 

 

4 Kommentare

  1. Und jetzt würde ich gerne Dein Essighuhn-Rezept nachkochen. Liest sich sehr verheißungsvoll.

    Antworten
    • Jetzt sofort? Und du hast kein Huhn zur Hand? zefix….
      Liebe Thea, ich kann dich da nur ermuntern. Mach es!

      liebe Grüße
      Claudia

      Antworten
  2. Nur eine kleine Korrektur, weil verwirrend:
    „Sie warnt eindringlich davor, den zweiten Teil nicht vor dem ersten zu lesen“; müsste heißen, „den zweiten Teil vor“, also „nicht“ löschen.
    LG

    Antworten
    • Hach, du hast ja so recht….

      Antworten

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