10. August 2022

Zwischen zwei Welten – ein Besuch im Gourmetrestaurant „Silberdistel“ in der Sonnenalp

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Der Blick vom Restaurant aus ist atemberaubend. Gerade in den Sommermonaten ist der allabendliche Sonnenuntergang über den Allgäuer Bergen ein Erlebnis. Hier, im obersten Stock des Sonnenalp Resorts ist es angenehm kühl, die Hitze bleibt draußen. Die Tische am Fenster sind begehrt. Nicht alle sind an diesem Sommerabend besetzt. Die Atmosphäre ist hell, freundlich und offen. Ich sinke in einen der großen bequemen Stühle direkt am Fenster und flüstere ganz leise „wow“. Ein Glas Champagner und diese Aussicht sind in Kombination nur schwer zu toppen.

Bereits am Nachmittag hatte ich die Gelegenheit, den neuen Küchenchef der Silberdistel, Florian Wagenbach, kennenzulernen, der erst im Mai die Leitung als Nachfolger von Kai Schneller übernommen hatte. Schneller, der 25 Jahre in der Silberdistel als Küchenchef tätig war, erkochte 2010, als das Restaurant seine Türen der Öffentlichkeit zugänglich machte, einen Stern im Guide Michelin. Es folgten 16 Punkte im GaultMillau und drei Kochlöffel im Schlemmeratlas. Der Fokus lag dabei auf alpiner Küche, wobei es auch immer bestimmte Klassiker waren, die von den Gästen geschätzt wurden. Seezunge mit Beurre Blanc, Filet Rossini oder eben ein ganzer Hummer.

Küchenchef Florian Wagenbach

Diese Klassiker gibt es auch heute noch an zwei Abenden der Woche. „Es gibt Gäste, die seit Jahren immer wieder kommen und als Höhepunkt bei uns einen Hummer speisen möchten“, erklärt Florian Wagenbach. Das sei für viele eine nahezu unerschütterliche Tradition und daran werde man auch nicht rütteln. Aber das mit der alpinen Küche, das ist der Punkt wo er weiterdenkt, wo er den Eindrücken seiner vielen Reisen einen Raum geben möchte. „Weitblick“ nennt Wagenbach dieses Menü, wo Einflüsse aus dem nahen und fernen Osten sich mit lokalen Zutaten zu einer „Fusion Cuisine“ vereinen.

Ich will den „Weitblick“ erleben, aber ich kann auch verstehen, dass es ein wunderbares Erlebnis sein kann, Klassiker auf höchstem Niveau zu kosten (Wo bekommt man das denn heute noch?).

Ein älteres Paar um die siebzig an Nebentisch möchte gerne die Seezunge bestellen. Enttäuschung, als sie erfahren, dass es heute keine Klassiker geben wird, doch Brian McLaren, Oberkellner des Jahres 2012 und seit 33 Jahren in der Silberdistel tätig, weiß wie er die beiden an die Hand nehmen muss, um sie in die Moderne zu führen. Er präsentiert prächtige Steinpilze aus der nahen Umgebung (wirklich ganz unglaublich perfekte Steinpilze), die man zusammen mit einem Entenleberschaum zu selbstgemachten Nudeln serviert. Die Dame scheint entzückt. Sie und ihre Begleitung lassen sich auch noch auf das Stubenküken mit Erdnuss und Thaicurry ein. Das ist jetzt wirklich ganz weit weg von einer Seezunge mit Beurre Blanc und ich werde gespannt weiterverfolgen, wie die beiden den Abend erleben werden.

Derweil schickt die Küche schon mal den Auftakt zu meinem Menü. Eine winzige Ratatouille Sülze mit einer Mini Quiche und eine Garnele im Zirben-Fichten Sud. Das ist eine spannende Trilogie und die Garnele ist herrlich süß und knackig.

Der erste Gang ist ein geräucherter Saibling mit Erbse, Kefir, Estragon und Kaviar. Der Sud der frischen Erbse harmoniert ausgezeichnet mit den Raucharomen, ein Hauch Bronzefenchel ist auch mit dabei. Ein wirklich schöner, leichter Gang.

Der Wein zur Vorspeise. Eine tolle Entdeckung!

Weiter geht es mit Heilbutt in Hibiskus-Dashi, mit Beurre Blanc (ich liebe Beurre Blanc) und Lardo. Hier zeigt sich bereits, wie Küchenchef Florian Wagenbach gekonnt die Umamistärke der Dashi mit floralen Noten und Fett kombiniert. Der Heilbutt ist ein Erlebnis. Auf den Punkt gegart, leicht glasig, schmiegt er sich in die Sauce. Ein totaler Wohlfühlgang!

Er koche wirklich gerne am liebsten „wild“, antwortet Wagenbach auf meine Frage, wie er seinen Stil beschreiben würde. Dass er darüber hinaus die ganze Klaviatur der Klassik beherrscht, ist das Profunde, was seine Exkursionen in die Ferne ausmacht. Dieses Profunde wird deutlich bei den Steinpilzen mit Entenleberschaum und feinen Nudeln. Die Pilze haben ein überwältigendes Aroma und sind perfekt gegart.

Von Nebentisch vernehme ich ebenfalls große Begeisterung. Alles andere hätte mich auch gewundert.

Das „Wilde“ tritt beim nächsten Gang wieder deutlicher hervor, denn jetzt geht es um das Stubenküken mit Erdnuss und Thaicurry. Über dem Fleisch thront ein Erdnuss-Krupuk, leicht und luftig, die Sauce ist eleganter und cremiger, als ich sie von dem Klassiker der Thaiküche kenne. Das ist in der Kombination sehr schön und hebt das Fleisch und seinen Geschmack auf gelungene Weise hervor. Brian McLarens Empfehlung hierzu ist ein Wein mit geradezu karamelligen Fruchtnoten. Toll!

Der 5. Gang – und leider schon der letzte vor dem Dessert – ist ein Zweierlei vom Rind, Bürgermeisterstück und Flank Steak, begleitet von einem seidigen Pürée aus Kichererbsen aus dem Taubertal mit Safran, Gurke und Tomate. Neben dem Safran spielen hier noch dezente Aromen aus der Levante Küche mit, das ist schön, geht aber neben dem ausdrucksstarken Fleisch ein bisschen unter. Das Fleisch ist eindeutig der Star.

Wer mich kennt, der hat vielleicht schon mitbekommen, dass mir meist das Dessert eines Menüs nie so wichtig ist, wie die vorangegangenen Gänge und als mir Brian McLaren von zwei großartigen Käse-Affineuren aus dem Allgäu erzählt, schaue ich ihn mit großen Welpenaugen an. Diesen Käse muss ich probieren!

Und ja, dieser veredelte Bergkäse schmilzt geradezu auf meiner Zunge (Käse kann mich in Verzückung versetzen und ich vergesse, ein Foto zu machen). Das, die letzten hellen Streifen der Dämmerung am Himmel vor dem Bergpanorama und eine Rarität im Glas (2020 Stettener Stein Riesling Eiswein) machen den Abend für mich perfekt.

Auch am Nebentisch scheint das Bedauern über die verpasste Seezunge wie weggeblasen.

Ich bin der letzte Gast an diesem Abend. Zum Schluss kann ich natürlich einem kleinen Erdbeer-Himbeer Sorbet mit weißer Schokolade und fruchtigem Knusper doch nicht widerstehen.

Es war ein gelungener Abend. Ganz besonders, weil der Service hier so unaufdringlich, freundlich und doch sehr persönlich ist. Es ist dieses wunderbare Gefühl des „Umsorgtseins“, welches das Erlebnis prägt.

Und Florian Wagenbach hat an diesem Abend gezeigt, worauf man sich zukünftig in der Silberdistel freuen darf. Auf ganz viel „Weite“.

Gourmetrestaurant Silberdistel
Oberkellner | Brian McLaren
Küchenchef | Florian Wagenbach
Sonnenalp 1
D-87527 Ofterschwang

+49 8321 272 900
restaurant@sonnenalp.de
www.sonnenalp.de/gourmetrestaurant-silberdistel

 

Offenlegung: zu meinem Aufenthalt in der Sonnenalp und den Restaurant Silberdistel wurde ich eingeladen. Herzlichen Dank dafür. Es ist jedoch immer meine ganz eigene Meinung.

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