Eines vorweg – ich halte mich für immun gegenüber vorweihnachtlicher Dekoration, Tannenzweigen und lauschigen Weihnachtsmärkten. Längst kann keiner mehr von der „staden Zeit“ vor Weihnachten sprechen, da ist das Hamsterrad, das uns nicht so einfach entlässt. Es bedarf schon eines mittleren Schneechaos, damit wir kurz mal innehalten und das eigentlich auch nur, weil es nicht anders geht. Und dann bin ich in Schweden, einen Tag später als geplant, weil besagtes Schneechaos den Münchner Flughafen zum Erliegen brachte und fahre vom Flughafen in Kopenhagen über die Brücke mit dem Zug nach Malmö. Auch hier hat es geschneit, was die meisten als ungewöhnlich erachten. Normalerweise gäbe es am Meer um diese Zeit Schmuddelwetter und Regen. Doch jetzt liegt eine dünne Schneedecke wie Zuckerguss über Südschweden. Ein paar Tage werde ich hier unterwegs sein. Und plötzlich fällt mir etwas auf – ich bin gar nicht so immun, was Weihnachtsstimmung angeht. Schweden hat da etwas ausgelöst.
ein Wintertraum
die Straßen sind perfekt geräumt. Nur einmal erlebe ich eine wahrlich epische Rutschpartie hinauf zu einem Weingut. Mein Auto schlingert durch den tiefen Schneematsch, ich rechne jeden Augenblick damit, steckenzubleiben doch irgendwie schaffe ich es dann doch. Ich fahre durch wunderschöne Winterlandschaften, sehe die typischen roten Häuser mit schneebedeckten Dächern und in jedem Haus sind die Fenster mit Kerzen geschmückt. Es wird früh dunkel um diese Jahreszeit und so wirken die kleinen Dörfer durch die ich fahre, einladend und behaglich. Und natürlich gibt es fabelhaftes Gebäck.
Malmö
Ich komme an und fühle mich sofort wohl. Kaum dass ich meinen Koffer im Hotel abgestellt habe, bin ich auch schon unterwegs in den Straßen. Sehe in die vollbesetzen Cafés und kleinen Restaurants, die freundlich und einladend wirken. Ich habe keinen genauen Plan, laufe einfach umher und lasse mich durch die weihnachtlich dekorierten Straßen treiben. Eigentlich kann man hier in Malmö alles wunderbar zu Fuß erreichen und wenn man keine Lust zum Laufen hat, dann setzt man sich in den Bus (empfiehlt sich, wenn man Weihnachtseinkäufe nicht rumschleppen will). Ich kann nicht genug bekommen von dem Blick aufs Meer. Der Himmel leuchtet tiefblau.
Julbord – der Weihnachtstisch
Zugegeben, ich hatte mich nicht wirklich mit den vorweihnachtlichen und weihnachtlichen Traditionen beschäftigt. Als ich das erste Mal vom „Weihnachtstisch“, dem Julbord, höre, habe ich nicht die geringste Vorstellung, was sich dahinter verbirgt. Vielleicht ein Tisch mit Geschenken? Ganz falsch. Damit ist das Weihnachtsbuffet gemeint. In einer mehr oder weniger genauen Abfolge gibt es zuerst Hering und Lachs, dann Salate, Kartoffeln, Brot gefolgt von Würstchen und Köttbullar, den berühmten Fleischbällchen. Viele Restaurants in Schweden bieten in der Vorweihnachtszeit diesen Weihnachtstisch an. Jeder Arbeitgeber in Schweden lädt seine Mitarbeiter zu solch einem Weihnachtstisch ein. Und an Weihnachten isst man das Gleiche noch einmal. Dann hat man Zeit bis Ostern und dann gibt es dieses Buffet ein drittes Mal an Midsommer. Wenig einfallsreich, denke ich. Doch es geht wie immer um das Detail. Als ich zum ersten Mal vom Weihnachtstisch probieren darf, bin ich danach etwas ernüchtert – alles schmeckt ein wenig wie bei uns der Kartoffelsalat aus dem Plastikeimer. Die Würstchen sind gruselig schlecht. Ich habe Mitleid – dreimal im Jahr so etwas essen? Doch dann bin ich auf dem Weingut Hällåkra Vingård (das, wo ich kaum hingekommen bin, so verschneit und matschig war der Weg) und bekomme das Julbord als weihnachtlich-schwedischen Tapasteller. Nur gute Sachen von den umliegenden Höfen. Mit dem besten Hering aller Zeiten, traumhaftem Graved Lachs und einem kleinen Gratin (Janssons Versuchung heißt der), einem Kartoffelauflauf, der herrlich würzig schmeckt. Gefolgt von einem hausgemachten Milchreis mit einem Beerenkompott (die Beeren aus dem eigenen Garten). Der Schinken ist umwerfend zart und aromatisch. So geht das also auch, denke ich. Ich bin begeistert und fahre sofort zu der kleinen Fischräucherei im Nebenort. Kaufe auch sofort einen ordentlichen Vorrat an Hering und Lachs, damit ich auch hier in Deutschland an Weihnachten etwas vom schwedischen Julboard präsentieren kann.
Der Wein, allem voran der Orange Wein des Hällåkra Vingårds passt übrigens ganz hervorragend dazu. Dazu jedoch im nächsten Bericht mehr.
Kerzenmachen
Kerzen machen ist eine Tradition in Schweden. Überall findet man an den Wochenenden irgendwo einen Hof, einen Hofladen oder eine kulturelle Einrichtung, wo Kerzenmachen angeboten wird. Und das erfreut sich allergrößter Beliebtheit bei Jung und Alt. Oft werden die Kerzen kunstvoll gedreht oder gleich als mehrarmige Leuchter hergestellt. Mir gefällt das, denn es passt einfach so schön – Winter, Schnee, Dunkelheit und viele Kerzen.
Die alte Steingutfabrik
jeder in Schweden kennt die braunen, salzglasierten Steinguttöpfe in denen Heringe, Gurken und alles Mögliche haltbar gemacht wurden. Meist von der Oma, denn zu jener Zeit wurden sie noch öfters eingesetzt und dienten nicht nur als Blumenvase, wie es heute oft der Fall ist. Wo Kohle abgebaut wurde, da gab es auch Ton und aus Ton wurden eben diese Krüge und Schalen gemacht. Irgendwann verschwanden die Steingutbrennereien. Doch ganz verschwunden sind sie nicht. Åsa Orrmell hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine dieser Brennereien am Leben zu erhalten, die heute sowohl ein Museum, wie auch ein hübsches Café und natürlich einen Hofverkauf beherbergt. Die Wallåkra Stenkärlsfabrik. Der riesige alte Ofen wird immer noch angefeuert und darin werden im gleichen Verfahren wie vor 150 Jahren die Töpfe gebrannt. Hier sollte man unbedingt herkommen. Ein Besuch lohnt sich.
frostig schön am Meer
Der Weg durch die Dünen ist vereist, so kalt ist an diesem Tag. Da, wo sich im Sommer die Urlauber tummeln ist jetzt gähnende Leere. Kein Mensch außer mir ist am Strand. Das Meer ist tief dunkel und es weht ein eisiger Wind. Und doch genieße ich es hier am Mälarhusen in Borrby zu sein. Mag der Wind auch noch so eisig sein, die salzige Luft wirkt belebend. Myriaden von winzigen Muscheln liegen im Sand, der Wind treibt kleine Schaumkronen auf den Wellen vor sich her. Es ist der Moment, wo man sich eigentlich nach einem warmen Ofen sehnt, ein Glas Glögg in der Hand und idealerweise in der anderen Hand eine Zimtschnecke. Nichts beschwört diese Sehnsucht nach kuschliger Wärme mehr herauf, als eben dieser Besuch am eisigen Meer.
Kaltbaden, yeah!
Hätte mir einer erzählt, dass ich nackt im Schneeregen sogar noch in dieses eisige Meer eintauchen würde, ich hätte gelacht und das Ganze für einen Scherz gehalten. Doch genau das tue ich zwei Tage später in Malmö. Ich stehe vor dem Ribersborgs Kallbadhus. Jetzt oder nie. Was habe ich zu verlieren?
Das traditionelle Badehaus ist über eine längere Brücke erreichbar. Es gibt mehrere Saunen und eben den Außenbereich. Frauen und Männer haben jeweils einen eigenen Bereich. Diese Regel gilt nur an einem Tag im Monat nicht, denn an diesem Tag kann jeder selbst entscheiden, wo er oder sie gerne baden, saunieren oder duschen möchte. Binär, non-binär – wo man sich eben am wohlsten fühlt.
Ich sitze also in der Sauna und schaue aufs Meer. Dann ist es so weit. Ich laufe nur mit einem Handtuch bekleidet im Schneeregen zum Meer, steige hinab und versuche es. Ich komme bis zur Hüfte. Schnappatmung. Ich bin nichts gewohnt. Zweite Runde also. Wieder Sauna und dann ins Meer. Beim zweiten Mal schaffe ich es bis zum Bauch. Die Fußsohlen prickeln, als liefe ich über Kieselsteine. Dritte Runde. Und dann tauche ich komplett unter. OK, ich schwimme nicht noch eine Runde aber ich war vollständig im eisigen Meer. Ich fühle mich hervorragend. Voller Energie und neu belebt. Ich vermisse das schon jetzt.
schöner Shoppen für Weihnachten
Mit einem kleinen Koffer würde ich nicht auskommen, soviel war klar. Worin hätte ich all den Lachs, Hering, Weihnachtsbier und die obszönen Mengen an Lakritze und Himbeersaft auch transportieren sollen, die mir jetzt die Adventszeit bereichern? Dazu kommt noch ein Teller, ein ganz besonderer Apfelsaft und natürlich ein bisschen weihnachtliche Dekoration. Ich fand diese kleinen Häuschen, in die man eine Kerze reinstellen kann, so entzückend, dass ich mich für ein Strandhaus im Miniformat entschieden habe.
Und dann ist da noch AB Småland in Malmö. Der absolute Deko-Café-Traumladen. Geschirr, Dekoration, guter Kaffee – ich könnte hier einziehen und es würde mir nie langweilig werden. Um die Ecke gibt es noch das Kitchen Lab, ein toller Laden für Küchenbedarf (nur unter allergrößter Willensstärke konnte ich diesen Laden ohne eine Einkaufstasche wieder verlassen) – ich habe schlichtweg keinen Platz mehr im Koffer.
Natürlich gab es auch kulinarisch auf meiner Rundreise durch Skåne ganz viel zu entdecken, doch darum geht es dann im nächsten Bericht.
Adressen
AB Småland
Södra Förstadsgatan 25/27
211 43 Malmö
Kitchen Lab
Storgatan 24
211 42 Malmö
Ribersborgs Kallbadhus
Limhamnsvägen
Brygga 1
217 59 Malmö
Wallåkra Stenkärlsfabrik
Drejarestigen
260 30 Vallåkra
Hällåkra Vingård
Hällåkravägen 47
231 72 Anderslöv
Sörby Rökeri (bester Hering und Lachs, am besten vorher anrufen, dann kann man auch ganz einfach in Euro oder Schwedischen Kronen bezahlen, ansonsten geht das nur mit einer schwedischen Bezahl-App)
Sörbyvägen 247
23 172 Anderslöv
0763 144935
sorbyrokeri@icloud.com
und dieses goldige Mini-Pferd kam ganz vertrauensvoll auf mich zu – ich hätte so gern eine Möhre dabei gehabt.
Offenlegung: Meine Reise nach Skåne wurde unterstützt durch VisitSkane, die mich überzeugt haben, dass Vorweihnachten ganz toll sein kann. Die Eindrücke sind wie immer ganz die meinen.
Sehr schön geschrieben. Man war mit dabei und würde es gerne selbst erleben. Danke für diese überaus schöne Führung.
Liebe Sonja,
Vielen Dank und schön, dass du „mitgereist“ bist.
Herzliche Grüße
Claudia
Wieder einmal so so schön. Jetzt gerade hätte ich gerne ein Stück Lakritz…
Bin schon sehr auf die Fortsetzung gespannt.
Dir eine schöne Weihnachtszeit und viel Vergnügen mit all den Genüssen…
Liebe Thea,
Dann schick ich dir zumindest virtuell was von der Lakritze…
liebe Grüße
Claudia