6. November 2018

Kulinarische Notizen aus Madeira #1 – eine Leidenschaft für Passionsfrüchte und Poncha, sonderbare Fische und endlich mal wieder stilvoll Tee trinken

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Madeira hat so viele Gesichter. Hier kann man vier Jahreszeiten an einem Tag erleben. Beginnen wir mit der Hauptstadt Funchal!

Ich kenne Madeira aus den Erzählungen meiner Mutter. Unzählige Geschichten. Von kleinen Restaurants, wo es Fische am Spieß gibt, von atemberaubenden Höhenwegen und vom Leben in Funchal. Madeira ist ihre Lieblingsinsel, keine andere wird so sehr von ihr geliebt. Immer und immer wieder will ich die Geschichten von Madeira hören. Sie sieht so glücklich aus, wenn sie davon erzählt.

Als man mich fragt, ob ich Madeira kennenlernen möchte, waren schon so viele Bilder in meinem Kopf. Bilder, die aus Erzählungen und Geschichten entstanden sind. Bilder, die meine Gedanken entworfen haben und das sind solche, gegen die es die Realität schwer hat. Madeira hatte darin immer etwas Magisches, etwas, das diese Insel so unvergleichlich macht.

„Probier‘ unbedingt den schwarzen Degenfisch mit Passionsfruchtsauce und Bananen!“

„Wenn du die berühmten Bon-Bons kaufst, dann achte auf die richtige Sorte!“

„Schau dir auf jeden Fall den botanischen Garten an, der ist wundervoll!“

„Auf Madeira kannst du alle Jahreszeiten an einem Tag erleben.“ „Bring unbedingt Madeira mit!“

Ich bin im Landeanflug auf Madeira und es ist kurz vor der Dämmerung, nur noch düster kann ich die schroffen Konturen der Berge erkennen. Als ich endlich aus dem Terminal raus bin, ist es tiefschwarze Nacht. Vor mir und um mich herum eine perfekte Leinwand für all die Bilder, die ich mir ausgemalt habe, wie es in Madeira wohl ist. Bis weit in die Höhe der Berge erkenne ich die Lichter der Häuser oberhalb von Funchal. Ich stelle nur kurz meinen Koffer im Hotel ab. Ich habe eine Verabredung mit dem schwarzen Degenfisch.
Ich bestelle ihn ohne die Bananen in der Sauce. Der Espada (Schpada ausgesprochen), der Degenfisch, wird in großen Tiefen vor Madeira gefangen. In der Tiefe sei er kupferfarben heißt es, auch sähe er bei weitem nicht so furchterregend aus, erst der Druckabfall lasse seine Augen so gruselig aussehen. Der Fisch auf meinem Teller hat keine Augen. Es ist ein festes Filet und es schmeckt wunderbar mit der Maracuja Sauce. Davor esse ich noch eine paar Lapas (auch Limpets genannt). Patella Vulgata, wie sie auf Lateinisch genannt wird, ist eine schmackhafte Meeresschnecke, die ähnlich wie die Weinbergschnecken in Frankreich, mit einer ordentlichen Ladung Knoblauch serviert wird, weswegen man sie besser teilt, ansonsten hat man zumindest für den Abend keine Freunde mehr. Ein paar Stockfischbällchen muss ich auch noch probieren. Die verkörpern für mich ganz besonders das Portugiesische. Sie sind wunderbar fluffig und würzig. Gesehen habe ich zu dem Zeitpunkt immer noch nicht viel, außer steilen Straßen, die irgendwo in der Dunkelheit enden. In der Nacht soll ein Sturm kommen. Ich lasse schon mal die Balkontür auf, denn ich kann es kaum erwarten, die Wellen zu hören.

 

Eine Food Tour zum Start

Wenn man nicht weiß, wo man in einer fremden Stadt anfangen soll, dann ist eine Tour der kulinarischen Genüsse immer die allerbeste Wahl. Man lernt geheime und berühmte Plätze kennen, isst und trinkt das, was auch die Einheimischen schätzen und bekommt somit die allerbeste Übersicht. Der Sturm hatte schon wieder abgedreht, hinterließ ein paar dramatische Wolken, und als es am späten Vormittag noch leicht tröpfelte, war eine Lektion über Madeira Wein die allerbeste Wahl. Im Vergleich zum Portwein, ist die Madeiraproduktion winzig. Und eigentlich wundert es mich überhaupt nicht, dass ich bisher nur mittelmäßigen Madeira getrunken habe, denn das wirklich gute Zeug gibt es hier. Auf so einen Gaumen, der grade mal ein spartanisches Frühstück erlebt hat, prasselt nun eine ganze Armada an Sinneseindrücken ein. Rosinen, Gewürze, Zitrusfrüchte, Holznoten, schlank und elegant oder ausladend, wuchtig und voller tiefgründiger Aromen. So ein Gläschen am Vormittag ist belebend, es streichelt die Sinne, die noch voller Lust und Aufnahmevermögen sind.
Danach geht es in eine Chocolaterie, wo man mir eine Praline in den Mund schiebt, die so umwerfend nach Maracuja, nach echter Maracuja schmeckt, dass ich kurz sprachlos bin. Doch auch hier halte ich mich nicht lange auf, ich will weiter zum Markt. Dem Mercado dos Lavradores. Der größte Markt der Insel.

Maracuja-Island

Genauso könnte man Madeira auch nennen, denn was hier an Maracujas in allen Formen und Farben geerntet wird, ist überwältigend. Ich bin ja schon froh, wenn mein Supermarkt mir die kugelrunde, dunkel Lila Frucht verkauft, doch hier gibt es sie in gelb, rot , lila, grünlich, gesprenkelt, länglich, rund und orange. Und ich kann alle probieren. Damit ich entscheiden kann, ob ich nun lieber fruchtig-säuerlich oder eher süß und floral bevorzuge. Nur eines – sie auch auf dem Markt zu kaufen ist nicht gerade günstig. Zwar habe ich nur hier diese Auswahl, doch wer hier gleich mit mehr als einem Kilo zuschlagen möchte, findet meist die Früchte auf der Straße zu einem weitaus geringeren Preis.
Und es gibt noch eine ganz seltsame Frucht, die mir vorher noch nie begegnet ist. Die Philodendron Frucht. Wie ein grüner Zapfen sieht sie aus und wenn sie gegessen werden will, dann sprengt sie ihre äußere Schale stückweise ab und offeriert ihr weißes Fruchtfleisch, das nach Banane, Ananas und Passionsfrucht schmeckt. Sehr aromatisch.
Ich entscheide in diesem Moment, dass ich ohne Maracujas mitzunehmen nicht wieder nach Hause fliegen werde. Ob ich auch noch den Fisch dazu mitnehmen werde, habe ich noch nicht entschieden.
Den gibt es eine Halle weiter auf dem Fischmarkt. Hier liegt die schaurige Kreatur zwischen Bonitos und, Rogen und hübschen Barschen. Die Fischhändler hier sind unglaublich freundlich, nehmen es einem nicht übel wenn man einfach nur zuschaut, wie gekonnt sie ihre Fische parieren. Ein Lächeln gibt es immer, das ist gratis.
Nach so viel Fisch ist es naheliegend, dass man auch in einem der kleinen Lokale rund um den Markt ein Brötchen mit knusprigem Fisch zu sich nimmt und dabei die Bekanntschaft mit einer weiteren Berühmtheit der Insel macht. Dem Poncha. Poncha ist das Traditionsgetränk der Insel.
Es geht dir nicht so gut, und dein Kreislauf braucht eine Stärkung? Trink einen Poncha!
Eine Erkältung ist im Anflug? Trink einen Poncha!
Du weißt nicht, was du trinken sollst? Trink einen Poncha!
Poncha geht immer. Auch mit Maracuja-Saft. Das Getränk aus frisch gepresstem Orangen- und Zitronensaft mit Honig und Rum ist so süffig, dass man hier in Gefahr läuft, ein bisschen zuviel für die Gesundheit zu tun.

frisch angerührte Poncha.

Rustikale Küche Madeiras: Schwein mit Orange und knusprigem Brot

auf dem Fischmarkt. Hier kann man den fertig parierten Degenfisch kaufen

Skipjack Tuna, getrocknet

Funchal, Stadt des Fenchels

Der Name der Stadt ist dem Fenchel gewidmet, auf Portugiesisch ist Fenchel „Funcha“. „Funchal“ heißt demnach „Fenchelig“. Und deshalb kann man hier auch ganz wunderbaren Fencheltee trinken, dazu einen Kuchen essen und versteckte kleine Cafés kennenlernen. Ja, ich weiß, viele denken bei Fenchel an Heiltee, doch das sollte man einfach mal ablegen. Guter Fencheltee ist viel besser, als man vermuten mag.

Fencheltee und Mandelkuchen im Café Chocolate e Menta

der Platzhirsch unter den Hotels

Das ist und bleibt das Belmont Reid’s Palace. In dieser Ikone von Luxushotel waren sie alle, die Schönen, die Reichen und die Berühmtheiten. Die große Suite ist nach Winston Churchill benannt. Der kam gerne hierher.
Man muss ein bisschen im Voraus planen, wenn man hierher zum Nachmittags Tee kommen möchte und dabei auf der Terrasse sitzen will. Diese Plätze sind sehr begehrt. Und genau hier kann man sie erhaschen, diese Tradition, die Pracht und das Gefühl, an einem ganz besonderen Platz zu sein.
Während man aus Bone China Tässchen seinen Lapsang Souchong Tee trinkt, sich ein Honigtörtchen, ein Macaron oder ein Gurkensandwich in den Mund schiebt und den Blick über den Garten und das weite Meer streifen lässt. Genau in diesem Moment fällt man in eine andere Zeit. In eine Zeit, wo Zeit keine Rolle mehr spielt. Man ist angekommen. Hier auf Madeira. Mama, du hast mir nicht zuviel versprochen in deinen Geschichten. Ich kann Madeira spüren. Es ist ein schönes Gefühl, hier zu sein.

ein Traumplatz auf der Terrasse des Reid’s Palace

Honigkuchen – eine Spezialität auf Madeira

Sandwiches und Petit Fours zum Nachmittagstee im Reid’s Palace

 

Adressen:

Chalet Vicente (typisch madeirensische Küche)
Estrada Monumental n.º 238 9000-100, Madeira
Funchal
www.chaletvicente.com/restaurante/chalet-vicente/

Food & Wine Tour durch Funchal
Dienstags und Donnerstag von 10:30 – 13:00 Uhr
www.discoveringmadeira.com/wine-and-food-walking-tour

Chocolate E Menta (ein wunderbares Café für Fencheltee)
Rua D. Carlos I 45A
9060-051 Funchal

Belmond Reid’s Palace
Estrada Monumental 139
9000-098 Funchal
Madeira
www.belmond.com/de/reids-palace-madeira/

im nächsten Bericht geht an die Westküste und in die Berge.

 

Hinweis: zu dieser Reise nach Madeira wurde ich von Visit Madeira eingeladen. Dafür danke ich herzlich. Hätte ich vom Poncha und den Maracujas eher gewusst, wäre ich schon viel früher auf Madeira gewesen.

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