Es ist dieses Geräusch von zerbrechendem Ton, was mir kurz den Atem raubt. Die Tasche mit den Keramik-Schüsseln ist nach der Sicherheitskontrolle aus meiner Hand gerutscht. Panisch berühre ich den Boden der Tasche. Scherben. So viele Male schon habe ich Steingut aus fernen Ländern mitgebracht und immer sind sie wohlbehalten zuhause angekommen. Dieses Mal nicht. Zumindest nicht alles. Das meiste davon habe ich in dem Töpferdorf Tunis in der Oase von Faiyum gekauft.
Fast fünf Tage war ich in Kairo. Es ist mein zweiter Besuch, zuletzt war ich vor etwa 25 Jahren hier. Es hat sich viel verändert. Und die Pyramiden musste ich kein zweites Mal besuchen. Und ja, das Ägyptische Museum ist noch immer nicht fertig. Aber es gab tolles Essen und jede Menge Staub und Hitze. Ich habe kein einziges Museum von innen gesehen, dafür kleine Märkte, eine Sauerkonserven Manufaktur und wie wunderschön die Altstadt im Sonnenuntergang leuchtet.
- Frühstück in Zamalek
- Malaika – warum ägyptische Baumwolle die beste ist und was sich sonst noch zu shoppen lohnt
- ein kleiner Bio-Bauernmarkt und ein paar Gedanken zu den Preisen
- Koshari, my Love
- eine Food Tour durch die Altstadt
- Tunis in Faiyum und eine Welt voller Teller und Schalen
- Wo ist Karo am schönsten ist und warum die Stadt eine Liebe auf den zweiten Blick ist
Frühstück in Zamalek
Alles beginnt mit einem guten Frühstück heißt es doch immer. Ich wohne auf der Insel Zamalek, dort wo die ganzen Botschaften angesiedelt sind und die Bäume um diese Jahreszeit feuerrot leuchten. Ich war beeindruckt, wie lebhaft es hier nachts auf den Straßen ist. Ich hatte es mir ruhiger vorgestellt. Aber nichts in Kairo ist ruhig. Für Kairo ist es hier ruhig. Ich muss das erst einmal auf mich wirken lassen. Und das geht wunderbar bei einem würzigen Ful Medames, einer Creme aus gekochten Bohnen mit frischen Fladen, eingelegter Zitrone und einem Ei. Dazu einen frisch gepressten Orangensaft. Das Granita Cairo ist ein beliebtes Restaurant, dass einen die allgegenwärtigen Staus auf den Straßen vergessen lässt. Meine erste kleine Wohlfühl-Oase.
Malaika – warum ägyptische Baumwolle die beste ist und was sich sonst noch zu shoppen lohnt
Ägyptischer Baumwolle werden die allerbesten Eigenschaften zugeschrieben. Aus ihr kann man die längsten Fasern spinnen, sie kühlt und ist angenehm zu tragen. Bei Malaika finde ich allerschönste Tischwäsche und ich denke nicht eine Sekunde darüber nach, dass ich eigentlich mehr als genug Servietten habe, denn sie ist einfach bezaubernd. In Zamalek gibt es viele wunderbare kleine Geschäfte. In einem Laden für Kunstgewerbe entdecke ich zwei entzückende kleine Kissen, die wie sich herausstellt, aus dem Gazastreifen kommen und ein soziales Projekt für Kinder dort unterstützen. Hätte es mehr als zwei Kissen davon gegeben, ich hätte auch zehn gekauft. Bei Keramik ist es schwieriger. Ich habe schon so viel und ein Teller oder eine Schale muss zu mir sprechen und mir erzählen, für welches Essen sie gemacht ist. Sie muss mir zuflüstern, welche Gerichte sie mag. Zu bunte Muster kommen nur selten in Frage. Doch dann ist da eine wunderbare Schale in blau und weiß. In einer Galerie für Textilien finde ich einen alten nubischen, geflochtenen Wandteller. Zumindest dort hängen sie an der Wand. Ich kann mir diesen Teller auch gut auf einem Tisch vorstellen. Und so ein Bast-Teller wiegt ja nicht viel. Er ist schon ein wenig ausgeblichen. Ich mag ihn. Er hat eine Geschichte.
Zwischendurch esse ich kühle Wassermelone. So eine Melone wünsche ich mir hier. Sie schmeckt umwerfend. Süß und aromatisch. Leider kann ich das selten von einer Wassermelone behaupten. Ich esse fast ein ganzes Kilo davon. Ist ja fast nur Wasser.
14 Shagaret Al Dor, Al Gabalayah, Zamalek, Giza Governorate 4270112, Ägypten
ein kleiner Bio-Bauernmarkt und ein paar Gedanken zu den Preisen
In jeder Stadt, die ich besuche, muss ich mindestens einmal auf einen Markt. Ich muss sehen, was gerade Saison hat, was angeboten wird und was besonders ist. Jeden Samstag gibt es einen kleinen Bauernmarkt im Nūn Center. Was hier verkauft wird, kommt aus den Oasen rund um Kairo. Ökologischer Anbau ist das wichtigste. Ich kaufe mir verschiedene eingelegte Zitronen, ein Würzöl mit eingelegter Zitrone, eingelegten roten Kohl und ein paar winzige Gurken. Ich mag normalerweise keine rohen Gurken, doch diese hier sind außergewöhnlich. Die meisten Kunden dieses Markts sind Expats, die hier auf der Insel wohnen. Für sie sind die Preise noch immer sehr günstig. Die meisten Ägypter könnten sich diese Preise nicht leisten. Die Inflation im Land ist ein Drama. Wobei ich es völlig in Ordnung finde, wenn Produkte an Einheimische zu günstigeren Preisen abgegeben werden als an Touristen. Als ich mir an einem Straßenstand ein Falafel-Sandwich kaufe und der Verkäufer tatsächlich nur 6 Pfund dafür haben will, was 0,12 Euro entspricht, will ich ihm unbedingt mehr geben, doch er besteht darauf, dass ich den regulären Preis bezahle. Es beschämt mich. Ein Restaurantbesuch bei Sachi, welches als bestes Restaurant des Landes gilt, kostet locker einen ägyptischen Monatslohn. Für mich nicht mehr, als ein normaler Restaurantbesuch in München (50€/Person). Wenn ich in Kairo von A nach B kommen will, dann rufe ich ein Uber und selten bezahle ich mehr als einen Euro. Es ist verrückt. Mein Koffer muss also voll werden mit lokalen Produkten.
Koshari, my Love
Bei meinem ersten Besuch in Kairo ging dieses Gericht irgendwie komplett an mir vorbei. Es besteht aus Reis, Nudeln, Linsen, Kichererbsen und Tomaten und gilt nicht umsonst als Nationalgericht. Viele Restaurants haben sich auf Koshari spezialisiert, meist isst man es am Mittag. Oder am Abend, oder in der Nacht. Koshari geht immer. Das Beste bekomme ich in der Altstadt. Dort wird es mit besonders vielen knackigen Röstzwiebeln serviert. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – es fast nur aus Kohlehydraten besteht, ist es ein sehr glücklich machendes Gericht. Geschmack und vor allem Tiefe bekommt es von den Gewürzen wie Kreuzkümmel, Knoblauch und Koriander. Die Tomatensauce dazu ist frisch und immer gibt es auch noch eine Knoblauch-Essig Sauce dazu. Auch eine scharfe Sauce darf nicht fehlen. Bei Zööba, ebenfalls auf Zamalek, welches für sein Koshari berühmt ist, sitze ich extra eine Stunde länger und warte bis es 12:00 Uhr ist und endlich Koshari serviert wird.
eine Food Tour durch die Altstadt
Das Streetfood von Kairo entdecken – genau das wollte ich. Allein hätte ich die versteckten Plätze sowieso nie gefunden. Winzige Restaurants, wo man bestes Falafel, knusprige Garnelen mit Reis, eingelegtes Gemüse oder mit Fleisch gefüllte Fladen bekommt. Manchmal auch einfach nur auf die Hand. Das Problem ist wie immer das Koshari, das gibt es gleich als Zweites und danach bin ich fast satt. Wir laufen durch die Altstadt rund um die große Alhazar Moschee, manche Ecken sind vom Geruch her kaum zu verkraften (da wo geschlachtet wird) aber es ist ein einzigartiger Kosmos und bietet tiefe Einblicke in die ägyptische Kultur. In einem traditionellen Restaurant für luftige süße Fladen laufen alte Schwarz/Weiß Filme. Es ist eine Zeitreise. Ich lerne, dass Falafel hier mit viel mehr Gemüse gemacht wird, als in anderen Ländern des Nahen Ostens, dass man mutig beim Eis zugreifen kann und auch wenn alles eher schäbig aussieht, das Essen immer gut ist. Hygiene steht in muslimischen Ländern immer ganz oben. Ich habe alles bestens vertragen.
A Chef’s Tour
Cairo Food Nights (mit mindestens 14 Verkostungen) ist zu buchen über die gängigen Plattformen wie GetyourGuide oder Viator oder eben direkt.
Tunis in Faiyum und eine Welt voller Teller und Schalen
Und dann kam der Staub. Die Sonne war kaum noch zu sehen und die Farben der Wüste wurden noch farbloser. Ich fahre raus aus der Stadt an den Pyramiden vorbei in Richtung Faiyum. Wann immer ich in einem Laden in der Stadt einen schönen Teller in der Hand hatte, hieß es immer – der kommt aus Faiyum, oder auch al-Fayyūm. Dort am Qarun See befindet sich der Gemüsegarten Kairos aber auch das kreative Zentrum für Töpfer-Kunst. Es wurde zu Beginn der Nullerjahre von dem ägyptischen Künstler Mohamed Abla gegründet und zieht seitdem immer mehr Künstler hierher. Noch nie habe ich eine derart große Ansammlung an Töpfereien erlebt. Entlang der Dorfstraße liegt eine neben der anderen und man braucht einen ganzen Tag, will man alle besuchen. Und genau das will ich. Als ich eigentlich schon fast am Ende bin, meine Füße staubig sind und langsam wehtun, ist es immer noch eine Ecke, noch ein Laden den ich noch nicht gesehen habe und wo vielleicht ein echter Schatz oder eine Entdeckung lauert. Und in diesem allerletzten Laden entdecke die wundervollsten Schalen, die ich unbedingt haben muss (von 4 haben glücklicherweise 3 die Heimreise überstanden). Fast vergesse ich, dass ich vor lauter Schüsseln und Tellern den ganzen Tag noch nichts gegessen habe. Etwas zu finden ist gar nicht so einfach, doch dann entdecke ich ein kleines Restaurant in einem der wenigen Hotels. Es gibt Huhn. Nur Huhn. Mit Salat und Reis. Egal. Hauptsache was zu essen, denke ich. Kaum steht das Essen auf dem Tisch, bin ich umzingelt von mindestens 10 Katzen. Überall sind Katzen. Sie maunzen mich an und fordern, dass ich mein Essen mit ihnen teile. Würde ich sie nicht verscheuchen, was wenig erfolgreich ist, würden sie sofort auf meinen Teller springen. Das ist selbst für Katzenliebhaber grenzwertig. Aber ich bin ja nicht zum Essen hierhergekommen, sondern wegen der Teller.
Wo ist Karo am schönsten ist und warum die Stadt eine Liebe auf den zweiten Blick ist
Kairo ist niemals leise. Es ist staubig, schmutzig und an vielen Ecken fragt man sich, was die Städteplaner eigentlich zu so seltsamen Ideen wie einer Nilpromenade bewogen hat, für die man die alten Hausboote verbietet und das Grün am Nilufer durch mehr Asphalt ersetzt. Sie sieht scheußlich aus, diese neue Promenade. Und doch hat die Stadt einen Charme, der sich allerdings nur auf den zweiten Blick erschließt. Es sind die Menschen und das alltägliche Chaos, die vielen Gegensätze, von großartiger Architektur und völlig überfüllten Straßen, die diese riesige Stadt so spannend machen. Ich habe in den fünf Tagen nur einen winzigen Bruchteil davon erlebt, die Temperaturen Anfang Mai sind eigentlich bestens dafür geeignet, die Stadt zu erleben. Selbst in dem privilegierten Stadtteil Zamalek ist man ganz nah dran an der Flüchtlingskrise, immer wieder trifft man auf Geflüchtete aus dem Sudan, und doch gelingt es einem, in diesem Wirrwarr kleine Oasen der Ruhe zu finden. Kairo ist vielleicht nicht schön aber es ist außergewöhnlich. Und ganz sicher komme ich wieder. Und auch wenn die Wetter-App in München der Luft meist schlechte Noten gibt, so war der erste Atemzug nach dem Verlassen des Flughafens ein wahrer Frische-Flash. Fazit: auf Kairo muss man sich einlassen, nur so erkennt man seinen Wert.
Vielen Dank für die Eindrücke! Sie entführen an einem verregneten deutschen Montagmorgen für eine Weile in eine ganz andere Welt und das ist schön.
Das freut mich sehr, dass mir das gelungen ist – es ist ja leider grad so gar nicht sommerlich.
herzliche Grüße
Claudia