Eigentlich war es die perfekte Uhrzeit. Sobald die Sonne untergegangen ist, strömen die Menschen in Bangkok auf die Nachtmärkte. Mehr als vierzig gibt es davon, denn Garküchen sind einfach das, was man in Thailand liebt. Der größte Nachtmarkt in Bangkok ist der Rachada Train Market. Ein riesiges Areal mit einem schier unglaublichen Angebot an Essen und Waren. In manchen Blogbeiträgen oder Führern wird dieser Markt gerne mal als Touristenfalle beschrieben, schön sei er ja, auch mit tollen Blick vom davorliegenden Einkaufszentrum, doch die Schlangen an den Ständen seien schier endlos. Hier brauche man Zeit und Geduld.
Von beidem habe ich jede Menge, aber notwendig ist beides nicht. Und dabei ist es bereits vier Wochen her, dass ich dort war. Manche der Gassen sind geradezu menschenleer. Ausgestorben. Überall duftet es, es wird gehackt, geschnippelt, doch für wen eigentlich? Kein Gedränge, kein Geschiebe, ich könnte mir aussuchen, wo ich sitzen möchte, was im Normalbetrieb ein schier aussichtsloses Unterfangen ist. Das ist ein komisches Gefühl. Ein Nachtmarkt ohne das Wirrwarr der Menschen, die sich nach der Arbeit treffen, gemeinsam essen und ein Bier trinken. Vor vier Wochen war von Panik, von Abschottung und Einreiseverboten noch keine Rede. Der Flieger nach Bangkok war voll. Trotzdem – Touristen sind fast gar keine auf dem Markt.
Was passiert mit all dem Essen das keiner essen will?
Die Antwort darauf kenne ich nicht. Da ist keiner, der mir darauf eine Antwort geben kann und ich habe lange überlegt, ob ich diesen Bericht so schreiben will, denn wer will schon in trüben Zeiten, jetzt, da wir alle in unsere vier Wände verbannt sind, von leeren Märkten lesen. Nährt das etwa das Fernweh? Eher nein. Und doch war es in einer Weise bizarr, als wäre all dies nur eine Kulisse für einen Film. Ich warte darauf, dass irgendwer gleich „Action!“ schreit und dann strömen die Massen herbei. Doch es strömt niemand. Sie lächeln nur. Lächeln die bittere Enttäuschung weg, dass wohl das meiste einfach liegen bleiben wird. Das tut weh. Nicht nur den Menschen, sondern auch mir. Ein Platz, der voll und belebt sein sollte, es aber nicht ist, wirkt noch verlassener, wenn keiner kommt. Da sind die paar Gäste an den Seafood-Ständen auch nicht die Rettung. Es macht keine Freude, allein an einem der langen Tische zu sitzen und ein Curry zu löffeln. Ich trinke ein Bier. Das hatte ich nicht erwartet. So mancher huscht schnell vorbei, eine Plastiktüte mit Essen in der Hand. Und ist rasch wieder weg. Der Umgang mit den Gesichtsmasken, die einige hier tragen ist nicht so, wie wir es jetzt gelernt haben. Beim Essen einfach mal mit den Händen ans Kinn runterschieben? Geht gar nicht. Vor vier Wochen hat das noch niemand gestört.
Vielleicht war dies der Vorbote, der kurz auf die Bühne kam und sein düsteres, leeres Gesicht zeigte. Jetzt, wo hier alle Restaurants, Bars und Cafés schließen, bekommt die Leere eine neue Bedeutung. Es gibt eine Leere, die leicht ist, weil man Freiheit darin spüren kann. In der Natur ist das so. Sind dort wenig Menschen, dann wird der Himmel, die Bäume und die Landschaft noch weiter. Doch in dieser verlassenen Leere der Städte ist nichts, was einem ein gutes Gefühl gibt. Sie drückt, diese Leere. Noch immer verlasse ich jeden Tag mindestens einmal meine Wohnung. Gehe spazieren oder fahre zum Einkaufen. Und ich denke immer wieder an diesen riesigen verlassenen Nachtmarkt mitten in Bangkok. Ich habe dort noch Konfekt aus Pandanblättern gekauft. Ich liebe den Geschmack von Pandanblättern. Jetzt liegt es hier und erinnert mich daran, dass es kein Traum war.
Ich wünsche euch allen, dass ihr und eure Lieben gesund bleibt!
2 Kommentare
Trackbacks/Pingbacks
- Links am Sonntag, 29.03.2020 – Eigenerweg - […] nachdenklich macht Dinner um Acht mit einem Beitrag zu Bangkoks grösstem Nachtmarkt: Und wer soll jetzt die Skorpione essen?…
Liebe Claudia
Ein schöner Vergleich mit der Leere …
Auch Dir alles Gute.
Heute Abend gibts schwarzen Rettich mit Sake und Ingwer…
Vielen Dank, lieber Jürgen!
Rettich mit Sake und Ingwer ist eine tolle Idee.. muss ich auch mal wieder machen.
liebe Grüße
Claudia