29. Mai 2014

Über die Entdeckung der „Inneren Werte“ und ein Kalbsbries à la Crème, wie es französischer nicht sein könnte

7 Kommentare

innereien_cover_20_10Wir Deutschen leisten einen kulinarisch nicht unerheblichen Beitrag zum Erhalt der deutsch-französischen Freundschaft. Wir essen wenig Innereien. Vergleichsweise. Die Franzosen haben das, was bei uns gerade ganz populär als „Nose-to-Tail“ Kampagne beschworen wird, längst auf ihrem täglichen Speiseplan etabliert. Und so wird ein nicht unbeträchtlicher Teil der Innereien unserer Schlachthöfe gleich über die Grenze nach Frankreich gebracht. Sie freuen sich darüber.

Seit es uns wirtschaftlich gut geht, sind Herz, Hirn und Kutteln größtenteils von unseren Speisekarten und Auslagen in Metzgereien verschwunden. Zwar gelingt es Spitzenköchen immer wieder, die eher ungeliebten Teile von Rindern, Lämmern und Schweinen gekonnt zu inszenieren, doch bis zum eigenen Herd ist das noch nicht vorgedrungen.

Ich habe mich in Frankreich mutig durch Schweinfüße gegessen, schätze an der bayerischen Küche auch ihre Aufgeschlossenheit für Kalbsköpfe und saures Lüngerl und habe die Kalbsleber, die meine Mutter früher mit Äpfeln und Zwiebeln zubereitet hat, immer geliebt.

Und so fragte ich vor einiger Zeit sicherheitshalber meine Gäste, ob es Einwände gegen Kalbbries gäbe und erntete ein konsterniertes „Bitte nicht“. An Innereien scheiden sich die Geister und ich habe hier schon oft darüber berichtet. Ich koche mit Hingabe Leber, Bries, Zunge und Nieren. Das ist köstlich und verlangt stellenweise etwas mehr Aufmerksamkeit, als einfach ein Steak in die Grillpfanne zu werfen.

Es ist also an der Zeit, dass Kochbücher, die in diesem Segment eher rar gesät sind, uns endlich die Magie der Innereien näher bringen. Das haben sich wohl auch Thomas Pinçon und Michael Hermes gedacht, die Autoren von „Innere Werte“.

In ihrer ehemaligen Metzgerei in Hamburg gedeiht das Erbe der wunderbaren Innereiern-Kreationen aufs Prächtigste. Die Brasserie „Café Paris“ bietet all jenen, die echte französische Küche genießen wollen, eine Heimat. Pinçon, einer der Köpfe der Brasserie und Hermes, Küchenchef haben ihre Klassiker mit rustikalem Charme in Szene gesetzt. Es ist ein sehr französisches Buch mit traditionellen Gerichten. Immer mit der passenden Weinempfehlung. So etwas gefällt mir.

Der Fokus ist ganz auf die Tiere gerichtet. Kalb, Lamm und Schwein. Ob es sich bei den Rezepten um eine Hauptspeise oder ein Entrée handelt, möge der geschätzte Leser selbst entscheiden, denn es hängt von den Beilagen ab. Die werden nämlich bei den Rezepten weitgehend weggelassen. Dafür gibt es noch ein ganzes Kapitel nur über Pürees. Aligot, provenzalischer Kartoffelstampf und Karotten-Estragon Püree, um nur einige davon zu nennen.

Neben herrlichen Rezepten wie Kalbsnieren in Sherry Sahne, Lammzunge und-bäckchen in Rotwein, Lammbries auf Apfel-Safran Butter und Spinat, ist das letzte Kapitel des Buches sicherlich das Wichtigste. Hier werden die grundsätzlichen Vorbereitungen zum Kochen mit Innereien erklärt. Warum etwas wie lange wässern muss, was bei der Zubereitung besonders zu beachten ist. Dass ein Kalbsbries ordentlich von der feinen weißen Haut die es umschließt gesäubert werden muss und dass Leber niemals zu lange gebraten werden darf, da sie ansonsten hart wird.

Teilweise kennen wir das eine und andere bereits, doch wenn wir uns beispielsweise an ein Onglet wagen, so ist es hilfreich zu wissen, dass es nur ganz kurz gebraten werden darf.

Ich fühle mich sehr verbunden mit diesem Buch, es ist ein Teil meiner Kindheit, und es ist kulinarische Lebensart, wie hier nicht oft praktiziert wird. Und wer den Film „Julie &Julia“ kennt, der erinnert sich vielleicht an die Szene, als Julia Child, gespielt von Meryl Streep in einem Pariser Bistro das Wort „Butter“ mit solcher Inbrunst ausspricht, als handle es sich um die Entdeckung des Paradieses.

Und so habe auch ich mit größtem Vergnügen obszöne Mengen kalter Butter  in die Safran Crème geschlagen, habe wollüstig den Löffel danach abgeleckt und die köstlichen Scheiben vom Kalbsbries und der Jakobsmuschel mit einer der letzten Flaschen meines elsässischen Rieslings genossen.

Santé!, auf euch ihr Liebhaber der Innereien.

 Kalbsbries_Scallop_Butter (1 von 1)-2

Kalbsbries und Jakobsmuscheln à la Crème

Für Vier

500g Kalbsbries
4 große Jakobsmuscheln
200 ml Sahne
100 g Butter
Olivenöl zum Braten
Saft einer Zitrone
1 Msp. Kurkuma
1 TL Safranfäden
Salz, Pfeffer

Kalbsbries_Scallop_Butter (1 von 1)

Das Bries einige Stunden wässern, das weiße Häutchen darum entfernen, eventuell harte Stellen wegschneiden und in Röschen zerteilen. Das nun küchenfertige Bries in Scheiben schneiden und den Ofen auf 150° vorheizen.

Die Sahne mit Safran und Kurkuma in einem Topf erhitzen, auf die Hälfte reduzieren und mit Salz und Pfeffer abschmecken.

In einer Pfanne etwas Olivenöl und etwas Butter erhitzen und die Kalbsbries Scheiben von beiden Seiten anbraten. Zum Schluss die Jakobsmuscheln für eine Minute mitbraten und mit Zitronensaft ablöschen. Aus der Pfanne nehmen und im Ofen warm stellen.

Die Sahne in die noch heiße Pfanne gießen und mit der restlichen Butter aufschlagen. Direkt danach Bries und Muscheln auf Tellern anrichten und mit der Sauce servieren.

„Innere Werte“ – die beste Innereien Rezepte des Brasserie Café Paris, von Thomas Pinçon, Michael Hermes (Autoren), ist erschienen im 99 Pages Verlag

Diese Rezension erscheint im Rahmen der Aktionswoche „Jeden Tag ein Buch“

 

7 Kommentare

  1. An die Szene aus Julia & Julia erinnere ich mich ebenfalls ;-). Und Dein Plädoyer, die Inneren bei all dem schieren Fleisch nicht zu verachten, finde ich gut. Als ich noch Fleisch gegessen habe, habe ich Leber, Bries & Co. sehr geschätzt (auch wenn ich bei der eigenen Zubereitung eher dilettiert habe).

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  2. Hach, ich bin ja ganz verliebt in deinen Falten-Teller! Und das was, darauf liegt, mag ich nach der Lektüre deiner Rezension auch gern kosten. Irgendwie habe ich mich außer an Hühnerherzen nie an Innereien heran getraut. Ich war in unserer Familie die Einzige, die die gelegentlich mit gebratenen Zwiebelringen feilgebotene Leber nicht mochte.
    Jetzt, wo ich einen nicht allzuweit entfernten Fleischer ausgekundschaftet habe, werde ich doch mal das eine oder andere verborgene Teil probieren. ;-)

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  3. Auch ich liebe Innereien, allerdings begrenzt auf Leber, Nieren und Bries. Kalbsbries ist mein liebstes, in Frankreich bekommt man es auch häufig lauwarm gebraten auf Blattsalaten – köööstlich!

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    • Auf Salat ist so ein zartes Kalbsbries auch etwas besonders feines. In Deutschland noch unüblich, aber ein Grund, mal wieder nach Frankreich zu fahren.

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  4. Ich oute mich auch als Innereien-Liebhaberin. In meiner Heimat wächst man ja mit Kutteln auf, und all das andere mag ich auch. Ist mir oft lieber als Fleisch und ich finde es wichtig, dass ein Tier nicht nur wegen seines Filets sterben muss, sondern möglichst viel davon gegessen wird…

    Danke für den Buchtipp.

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  5. Das Buch hat mich schon beim Magentratzerl sehr angesprochen – bei mir kommen Innereien regelmäßig auf den Tisch :-) Gerade Nieren, Zunge, Briesle, Herz und Leber sind ja echte Leckereien. Und Onglet macht sich prima auf dem Grill.

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    • Das freut mich, liebe Petra! Ich würde ja nur allzu gern ein Onglet auf den Grill schmeißen – allein mir fehlt der Grill dazu…

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