21. April 2018

[The Tokio Food Files #5] – flüster mir doch einfach Izakaya ins Ohr

4 Kommentare

ein Izakaya ist ein japanisches Pub - und genau das, was man nach einem langen Flug braucht. Zum Auftakt gibt es Sashimi.

Diesmal war es anders. Vertrauter. Als ich mit der Monoline vom Flughafen nach Kanda fuhr, wusste ich bereits, wie es läuft. Und konnte zum ersten Mal ganz entspannt aus dem Fenster schauen. Die dümmste Investition hatte ich bereits am Flughafen getätigt. Eine SIM Karte, mit der mein mobiles Wifi nicht anzufangen weiß. Doch dieses Mal ist es egal. Ich weiß genau, wo ich hinfahren muss. In welche Richtung ich dann gehen muss. Ich brauche kein Google Maps. Es ist Samstag und die Straßen in Kanda wirken, als habe man der Stadt einen autofreien Samstag befohlen. Ich laufe auf der Straße während ich meine Koffer hinter mir herziehe. Zwei Stunden, wenigstens zwei Stunden will ich mich hinlegen. Wie immer konnte auf dem Flug kein Auge zumachen. Während ich durch eine sehr kurze Nacht flog, war es das unglaubliche Blau vor meinem Fenster, das mich in seinen Bann zog, ein Blau, wo Horizont und Himmel ineinander verschmelzen und in unendlich vielen Nuancen vorbeiziehen. Außer einem einzigen Stern war nichts zu sehen. Irgendwann in der Nacht verlor ich einen meiner Ringe, er fiel auf den Boden und meine freundliche russische Sitznachbarin zögerte keine Sekunde, bevor sie sich über meine Knie legte um tief unter meinem Sitz auf die Suche zu gehen. Auf einem zwölf-Stunden Flug legt man einiges von seinem äußeren Schutzkreis ab, erlaubt es, dass anderen Menschen einem auf die Pelle rücken, es ist in Ordnung. Auch wenn man in seinem Sitz schier endlos ausharren muss, man macht es sich erträglicher, wenn man es zulässt, dass ein fremder Ellenbogen sich in die Flanke bohrt. Es geht vorbei.

Das Hotel hat mein Zimmer noch nicht freigegeben, ab 15:00 Uhr heißt es. Aber ich kann meine Koffer abstellen und mir ein Café suchen. Kaffee ist eigentlich das letzte, was ich jetzt haben möchte, doch die Auswahl ist nicht gerade üppig um diese Uhrzeit. Kanda ist nicht die kuschlige Café-Ecke Tokios. Im Flugzeug, ich saß in der vorletzten Reihe, hörte ich noch zu, wie einer der Flugbegleiter seinen Kollegen von einem Katzencafé vorschwärmte. In meiner Verfassung bin ich dafür dankbar, dass es in diesem, eher nüchternen, Café, das unweit meines Hotels liegt, keine behaarten Vierbeiner gibt, sondern bin eher darüber begeistert, dass so mancher in diesem Café sich seiner Schuhe entledigt und auf den gegenüberliegenden Sitz legt. Hätte ich nie gewagt, aber ja, genau das ist jetzt das Allerbeste!

Auf dem Weg zum Hotel laufe ich an einem kleinen Sake Restaurant vorbei. Ein Itzakya Lokal, was soviel bedeutet wie japanisches Pub. Eher schnelle Gerichte ohne Schnickschnack. Vielleicht war es aber auch nur die Kreidetafel mit dem hübsch gemalten Fisch, die mich anlockte. Eigentlich hätte ich Lust auf ein Okonomyaki, einem japanischen Kraut-Pfannkuchen, doch das, so wurde mir bereits vorher empfohlen, solle ich besser in Kyoto oder Osaka probieren.

Ich brauche etwas Ruhe. Das Izakya Lokal ist ohnehin noch geschlossen. Ich schleppe mich in mein Hotel, sinke in meinem winzigen Zimmer, wo nicht einmal mein aufgeklappter Koffer Platz hat, geschweige denn es einen Schrank gibt, aufs Bett und falle in einen kurzen traumlosen Schlaf.

Ein Gefühl von Hunger macht sich bemerkbar und nachdem ich die Hoffnung auf Besserung meiner ermatteten Erscheinung aufgegeben habe, mache ich mich auf den Weg zurück zu diesem Restaurant. Reservierung habe ich keine, zum Glück ist es früh und wieder gibt es natürlich keine englische Speisekarte. Ich bin euch also ausgeliefert. Ich will Fisch, Tofu und irgendwas mit Fleisch. Und Sake. Den will ich unbedingt. Allein schon wegen der wunderschönen großen Flaschen.

Zum Bier bekomme ich ein Schälchen mit kurz fermentiertem Gemüse, hauptsächlich Daikon Rettich und Gurke mit Bonitoflocken. Mein fluggebeutelter Körper freut sich über die salzige Kost.

– Woher kommst du?

– Deutschland.

– Wo genau?

–  aus München

– Ah, ich war in Frankfurt und Hamburg.

Zu mehr Konversation ist der junge Mann, der mich bedient, nicht in Lage. Immerhin. Ich sowieso nicht. Meine guten Vorsätze, endlich mal ein paar Sätze mehr Japanisch zu sprechen, hatte ich schon vor einer Weile aufgegeben. Er mag den HSV, erzählt er mir. Ich habe natürlich keine Ahnung. Spielen die noch in der ersten Liga? Ich bin ein Depp, wenn es um Fußball geht. Trotzdem ist Fußball mal wieder der Eisbrecher. FC Bayern, Daumen hoch, dann gibt es einen Sake aufs Haus.

Glücklich versuche ich den unglaublich mild-würzigen Seidentofu mit einer Sesam-Miso Sauce auf meinen Stäbchen zu balancieren. Gelingt einigermaßen, wenn ich mich konzentriere. Also Vorsicht mit dem Sake!

Ob ich Sashimi mag? Ja, gerne. Wenn ich könnte, würde ich dir jetzt gerne erzählen, dass dieser frische Fisch einer der Gründe ist, weswegen ich immer wieder hierher fahren würde. Ich widerstehe der Versuchung, den frischen Wasabi direkt in die Shoyu zu rühren, schließlich will ich mich nicht als komplett Unwissende outen. Der Fisch ist ein Traum. Nussig, süß, salzig und von einer umwerfende Zartheit. In Ermangelung meiner kommunikativen Fähigkeiten, verbleibe ich bei einem Nicken und aufmunterndem Lächeln. Mehr Sake? Ja. Trocken? Unbedingt.

Dann bekomme ich einen rohen Oktopus, eher ein Tatar, doch irgendwie scheint es, als könne man diesen Oktopus ohnehin nicht in größeren Stücken als der Größe meines kleinen Fingernagels essen. Er ist knorpelig zäh. Und trotzdem gut.  Die Wurst soll ich auch noch probieren. Eigentlich nennen sie sie Schinken, aber von Schinken ist das weit entfernt. Da braucht es natürlich auch einen anderen Sake dazu. Einen vollmundigeren. Und so esse ich also zum ersten Mal Wurst mit japanischem Senf und trinke Sake dazu. Nicht schlecht, denke ich.

Kurz vor acht muss ich gehen, was mir dezenter Weise damit zu verstehen gegeben wird, dass er mir die Rechnung hinlegt. Klar, ich hatte ja keine Reservierung. Das ist auch in Ordnung. Ich spüre den Schlafmangel, bin satt und hatte einen ganz vielversprechenden ersten Abend in Tokyo.

 

Gotaru 神田

〒101-0035 Tokyo, Chiyoda, 神田紺屋町6

Telefon: 03-3525-4163

 

4 Kommentare

  1. Liebe Claudia,

    Kanda war ebenfalls der erster Halt auf unserer Japanreise. Kulinarisch ist die Auswahl wirklich dürftiger als in anderen Bezirken. Aber es war eine tolle Ausgangslage für weitere Trips :) wenn ich deinen Artikel lese kriege ich direkt wieder Fernweh… und Hunger. Mein absolutes Lieblingsland. Wünsche dir noch eine tolle Zeit in Japan und alles Gute

    Antworten
    • Liebe Natascha,
      Herzlichen Dank. Stimmt, Kanda liegt perfekt. Beim ersten Mal wohnte ich in Shinjuku. Auch toll. Bin ja echt vernarrt in die Stadt.
      Herzliche Grüße
      Claudia

      Antworten
  2. Servus Claudia,
    vielen Dank für deine tollen Reports aus Japan! An meinem ersten Abend in Tokio wurde ich auch von einer kleinen Izakya gerettet und herzlichst Aufgenommen ;-)
    Ich wünsche dir noch eine super Reise und bin gespannt auf deine neuen Rezept aus Japan.

    PS. Mit Okonomyaki in Osaka kann man nichts falsch machen ;-)

    Antworten
    • Servus Mario,
      das freut mich ja, dass du auch schon die Erfahrung gemacht hast.
      Essen ist hier einfach toll. Und ja, ich bringe auf jeden Fall wieder Ideen und Rezepte mit.
      Liebe Grüße
      Claudia

      Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Datenschutz
Ich, Claudia Zaltenbach (Wohnort: Deutschland), würde gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht mir aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl:
Datenschutz
Ich, Claudia Zaltenbach (Wohnort: Deutschland), würde gerne mit externen Diensten personenbezogene Daten verarbeiten. Dies ist für die Nutzung der Website nicht notwendig, ermöglicht mir aber eine noch engere Interaktion mit Ihnen. Falls gewünscht, treffen Sie bitte eine Auswahl: