18. Mai 2019

Marthas Knödellektionen, ein Hof hoch oben über Meran und Südtiroler Brennnesselknödel

2 Kommentare

„Sie knacken leicht, wenn sie gar sind“, meint Martha Thaler als ich sie frage, woher sie weiß, wann die Knödel gar sind. Während ich am Herd stehe und meine Knödel beobachte, wie sie vor sich hin garen, warte ich genau auf dieses Knacken. Ich höre nichts. Ich höre das Blubbern des Wassers, das leise Rauschen des Induktionsfelds, etwas Vogelgezwitscher von draußen aber ich höre kein Knacken. Mir dämmert, dass man dieses feine Gehör vermutlich nur entwickelt, wenn man Tausende von Klößen gerollt und gekocht hat. Während ich mich auf den Wecker verlassen muss, der nach 10 Minuten klingelt, hat Martha es einfach im Gefühl. Die Knödel erzählen ihr, wann sie fertig sind.
Martha Thaler ist die Knödelkönigin Südtirols, sie lebt zusammen mit ihrer Familie seit 30 Jahren auf dem Zmailerhof in Schenna, von wo aus man über ganz Meran blicken kann. Bis zu hundert Essen serviert sie in den Sommermonaten auf ihrer Terrasse. Speckknödel in Brühe, Brennnesselknödel, Käseknödel, Kaiserschmarrn und Brotzeiten. Die Leute strömen in Scharen hierher, denn wer den Aufstieg erst einmal geschafft hat, der darf sich ruhigen Gewissens die wohl besten Knödel Südtirols gönnen.
Und bei ihr darf ich lernen, wie man Knödel macht. Nicht, dass ich nicht schon vorher Knödel gemacht hätte, doch es ist wie mit allem – wer die Chance bekommt, einer wirklichen Meisterin über die Schulter zu schauen, der sollte sich das nicht entgehen lassen. Was für Knödel ich denn schon gemacht hätte, will Martha wissen, während sie die Zwiebelwürfel für die Speckknödel in Butterfett brät (Butterfett sei wichtig, da es selbst und die Zwiebeln nicht bräunen soll). „Semmelknödel“, antworte ich. „Ah, Fastenknödel!“. Fastenknödel also, damit dürfte dann klar sein, dass die ohne den Speck, den Käse oder die Brennnesseln lediglich in der Fastenzeit serviert werden. Die restliche Zeit des Jahres ist den üppigeren Knödeln gewidmet.
Die Decke der Küche ist rabenschwarz, früher wurde hier noch geräuchert, davon zeugen noch die Haken an der Decke. Heute wird hier nur noch gekocht. Die sympathische Martha ist geduldig mit mir, immerhin habe ich jetzt nicht so die Übung wie sie, doch nach dem vierten Knödel lobt sie mich. Weder zu groß noch zu klein, wunderbar rund und glatt. Im Grunde genommen, ist Knödelmachen das Einfachste der Welt. Altbackenes Brot, Milch und Eier, dazu gedünstete Zwiebeln, Speckwürfel, Schnittlauch und ein wenig Mehl. Der perfekte Knödel ist nicht schwer, sondern luftig leicht. Ich muss an Sushireis denken, dessen Zubereitung als ähnlich easy gilt, wobei so mancher Meister in Japan hier ein Leben lang nach dem perfekten Reis strebt. Heute ist Martha meine Meisterin. Ich verfolge ihre Bewegungen, wie ihre Hände die Knödel formen, nie nimmt sie zuviel oder zuwenig Teig aus der Schüssel. Ihre Knödel sind immer exakt gleich groß.
Für diese Knödel habe ich das Frühstück ausfallen lassen. Und während ich auf den großen Topf starre, in dem nun ein Knödel nach dem anderen verschwindet (das Wasser soll kochen, aber nur leicht), spüre ich, wie sich mein Magen in sehnsuchtsvoller Vorfreude zusammenkrampft. Ja, erst ein Speckknödel in Brühe und dann noch einen Brennnesselknödel. Vielleicht noch einen halben Käseknödel.
Und hätten meine Papillen Fanfaren, sie hätten laut getönt, als ich den ersten Bissen des Brennnesselknödels im Mund habe. Er ist göttlich dieser Knödel. Luftig, würzig, mit einer feinen Knoblauchnote, die sich an die zerlaufene Butter und den geriebenen Käse schmiegt. Das, genau das, ist ein epischer Knödel. Ich strahle Martha an und ja, den Käseknödel will ich jetzt auch noch. Dazu den wunderbaren Kräutersirup, den sie selbst gemacht hat.
Der Himmel über Meran ist ein Knödel von Martha.

Bis zu 100 Gäste besuchen Martha täglich auf dem Zmailer Hof. Ihre Knödel sind berühmt.

Speckknödel in Brühe.

wenn sie oben schwimmen, sind sie fertig

pures Knödelglück

Seit über 30 Jahren macht Martha Knödel. Sie weiß alles über sie.

Beste Zutaten und eine Mischung aus hellem und dunklem Speck

so findet man die Brennnesseln auf dem Bauernmarkt in Meran

Südtiroler Brennnesselknödel

Für 10 Knödel

300 g Knödelbrot (oder ein Tag altes Baguette in Würfel geschnitten)
250 g Brennnesseln
4 Eier
1/8 Liter Milch
2 EL Butterschmalz
1 gelbe Gemüsezwiebel (knapp faustgroß)
2 Knoblauchzehen
3 gehäufte EL Buchweizenmehl oder Mehl Typ 00
1 TL Salz
etwas frisch gemahlene Muskatnuss

40 g geriebener Parmesan
50 g Butter

Das Knödelbrot in eine große Schüssel geben und die Milch darüber gießen.
Die Brennnesseln waschen, die dicken Stiele abschneiden (für alle Zimperliesen wie mich sind hier Küchenhandschuhe angesagt) und zusammen mit etwas Wasser in einen Topf geben und für 2 Minuten bei geschlossenem Deckel blanchieren. In ein Sieb gießen und gut ausdrücken. Fein hacken.

Die Zwiebel und den Knoblauch fein würfeln und beides im Butterfett andünsten, bis die Zwiebel glasig ist. Überschüssiges Fett abgießen und die Zwiebeln zusammen mit den Eiern und den Brennnesseln zum Knödelbrot geben. Salz und Muskat dazugeben und mit den Händen gut vermengen. Zum Schluss noch das Mehl hinzufügen.

Die Hände waschen und am besten eine Schale mit Wasser neben die Teigschüssel stellen, denn mit feuchten Händen dreht es sich leichter.
Dann die Knödel formen und auf ein Brett setzen.
Wasser in einem großen Topf erhitzen und die Knödel 10 Minuten lang garen. Sie sind fertig, wenn sie an die Oberfläche steigen.
In der Zwischenzeit die Butter schmelzen und den Parmesan reiben.
Die Knödel aus dem Wasser heben, auf Teller verteilen, mit Butter begießen und Käse bestreuen.
Wer mag, streut noch ein wenig frischen Schnittlauch drüber.

Hinweis: Brennnesseln bekommt man manchmal auf dem Markt (in Meran um diese Jahreszeit überall). Wer selbst sammeln möchte, der nimmt nur die jungen Blättchen.

 

Zmailer-Hof
Fam. Johann Thaler
Bergerweg 17
39017 Schenna
Tel. +39 0473 945881
Von Mitte März bis Ende November täglich geöffnet. Von Juni bis August freitags Ruhetag.

2 Kommentare

  1. Hachz, da werden Erinnerungen wach. Zum Einen an den Knödelworkshop, den ich vor langer Zeit bei einer anderen Knödel-Meisterin in Österreich absolvieren durfte, aber auch Erinnerungen jüngeren Datums an meinen Sommer offline auf 2118 Höhenmetern. Auf unserer Alm haben wir damals Knödel nur für den Eigenbedarf gekocht. Für die Gästeschar waren wir mangels Transportmöglichkeiten aus dem Tal, auf andere regionale Klassiker beschränkt. Die Brennnesselknödel werde ich auf jeden Fall nachmachen, da ich ja eh sehr gern mit Grünzeug aus der Natur koche. Danke für den schön zu lesenden Text und das Rezept!

    Antworten
    • Liebe Peggy,
      ich hab ja auch deine Geschichten von der Alm verfolgt und das war sicher eine großartige Erfahrung. Es ist immer toll, wenn man was lernen kann. Ich ertappe mich immer dabei, dass ich eigentlich gar keine Chance habe in irgendwas so richtig Routine zu bekommen, weil ich immer wieder was Neues entdecken will.
      Liebe Grüße
      Claudia

      Antworten

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