Früher, als die Ferien im Sommer noch 6 Wochen lang waren und eine träge Hitze über der Rhein Ebene lag, hab ich mich oft im Garten meiner Großeltern zwischen Johannisbeersträuchern verkrochen. Saß auf der Erde und pickte die kleinen Beeren von den Rispen. Die Schwarzen mochte ich besonders gern. Zu sehen gab es immer irgendwas. Kleine Insekten, die auf den Blätter krabbelten, manchmal eine kleine Schnecke und das Spiel des Lichts zwischen den Sträuchern. Die Hecke daneben mit den Brennnesseln übte eine magische Anziehungskraft auf mich aus, immer wieder galt es ihr so nah wie möglich zu kommen, nicht so nah, dass ihre Nesseln mich berührten, aber nah genug, dass mir ihre haarigen Blätter ein bisschen Angst einjagten.
An den Sommerabenden hatten die Beeren all die Hitze des Tages gespeichert, ihre glatte Haut glänzte in der tiefstehenden Sonne, fast schienen sie zu platzen, so gespannt waren sie, endlich in meinem Mund geschoben zu werden. Während meine Großeltern sich um die Bohnen und den Salat kümmerten, konnte ich mich stundenlang mit den Beeren beschäftigen. Stachelbeeren knackten immer so lustig, wenn man sie mit der Zunge am Gaumen zerdrückte. Ihre Härchen kitzelten mich auf der Zunge. Ein Kitzeln das so lange auf Neue wiederholt werden musste bis mein Bauch voller Beeren war. Und der Eimer immer noch leer.
Das Sammeln war natürlich lang nicht so lustig, wie das Futtern.
Die Beeren wurden eingekocht, zu Saft und Marmelade verarbeitet, in Gläser gefüllt, die meine Großeltern das ganze Jahr über gesammelt hatten. Der alte Einkocher war im Dauereinsatz.
Heute, viele Jahre später, weiß ich wie viel Arbeit ein solcher Garten macht und genau aus diesem Grund scheue ich mich davor. Ich liege mit Vorliebe in fremden Gärten und bewunderte ihre Pracht. Die wilden Gärten sind mir immer noch die liebsten. Hier findet man die kleinen süßen Walderdbeeren und die Brombeeren, deren Hecken einem als Tribut für die süßen Früchte die Hände zerkratzen.
Luzia Ellert, die große Dame der Food Fotografie muss einen ähnlichen Garten gehabt haben, denn in ihrem neuesten Buch „wilde Beeren“, das gerade erschienen ist, wimmelt es nur so von Bildern, die meine Erinnerung an diese langen Beerensommer wieder aufblühen lassen. Beeren über Beeren, durch das ganze Jahr. Beginnend mit der großen Sehnsucht im Frühjahr nach den ersten Erdbeeren, hält sie jeden Moment der Früchte fest. Ihre Blüte, ihre saftigen Früchte und das stolze Glas mit Eingemachtem.
Korrespondierend zu ihren Bildern, entwickelte Gabriele Halper die Rezepte. Rezepte mit teils großem Sehnsuchtsfaktor. Arme Ritter mit Walderdbeeren, Amaretto Creme mit einer Sauce aus Walderdbeeren. Es blüht und lockt von jeder Seite. Der Frühling betritt die Bühne, bringt Fliedersirup und zarte Tannenspitzen, es spießen die ersten Holunderbüsche und alles landet auf dem Teller. Die Himbeeren werden reif und zieren den Salat und die Blätterteigschnitten mit Ziegencamembert. Warum nur ist erst April? Und warum müssen wir erst noch den Eisheiligen Einlass gewähren, wo doch meine Sehnsucht jetzt schon geweckt ist?
Dann schüttet der Sommer sein gesamtes Füllhorn an vielfältigen Beeren über unserem Tisch aus. Likör wird angesetzt. Es wird gesaftet, gebacken und immer wieder genascht. Dann kommt Wind auf (so heißt auch tatsächlich ein Kapitel), schwere Sommergewitter prasseln vom Himmel. Alles duftet nach dem Regen. Wir sitzen im Trockenen und essen ein Stück vom Heidelbeer-Grieß-Strudel.
In diesem Buch stecken so viele Emotionen, dass ich Luzia Ellert auch die zwei Fotos von kleinen Katzen nachsehe. Das ist dann schon eine grenzwertig große Portion an Landliebe. Doch sieh, was du sehen willst, scheint sie zu sagen. Ich öffne dir nur die Tür in deine eigenen Bilder. Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich früher auch immer gerne nach den kleinen Katzen Ausschau gehalten. Früher. Aber heute? Da übt das Rezept einer Brombeer-Gewürz-Sauce eine weitaus größere Magie auf mich aus.
Doch weiter, das Jahr schreitet voran. Die Preiselbeeren werden reif. Der erste Frost naht. Wir zehren von den glücklichen Stunden des Sommers, der uns aus den Einmachgläsern und den Likörflaschen entgegen lacht.
Dieses Buch wird seinen festen Platz in meinem Sommer bekommen. Ich werde Ausschau nach den kleinen Beeren halten und vielleicht auch einen Kuchen backen. Aber erst nach dem Rinderfilet mit scharfer Chili-Erdbeer Sauce, und der Hühnchenbrust mit Himbeeren. Dann. Vielleicht backe ich dann auch.
Bis es soweit ist, schwelge ich einfach noch ein bisschen weiter in ihren Bildern.
Rindersteak mit feurigen Erdbeeren
Für Zwei
2 Rindersteaks aus dem Filet, dem Roastbeef oder der Hüfte à 200 g
Salz und grob geschroteter Pfeffer
2 kleine Schalotten
2 EL Olivenöl
25 g Kristallzucker
1 -2 EL Rotweinessig
125 g Erdbeeren, geputzt
½ TL getrocknete rosa Pfefferbeeren
1 TL Butter
½ – 1 rote Chili, entkernt und fein gehackt
Frisch gemahlener Pfeffer
Den Backofen auf 80° (Ober-/Unterhitze) vorheizen.
Die Steaks auf beiden Seiten mit Salz und geschrotetem Pfeffer bestreuen, auf ein mit Backpapier belegtes Backblech legen und im vorgeheizten Ofen ca. 20 min sanft garen.
Die Schalotten in feine Würfel schneiden. 1 EL Olivenöl in einer kleinen Pfanne erhitzen. Die Schalottenwürfel darin hellbraun anschwitzen, dann mit dem Zucker bestreuen und diesen karamellisieren lassen. Mit dem Essig ablöschen und den Sud 4 -5 Minuten köcheln lassen.
Die Erdbeeren klein schneiden und in den Schalottensud geben. Die Pfanne vom Herd nehmen. Die rosa Pfefferbeeren hinzufügen und den Sud mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Einen EL Olivenöl in einer großen Pfanne erhitzen, die Butter darin aufschäumen lassen und die vorgegarten Steaks darin von jeder Seite 2 -3 Minuten anbraten.
Die Steaks mit den Erdbeeren auf Tellern anrichten und mit dem Bratensatz aus der Pfanne beträufeln. Mit fein gehackter Chili nach Belieben bestreuen.
Dazu passt ein grüner Salat aus jungen Mangoldblättchen.
„Wilde Beeren“ von Luzia Ellert ist im Verlag Collection Rolf Heyne erschienen
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