Die BIOFACH ist die weltweit größte Messe für biologische Lebensmittel und jedes Mal wenn ich nach Nürnberg auf diese Messe fahre, bin ich ein bisschen verloren. Ich treibe dahin zwischen den vielen riesigen Hallen. Probieren, entdecken, und wieder von vorne. Die Stände der japanischen Hersteller müssen natürlich unbedingt sein. Gleich zu Beginn zieht es mich dorthin.
Neues von der Miso Front
Der Herr, welcher kein Englisch spricht und mich ein bisschen verloren anblickt, weil ich ja so viel von ihm wissen will, fühlt sich nicht so ganz wohl in seiner Rolle. Er ist ein Misohersteller aus der Akita Region in Japan. Und er hat zum ersten Mal Miso aus Linsen mitgebracht. Die Packungen mit dem grünen Schriftzug „Lentil“ fallen natürlich sofort auf. Eine Übersetzerin eilt herbei. Ich will die japanische Bezeichnung für Linsen Miso wissen. Die beiden schauen sich ein wenig ratlos an. Renzu Mame, meint die Übersetzerin nachdem die beiden sich einig geworden sind. Dieses Miso habe er ausschließlich für den europäischen Markt gemacht, meint der Hersteller, in Japan kenne man kein Miso aus Linsen und er habe sie auch aus Deutschland bekommen. Warum er es gemacht hat, möchte ich wissen. Weil Miso doch grade sehr gefragt ist und man sich hier die Kombination aus beidem wünscht. Heimische Zutaten gepaart mit dem japanischen Wissen um die Herstellung von bestem Miso. Viel davon hat er auch nicht mitgebracht. Er traut diesem Trend wohl noch nicht so recht. Aber es bereitet ihm sichtlich Vergnügen, wenn jeder von seinem Linsen Miso probieren möchte.
In den Töpfen daneben schlummert das Wissen aus mehreren Jahrhunderten Misoherstellung, tiefdunkles, gereiftes Hatcho Miso, rötlich schimmerndes Braunreis-Miso, doch alle wollen am liebsten sein Linsen Miso probieren. Ich koste es auch. Ein noch junges Miso mit wunderbar sanften, hefigen Noten und einer grünlich braunen Farbe. Ich könnte mir schon vorstellen, wer alles darauf abfahren könnte.
Daneben präsentiert sein Kollege ein helles Miso mit Yuzu. Yuzu, jene japanische Zitrone, die bei Spitzenköchen so unglaublich beliebt ist wegen ihres fruchtig-leicht bitteren Aromas.
Bei Hikari Miso, einem der größten Misohersteller Japans, die sich ganz besonders für Bio-Miso einsetzen, ist dieses Jahr das sojafreie, sehr helle Miso das Neueste, was sie aus der bergigen Region rund um Nagano mitgebracht haben. Es verzichtet völlig auf die Zugabe von Getreide und schmeckt dennoch wie ein weißes Shiro Miso.
Megatrend Yuzu
Yuzu ist cool. Wenn du irgendwas verkaufen möchtest, was voll im Trend liegt, dann tu am besten Yuzu rein. Das haben sich die Hersteller aus Japan vermutlich alle zur Genüge anhören müssen, denn der Yuzu fällt in diesem Jahr eine echte Hauptrolle zu.
Limonade trinken ist ja längst nicht mehr hip, Erfrischungsgetränke mit Essig, auch Shrubs genannt, liegen da ganz weit vorne. Und ganz besonders, wenn auch noch die Yuzu mitspielt. Gleich in mehreren Varianten wird Yuzu Pulver angeboten. Durchaus mit intensivem Geschmack und das ohne irgendwelche zusätzlichen Aromen. Sie ist also ein echtes Geschmackswunder, die Yuzu. Es gibt Ponzu mit Yuzu (Sojasauce mit Yuzu), Tee mit Yuzu und eben auch Miso mit Yuzu. Alles ist plötzlich mit Yuzu. Da beschleicht einem ein bisschen der Verdacht, es könnte so sein, wie mit dem Olivenöl. So viele Olivenbäume gibt es gar nicht auf der Welt, um den Bestand an verkauftem Olivenöl zu erklären. Japan müsste also übersät sein mit Yuzubäumen (was es nicht ist und die Saison ist kurz), so dominant ist die plötzliche Allgegenwärtigkeit von Yuzu. Das ist durchaus auch in Japan so. Ich habe mir dort bei meinem letzten Besuch den großartigsten Honig mit Yuzu gekauft, den ich mir seitdem mit Hingabe und wohlportioniert über mein morgendliches Porridge gieße.
Wasabi & Kale
Also japanischer Grünkohl sei ja ganz was anderes, als unser Grünkohl erfahre ich. Bei genauerer Beschreibung stellt sich zwar dann raus, dass der japanische Grünkohl doch ziemlich eng mit seinem europäischen Vertreter verwandt ist, doch optisch erinnert er mehr an Schwarz- oder Kehlkraut. Ein Markstammkohl eben. Kombiniert mit Wasabi ist dieser Grünkohl in getrockneter Form sicherlich das derzeit Schickste, was man sich zuhause über seinen Reis streuen kann.
Doch wer jetzt glaubt, dass nur die Japaner mit Gewürzmischungen mit Miso aufwarten können, dem setzt immerhin das Unternehmen Herbaria aus dem bayerischen Fischbachau eine limited Edition seines „Kung Fu Barbecue“ Gewürzes entgegen. Ein erstes Rantasten sei das wohl, denn im Handel und auf der Homepage ist die Mischung aus Misopulver, Sternanis, Lemon Myrthe und weiteren Gewürzen nicht zu finden. Die Rohstoffe seien hochpreisig, erfahre ich, das schlage sich eben auch im Preis nieder. Ich jedenfalls finde diesen Vorstoß super, die Mischung macht Spaß und vielleicht fehlt da auch noch ein bisschen der Mut hier auch mal jenseits von orientalischen und mediterranen Mischungen Kompetenz zu zeigen.
Und sonst so?
Ich habe feines Salzfleisch in der Dose entdeckt, köstliche Olivengewürze aus dem spanischen Navarra – ja ich weiß, ich kann das mit meiner Liebe zu den Gewürzen echt nicht verstecken – und blaue Cornflakes aus Peru. Es gab noch tausend andere Sachen, aber sie schlug mich einfach nieder, diese riesige Welle an Angeboten und Produkten. Sie erfasste mich, trug mich weiter, noch weiter und irgendwo an einem der Stände, in einer der vielen Hallen, spuckte sie mich wieder aus. Diese Messe ist wie das weite Meer. Und vielleicht, weil die Stände der japanischen Hersteller so hübsch überschaubar waren, ist der Teil der Messe an diesem Tag meine rettende Insel.
Vor Jahren gab es im noch nicht so riesigen Biohandel blaue Mais-Chips. Irgendwann nicht mehr – bis heute. Schade.
Aber ich werde jetzt bei den Herbaria-Produkten herumspinxen…