Das Lieblingsobst der Deutschen ist der Apfel. Ganze 23,5 Kilo verputzt jeder von uns durchschnittlich im Jahr. Ich bin nicht der Durchschnitt. Ich bin da weit drüber. Ganz besonders im Herbst, wenn die frischen, knackigen Früchte der neuen Saison auf den Märkten angeboten werden. Dann bin ich im Apfelfieber. Was ich jedoch so gut wie nie tue, ist Apfelsaft trinken. Es gibt viel zu wenig guten Apfelsaft. Naturtrüb und reinsortig sollte der sein. Zum Glück ist das in Norwegen anders. Dort ist man geradezu verrückt nach gutem Apfelsaft und dessen „erwachsenen“ Geschwistern – den Cidern. Cider oder Sider, wie er hier genannt wird, ist ein komplexes Getränk, trocken und aromatisch, das sich perfekt zum Begleiten der nordischen Speisen eignet. Jetzt ist die Saison, wo die Äpfel geerntet und verarbeitet werden. Auf meiner Reise zwischen Kristiansund und Ålesund besuche ich zwei Ciderfarmen und trinke mich quer durch das Angebot. Ich war vorher schon in Cider verliebt. Jetzt bin ich es noch mehr.
Das Klima an den Fjorden
Das Klima an den Fjorden ist perfekt für den Anbau von Äpfel und Birnen. Wegen des Golfstroms wird es nicht zu kalt. Die langen Tage im Sommer lassen die Früchte ganz besonders gut wachsen und nicht zuletzt sind es die Fjorde, die eine wichtige Rolle spielen, denn sie reflektieren einerseits das Licht an die meist steilen Hänge rund um die Fjorde und andererseits tragen sie dazu bei, die Temperatur konstant kühl zu halten. Auch das mögen die Äpfel. Die meisten Betriebe hier setzen keinerlei Herbi-, Pesti- oder Fungizide ein, weswegen es auch sehr beliebt ist, Äpfel direkt in den Hofläden zu kaufen und gleich reinzubeißen.
Tingvoll Sider, Siljes erfolgreicher Cider und Eis-Cider
Mein Herz schlägt für Filippa. Filippa ist ein großer, schwerer Tafelapfel, der herrlich fruchtig, säuerlich und knackig ist. Meine letzten beiden Filippas haben mich bis nach Hause nach München begleitet und wurden dann voller Andacht verzehrt.
Zu dieser Jahreszeit herrscht Hochbetrieb bei Silje Osnes in Tingvoll am Breifjord. Eigentlich hat sie erst vor einigen Jahren mit dem Cider-Machen angefangen, jedoch gleich im ersten Jahr einen Preis dafür bekommen. Es folgten noch weitere Auszeichnungen. Jeden Tag ist sie jetzt bei ihren Äpfeln, misst den Zuckergehalt, um den perfekten Erntezeitpunkt zu bestimmen. Ihre Schätze, die am steilen Hang bis hinunter an das Wasser des Fjords wachsen, heißen Prinsar, Discovery, Signe Thillisch, Filippa und Rosette. Längst sind die Flächen für die Verarbeitung und das Lager zu klein geworden und so musste das Lager kurzerhand in einen Container ausgelagert werden. In den sozialen Medien darf sie ihren Cider nicht präsentieren, denn das norwegische Gesetz verbietet das Werben für alkoholische Getränke. Erfolgreich ist sie trotzdem. Und sie bietet noch etwas ganz Besonderes an: Eis-Cider. Dazu werden die Äpfel gefroren und ganz langsam wieder aufgetaut und gepresst, so dass sich ihr Aroma weiter verdichtet und eine Note von salzigem Karamell bekommt. Dieser Eis-Cider ist ebenso wie ihre Apfelsäfte und ihre verschiedenen Cider beeindruckend komplex und aromatisch. Im Gartenhäuschen darf ich sie alle bei einem Stück hausgemachtem Apfelkuchen probieren. Einziger Nachteil: Es gibt nie genug Platz im Koffer, um alle Sorten mitzunehmen. Die Entscheidung, welche Flasche ich mitnehmen soll, ist die härteste, die ich auf dieser Reise treffen muss.
Tingvoll Sider (mit Hofladen)
Holmeidstranda 380, 6630 Tingvoll, Norwegen
Lingebakken Sider
Und es geht weiter zum nächsten Fjord und zum Hof Lingebakken. Der liegt in Valldal am Storfjord in der Region Indre Sunnmøre. Das Erdbeer-Tal am Fjord. Es gießt in Strömen und verwandelt die Wiesen, wo die großen Apfelbäume stehen, in Matsch. Doch wen juckt das Wetter, das gerade mal entschieden hat, sich von seiner herben Seite zu zeigen und was in einer Stunde schon wieder ganz anders sein kann? Mich jedenfalls nicht, denn es geht darum, den nächsten Cider zu kosten. Aus Gravensteiner, Aroma und Discovery Äpfeln. Bereits seit Generationen wird auf dem Hof von Elida Linge Obst angebaut. Ganz besonders beeindruckt mich zuerst ihr Apfelsaft. Der ist so, wie ich mir Apfelsaft wünsche – dicht, aromatisch und natürlich naturtrüb. Danach ist der „Bakkesider“ dran. Spontan vergoren, ohne jeglichen Zuckerzusatz, aus Aroma, Discovery, Gravenstein und Bramley Äpfeln. Ein Cider, der geradezu perfekt zum nordischen Blauschimmelkäse passt. Mit seinen 5.2 % Alkohol liegt dieser Cider gleichauf mit den gängigen Bieren, macht aber, zumindest mir, ungleich mehr Freude.
Ich nehme Äpfel und Apfelsaft mit (schweren Herzens keine Cider-Flaschen). Auch hier ist alles aus Bio-Anbau.
Lingebakken (mit Hofladen)
Linge 75 (og 76)
6210 Valldal
Eple Most, mit und ohne Alkohol
Richtig guten Apfelmost zu bekommen ist bei uns nicht so ganz einfach, wenn man in der Stadt wohnt. Seit Generationen machen meine Verwandten in Nordrach im Kinzigtal Apfelmost, der zuerst süß und dann mit zunehmender Reife herber und natürlich alkoholischer wird. Das ist quasi der „stille“ Cider. Diesen frischen Most ebenso wie den Gereiften gibt auch hier in Norwegen. Der reife Most ist nicht so verbreitet, denn die meisten trinken lieber den prickelnden Most, also den Cider, und weniger den gereiften Most. Es gibt hier Kreationen mit Rhabarber, Himbeere und Birne oder eben eine breite Palette an reinsortigen Apfelsäften. Die Sorten sind aufgrund ihrer Säure ganz besonders geeignet für Allergiker.
Ein Rezept für kalte Herbstabende: heißer, gewürzter Apfelsaft
750 ml Bio-Apfelsaft
2 Teelöffel Vanillezucker
4 Esslöffel Zuckersirup
Saft von 2 Zitronen
2 Zimtstange
1 Teelöffel gemahlener Kardamom
alles zusammen erhitzen und heiß in Gläser füllen. Wärmt garantiert.
Tingvollost – weltmeisterlicher Blauschimmelkäse
Begonnen hat das mit dem Käse von Kristin und Solvor Waagen im heimischen Badezimmer auf dem Bauernhof. Das war 2003. 13 Jahre später – mittlerweile hat die Käseproduktion eigene Produktionsflächen auf dem Molkereibetrieb von Tingvollost – wird der Käse, der auf den Namen „Kraftkar“ hört, als bester Blauschimmelkäse der Welt ausgezeichnet. Roquefort, Stilton und Co. hinter sich zu lassen ist jedoch auch eine große Verpflichtung. Allein für das optimale Futter der Kühe wurden 10 verschiedene Sorten Gras angebaut. Im Stall herrschen Platzverhältnisse von dessen Großzügigkeit viele Kühe nur träumen können. Im Sommer werden auf dem Hof Konzerte veranstaltet und es gibt eine Terrasse, wo man gemütlich die verschiedenen Käsesorten kosten kann (und sich danach im Hofladen damit eindecken kann). Wer Blauschimmelkäse liebt, muss hierherkommen.
Produktion und Hofladen von Tingvollost
Saghaug Gard, 6629 Torjulvågen, Norwegen
Übernachten am Fjord
Stell dir vor, du wachst auf, während die Sonne über dem Fjord aufgeht. Ringsherum haben die Berggipfel bereits ihren ersten Zuckerguss bekommen. Die Luft ist kristallklar.
Jedes der Zimmer des Valdall Fjordhotells zeigt entweder auf den Fjord oder auf die Berge. Die Zimmer sind gemütlich und mit nordischem Charme eingerichtet, die Küche des Hotels bietet allerfeinste Küche mit Zutaten aus der Region und das Frühstück lässt keine Wünsche offen. Schöner kann aufwachen kaum sein.

gemütliche Zimmer, der Blick am Morgen über den Fjord, Hirschfilet zum Dinner und ausnahmsweise mal keinen Cider sondern lokales Bier
Valldal Fjordhotell
Grandegata 30, N-6210 Valldal
Und noch ein Cider, der es mir angetan hat:
Offenlegung: Die Reise erfolgte auf Einladung von Visit Northwest, Fjord Norway und der Destinasjon Ålesund & Sunnmøre . Cider und Äpfel habe ich selbst und aus Überzeugung gekauft, weil die so gut sind. Die Eindrücke sind wie immer meine eigenen.
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