29. April 2018

Kyoto – Hey, Guide Michelin, wir müssen reden…..

4 Kommentare

Nicht alles ist Gold, was da im Michelinführer so glänzt. Tagesform oder Glück? Unterschiedlicher könnten die Erlebnisse kaum sein….

Bei meinem ersten Besuch in Kyoto habe ich es falsch gemacht. Zuvor hatte mir ein Bekannter die Empfehlung gegeben, ich solle, wenn ich denn mal so richtig gehoben japanisch essen gehen wolle, also so ein Lokal, welches der Guide Michelin ausgezeichnet hatte, mich darauf einstellen, dass ich nicht in jedem Lokal willkommen sei. Manche der Küchenchefs hätten keine Lust auf Langnasen und ich solle es über eine Booking Agentur probieren. Machte ich dann auch und bekam prompt eine Absage. So ist das also, dachte ich, ihr wollt gar nicht, dass wir eure Künste loben, glaubt also, wir seien nicht zugänglich dafür. Ich war zerknirscht. Dieses Mal sollte es anders laufen. Keine Agentur. Ich setze voll auf den Concierge meines, zugegebener Maßen wirklich sehr stilvollen Hotels und habe im Vorfeld bereits eine Vorauswahl getroffen. Die Liste für Kyoto ist lang. Allein 64 Restaurants mit einem Stern, 23 mit zwei Sternen und ganze 8 Restaurants mit drei Sternen. Für letztere war allerdings das Portemonnaie nicht dick genug. Hier ist man schnell in Bereichen um die dreihundert Euro, natürlich ohne Getränke.
Dann also die mit einem Stern. Auch hier muss man, einige Gläser Sake mit eingerechnet, immer noch mit einhundert bis einhundertfünfzig Euro rechnen. Kann man mal machen. Schließlich ist man auch nicht jeden Tag in Kyoto. In dieser wundervollen, prächtigen Stadt. Ich hatte mich schon entschieden und bitte um eine Reservierung am gleichen Abend. Wunschrestaurant Nummer eins ist bereits ausgebucht und man offeriert mir den darauffolgenden Abend. Ich sage zu. Doch weil ich jetzt schon mal ein wenig darauf fixiert bin, will ich unbedingt noch am selben Abend in ein anderes Restaurant mit einem Stern. Wieder telefoniert die reizende Concierge und wieder bekomme ich sofort eine Zusage. Wohlgemerkt, dies ist ein Service des Hauses und keine Agentur. Es geht also auch einfacher (und vor allem ohne jegliche Kosten).

Ein beeindruckender Abend bei Kako Okamoto

Der Taxifahrer kann es nicht gleich finden, doch man wäre nicht in Japan, wenn er nicht sofort ob einer solch misslichen Lage aus dem Wagen gesprungen wäre, um jemanden zu fragen. Eine Minute später haben wir es gefunden.
Das Restaurant ist winzig. Ein Tresen an dem bereits sechs japanische Gäste sitzen und ein freier Platz (ich liebe Primzahlen). Es scheint, als haben alle nur auf mich gewartet. Dann wollen wir doch mal sehen, ob ich das mit dem Essen hier verstehe oder zu blöd dafür bin und lächle freundlich in die Runde. Schnell kapiere ich, dass außer dem Küchenchef hier offensichtlich keiner zu englischer Konversation in der Lage ist. Auch gut, denke ich, dann muss ich auch nichts erzählen und kann mich ganz auf das Essen konzentrieren. Es ist sehr persönlich, so direkt vor dem Küchenchef zu sitzen. Fast hat das ganze einen privaten Charakter. Vier Herren, drei Damen. Die Runde ist komplett. Natürlich reden sie über mich. Ich verstehe es nur nicht, merke es aber trotzdem.
Ob ich erst einmal ein Bier möchte oder gleich mit Sake beginnen will, werde ich gefragt. Kurzer Blick zum Nachbarn, welcher gleich mit Shōchū gestartet ist (es ist ein Phänomen, warum die Japaner, die ja ohnehin weniger vertragen, lieber gleich das Hochprozentige trinken). Ich wähle Sake.
Zum Auftakt gibt es eine cremige Zwiebelsuppe mit Sansho-Pfefferblüten. Sehr fein, nicht sahnig. Dazu einen eher lieblichen Sake.
Gespannt verfolge ich, wie der nächste Gang angerichtet wird und bin entzückt, weißen Spargel zu sehen. Eine Rarität! Zu diesem serviert Küchenchef Okamoto eine Abalone mit Lebercreme, Daikon und eine Eiercreme, die ein klein wenig unserer Hollandaise ähnelt, jedoch keine Butter enthält. Die Kombination ist umwerfend gut. Das mit der Lebercreme passt ganz ausgezeichnet.


Wieder ein neuer Sake, während vor meinen Augen perfekte Nocken aus einer Kräuter-Fischfarce abgestochen und geformt werden. Die Nocken werden gedämpft und zusammen mit frischer Yuba, Sansho Blättern in einer vollmundigen Dashibrühe serviert. Während Okamoto jeden Gang seinen Gästen ausführlich erklärt, bekomme ich immerhin eine kleine aber charmante Übersetzung, während die anderen gespannt meine Reaktion verfolgen. Als klar wird, dass Sansho, Yuba und Dashi für mich keine Fremdwörter sind, nicken sie mir wohlwollend zu. Und reden wieder über mich (das japanische Wort für Deutsch kann ich immerhin erkennen). Gemeinsam loben wir den besonderen „Le Saké érothique“, ein japanisch-französischer Sake, der ganz untypisch mit einem Korken daherkommt.
Es folgt ein hauchdünn geschnittener roher Fisch auf Pinienkernen, Babyschnittlauch und Schnittknoblauch mit Wasabi, der vor meinen Augen auf einer Haifischhaut gerieben wurde. Während die saisonal gerade sehr angesagten dicken Bohnen gegrillt werden, werden gebratene Sardinen mit Sprossenbrokkoli, winzigen Oktopussen und Dashi angerichtet. Ein wunderbarer Gang.
Sollte jetzt jemand sich Gedanken machen, ob es wohl wieder einen anderen Sake dazu gegeben haben könnte – natürlich hat es das. Einen sehr trockenen mit einem beinah salzigen Aroma.


Kurz darauf stellt Okomoto eine große Schale mit Deckel auf den Tresen, hebt diesen leicht an und der ganze Raum wird kurz eingenebelt. Alfonsino Fisch in Kirschblättern gedämpft wird mit rotem Reis und Noriblättern serviert. Die Stimmung ist ausgelassen. Nicht nur ich, sondern auch die anderen sechs Gäste sind begeistert. Ich habe keine Ahnung, was und wieviele Gänge noch folgen, treibe einfach so dahin (mittlerweile prostet mir mein Sitznachbar immer wieder freundlich zu). Pures Umami kommt in Form von fast sülziger Wakame zusammen mit frischen, kurz gedämpften Bambussprossen. Vergesst einfach alles, was ihr glaubt über Bambussprossen zu wissen. Das, was man bei uns zuhause in Dosen bekommt, hat mit diesen hier rein gar nichts zu tun. Ein ganz feines Aroma von frischem Grün, zart und blumig und dabei noch ganz leicht knackig und zart. Ich verliebe mich auf der Stelle in junge Bambussprossen.
Erstaunt bin ich dann allerdings beim nächsten Gang. Der Blick ins Tässchen konstatiert eindeutig Kiemen. Kiemen? Ja genau. Butterweich gekochte Haifischkiemen mit feinen Reisnudeln in einer würzigen Hühnerbrühe. So einfach und so genial.
Zum Abschluss gibt es eingemachte Mispeln mit Brandy und Mandeln. Das war es jetzt, denke ich, es ist vorbei. Nicht ganz. Eine Überraschung gibt es noch. Eigentlich zwei. Zuerst bereitet der große Meister noch frische Mochis zu. Perfekte, wunderbare Mochis mit Kirschblüten und dazu gibt es einen Ingwer Sake. Dann ist es wirklich vorbei. Und weil man hier nicht gemütlich sitzen bleibt, sondern aufsteht und geht, sitze ich kurz darauf schmunzelnd in einem Taxi. Schmunzelnd, weil ich einen der besten Abende überhaupt in Japan hatte.

Kaiseki im Schnelldurchlauf bei Aji Fukushima

Wieder nehme an einem Tresen vor dem Chefkoch Platz, doch dieses Mal bin ich die Einzige. Ein einziger Platz ist auch nur eingedeckt. Ein guter Freund erklärte mir einmal, dass dies in Japan durchaus nicht unüblich ist. Es ist allerdings ein wenig unüblich für mich. Keiner da, der sich mit mir unterhalten kann. Und Chefkoch Fukushima ist hier keine große Hilfe. Überhaupt ist alles anders als am Abend zuvor. Obwohl ich direkt am Tresen sitze, scheint alles schon vorbereitet zu sein. Es werden Schüsselchen herausgezogen und dann wird nur noch angerichtet.

Zuerst bekomme ich einen kalten gegrillten Fisch mit Daikon, Ponzu und Schnittlauch. Sehr aromatisch, aber auch irgendwie spartanisch. Aber vielleicht habe ich es ja noch nicht verstanden. Wieder begegne ich den jungen Bambussprossen, diesmal in Dashibrühe gekocht und wie ein Nigiri Sushi angerichtet. Unendlich schön. Allerdings auch nur ein kleines Häppchen. Roher Thunfish wird mit einer Creme aus Yamswurzel serviert. Diese ist ein zusammenklebender Brei, ohne besonderen Geschmack und ich frage mich, was hier eigentlich den Fisch begleiten soll (immerhin, die Blüte darauf ist hübsch). Der Küchenchef verschwindet immer mal wieder. Ich sitze alleine und starre auf die winzige Portion auf meinem Teller. Nun gut, denke ich, vielleicht kapiere ich ja tatsächlich nicht. An dem darauf folgenden Stückchen (warmen!) Fisch im Soja Saucen Lack ändert das wenig.

Das einzige was mich an diesem Abend wirklich begeistert ist der „Cherry Blossom Shrimp“ – winzige Minishrimps als kleine Kuchen frittiert in Tempurateig. Selten habe ich etwas so Luftiges gegessen. Dann gibt es noch ein bisschen mehr rohen Fisch, etwas Reis und eine Misobrühe. Echt jetzt? Das soll es gewesen sein? Dass es vorbei ist, erkenne ich daran, dass er mir ein Schälchen mit einer Erdbeere und einem Schnitz Orange. Also nur ein paar Früchte als Dessert? Kurz muss ich mich zusammenreißen um nicht zu lachen. Das, war wirklich nicht im Ansatz auch nur einen halben Stern wert. Gekostet hat es allerdings genau das Gleiche wie am Abend zuvor. Nach genau einer Stunde bin ich fertig. Und glaubt mir, ich habe nicht hastig geschlungen. Was auch, denn es waren nur Kleinstportionen auf kleinen Tellerchen, die serviert wurden. Keine Ahnung also, was dem Testesser des Guide Michelin aufgetischt wurde und wofür Aji Fukishima seinen Stern bekommen hat. Für eine Erdbeere und Orange auf Eiswürfeln sicherlich nicht.

Adressen:

Aji Fukushima (1*)

570 Gionmachi-minamigawa, Higashiyama-ku, Kyoto

 

Kako Okamoto (1*)

470-4 Tokiwacho, Umacho Higashi-iru Minamigawa, Higashiyama-ku, Kyoto

4 Kommentare

  1. Liebe Claudia,
    liebend gerne würde ich Japan bereisen -allerdings weniger Tokio (wegen des großstätischen
    Tumultes). Das traditionelle Japan begeistert mich in jeder Form, deshalb Kyoto und Riokan
    Meine Frage: Ist es machbar, durch Japan zu reisen allein mit englischen Sprachkenntnissen?
    Noch eine Frage: Ich lebe in Hamburg und würde gerne einen Kochkurs in der
    japanischen Küche mitmachen: Weißt Du da was?

    Herzlichen Dank und Gruß aus Hamburg
    Manfred Krüger

    Antworten
    • Lieber Manfred,
      grundsätzlich – es ist machbar. Aber in den ländlichen Regionen nicht einfach. Habe es auch mit Google Translator, einem Lächeln und dem japanischen Wort für „Danke“ geschafft.
      Klar ist ein Übersetzer gut, aber bei allem, was Tourismus betrifft, findet sich immer jemand der englisch spricht.
      Was einen Kochkurs in Hamburg angeht, bin ich leider nicht gut informiert, aber frage einfach im Koch Kontor. Die können dir bestimmt weiterhelfen.

      herzliche Grüße
      Claudia

      Antworten
  2. Liebe Claudia,
    nachdem ich meine Reise nach Japan im März aufgrund einer unvorhergesehenen OP verschieben musste, habe ich deinen Bericht sehr gerne gelesen. Auch ich wäre alleine gereist, hatte schon Besuche in zwei Sternetempeln jeweils in Tokyo und Kyoto geplant. Da ich bei Trois Etoiles (Julien Walther) einiges über seinen Sterne-Trip nach Japan gelesen hatte, erfuhr ich, dass man in Japan nicht so ohne weiteres eine Reservierung in einem besternten Restaurant erhält.
    Hier ist dann der Tipp, übers Hotel zu reservieren, Gold wert. An anderer Stelle hatte ich herausgefunden, dass die Japaner mit uns Langnasen die Erfahrung gemacht haben, dass viele offenbar dort einfach nicht erscheinen. Und die Reservierung nicht canceln.
    Deshalb akzeptiert man überwiegend nur Reservierungen, die übers Hotel erfolgen, weil dort die Kreditkarte hinterlegt ist und im Falle einer No-Show belastet werden kann.

    Deine erste Erfahrung war klasse und sehr schön beschrieben. Ich glaube, ich hätte es ein wenig befremdlich gefunden, auf so engem Raum mit 6 Japanern zu speisen, ohne sich auszutauschen. Aber weil man sich im Vorfeld informiert, weiß man im Prinzip, dass einen genau das erwarten kann. Immerhin ist einer der Japaner ein wenig aufgetaut und prostete dir gelegentlich zu.
    Deine zweite Erfahrung in dem anderen Sterne-Restaurant ist deswegen bedauerlich, weil alles schon vorbereitet war und du somit nicht in den Genuss gekommen bist, die Handgriffe, Schnitttechniken usw. zu sehen, die uns Köche ja im besonderen interessieren. Dort ganz allein zu speisen würde ich gar nicht mal schlimm finden, wenn der Koch kommunikativ ist. Doch auch hier macht man dann die vielbeschriebene Erfahrung, dass viele Japaner (die älteren) entweder kein Englisch sprechen, oder sich einfach nicht trauen (die jüngeren).

    Dennoch sind dies alles Erfahrungen, die zu einem Trip dieser Art dazugehören. Auch die Erfahrung, dass nicht durchweg alle Gänge eines Menus stimmig erscheinen oder wohlschmeckend sind. Besuche ich ein Sterne-Restaurant in D und wähle ein 9Gang-Menu, sind auch immer wieder Gänge dabei, die entweder meinen Gaumen nicht reizen, oder ich mich frage, warum jetzt dieser Gang gesetzt wurde.

    Musstest du dich in den Restaurants erklären, weshalb du Pics machst?

    Liebe Grüße – deine FB Freundin Christina S.

    Antworten
    • Liebe Christina,
      Ich bin im Nachhinein froh über beide Erlebnisse (auch wenn mich die Erdbeere und die Orange immer noch fassungslos machen). Ganz ehrlich, ich habe nicht einen Moment gefremdelt, als ich in das erste Restaurant kam. Ich denke immer, dass Menschen, die was Gutes essen wollen, mir wohlgesonnen sind. Und so ein japanischer „Klangteppich“, dem man nicht folgen kann, hat auch was angenehmes.
      Ich hatte bei der Reservierung explizit darum gebeten nachzufragen ob fotografieren ok ist.
      Liebe Grüße
      Claudia

      Und PS: ich hoffe, die Reise ist nur verschoben. Alles Gute für dich.

      Antworten

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