„Ich suche diesen einen perfekten Olivenbaum. Dahinter Felsen und das vorzugsweise im Licht der untergehenden Sonne“. Meine Mitreisenden rollen die Augen. Seit zwei Tagen bin ich auf der Suche nach dem perfekten Olivenbaum. Ich folge einsamen Pfaden in abgelegen Olivenhainen, erschrecke, weil plötzlich eine riesige Heuschrecke vor meinem Gesicht vorbeifliegt und bin immer noch nicht zufrieden. Und das, wo der Eindruck entstehen könnte, dass Kreta ein einziger Wald aus Olivenbäumen ist. Wen wundert es da, dass Kretas Olivenöl ein Exportschlager ist. Doch genauso wenig wie ich mich mit dem Olivenbaum zufrieden gebe in dessen Hintergrund ein Strommast zu sehen ist, will ich nicht das erstbeste Olivenöl der Insel entdecken, sondern ich will das beste. „Fahr zu Vassilaki“, meint Maria. Maria ist von der Insel und sie arbeitet für die Tourismusbehörde der Region Lassithi. Also rufe ich bei Vassilakis Estate an und frage nach, ob ich bei einer Tour dabei sein kann. Die bieten sie dort kostenfrei an, doch über das Internet kann ich für Ende April nichts mehr buchen. „Aber sicher!“ meint Eirini Vassilaki und fragt mich auch gleich, ob ich noch Lust auf eine Weinprobe hätte. Meine Reisebegleiterinnen nicken. Abgemacht. Wir fahren zu einem Olivenölproduzenten.
Olivenölproduktion damals und heute
Weiß ich überhaupt, wie man Olivenöl herstellt? Irgendwie, aber nicht genau. Man sammelt die Oliven und presst sie, doch dann hört es auch schon auf mit dem Wissen. Hier auf Vassilakis Estate stehen noch die alten Mühlen, die man anfangs einsetzte. Heute, in der 5. Generation (gegründet wurde das Unternehmen 1865), sind diese aufwendigen Pressen durch moderne Maschinen ersetzt. Aufwändig ist es aber immer noch, wenn auch deutlicher weniger als vor hundert Jahren. Damals zermahlte man die Oliven mitsamt den Kernen zu einem Brei, der dann mehrfach durch Ziegenhaarfilter gepresst wurde. So lange bis man Öl hatte. November bis Februar wird auf Kreta geerntet und nach etwa 7 – 8 Jahren Wachstum, liefert ein Olivenbaum bis zu 60 kg Früchte. Auf Kreta dominieren die kleinen Sorten Koroneiki und Tsounati. Aus diesen 60 kg Oliven erzeugt man ungefähr 10 – 12 Liter Olivenöl.
Ob ich wisse, welches die Feinde des Olivenöls sind, werde ich gefragt. Sauerstoff, klar. Und dass man es nicht zum Braten nehmen sollte. Da schüttelt unser Guide den Kopf. Extra natives Olivenöl kann man bis 200° C erhitzen. Licht sei eher ein Problem. Was jedoch für so ziemlich jedes Öl gilt.
Im Keller stehen riesige Tanks mit Olivenöl und wenn ich riesig schreibe, dann meine ich auch riesig. So ein Tank ist locker 10 Meter hoch und fasst 100.000 Liter. Vorzugsweise ist der erste Tank meistens leer, denn unwillkürlich will man dieses Monstrum berühren. Das wolle man vermeiden während der Führungen, denn das Öl soll ja perfekt sein.
Dass der Erfolg Vassilakis recht gibt, sieht man an den vielen Auszeichnungen.
Olivenöltasting
Olivenöl wird in meist blauen Gläsern getestet, denn am allerwenigsten entscheidet die Farbe über die Qualität. Einzig der Geschmack ist das, was zählt. Und wie beim Wein beginnt es mit leicht und floral bis hin zu opulent, vielschichtig und würzig. Frisches Olivenöl ist wie ein Parfum. Es gibt diese Kopfnote, der erste Eindruck, dann die Herznote, die sich entfaltet, wenn man das Öl im Mund ein bisschen von einer Seite auf die andere rollt, und dann noch die Basis, die bleibt, während man das Öl längst runtergeschluckt hat. Wir probieren die verschiedenen Öle mit grünen Äpfeln, mit Käse und mit Brot. Ich habe da längst meinen Favoriten erkoren. Am liebsten würde ich dieses Öl sofort über eine aromatische Tomate gießen und die Welt um mich herum vergessen.
Kretas Boutiqueweine
Griechischer Wein – da können wir doch ein bisschen mitsingen oder? Sofort fällt einem der harzige Retsina ein. Ein meist nicht besonders rühmenswertes Tröpfchen. Dann wird es schon dünner. Doch Katianna Klontza hat eine Mission. Die studierte Sommelière aus Kreta arbeitete in verschiedenen Top-Restaurants in London, unter anderem bei Gordon Ramsay, bis es sie zurück in die Heimat zog. Und nun brennt sie dafür, die Weine von kleinen Weingütern, die sie persönlich auswählt und deren Weine meist ausschließlich aus autochthonen Trauben sind (also Trauben, die es nur hier auf der Insel gibt), um sie bekannt zu machen. Fünf Weine stehen für die Verkostung bereit, im Regal sind noch ein paar mehr zu finden. Leidenschaftlich beschreibt sie, was diese von ihr ausgesuchten Weine besonders macht. Und ihre Wahl trifft genau meinen Geschmack. Ganz besonders der Vidiano besticht durch seine Wucht an Aromen wie Banane, Melone und Birne und hat eine feine Säure. Wir lächeln glücklich als wir den halbtrockenen Rosé der Louloulis Winery probieren. Davon müssen wir uns unbedingt auch was für den letzten Abend mitnehmen. Großartiger Stoff ist das. Das tolle an dieser Weinprobe ist, dass es hier nicht nur um das Erleben komplett neuer Weine geht, sondern auch wie die Weine in Kombination mit verschiedenen Speisen interagieren. Die Lammwurst ist ein Hammer zu dem rotem Kotsifali – Mandilaria. Und cremiger Manouri Käse mit Walnüssen passt sagenhaft gut zu dem Vidiano. Ich bin begeistert. Zwar weiß ich schon seit einigen Jahren, dass es in Griechenland auch richtig geilen Wein gibt, aber dass es auf Kreta doch gleich mehrere davon gibt, war mir neu.
Zum Abschluss gibt es noch einen Malvasia 2015 aus Rosinen von Alexakis. Kalt und wunderschön ausbalanciert zwischen Süße und Säure. Ein Dessertwein, der sich nicht aufdrängt, sondern ganz elegant angeschlichen kommt. Ich stecke das letzte Stück Käse mit Honig in den Mund und spüle es mit dem letzten Schluck im Glas runter. Ein Erlebnis.
Wo findet man Vassilakis Estate?
Vassilakis Estate liegt inmitten von Olivenhaien zwischen Agios Nikolaos und Heraklion. Das Familienunternehmen bietet von April bis Oktober kostenlose Führungen an. Die Weinprobe ist noch ganz neu und wer das erleben will, sollte sich besser vor einem Besuch telefonisch oder per Mail mit ihnen in Verbindung setzen.
Ein großer Shop bietet sowohl verschiedene Olivenöle wie auch Wein und Kosmetik an. Für alle, die wie ich immer mit dem Koffergewicht zu kämpfen haben, bieten sie auch internationalen Versand an.
Unbedingt auch den Limoncello aus Raki probieren.
Vassilakis Estate
Gerania, Neapoli, Lasithi, Crete, 72400 Greece
+30 28410-33653, +30 28410-31875
info@vassilakisestate.gr
Die Weine und Weingüter (Auswahl)
Idaia Winery
https://www.idaiawine.gr/
Armagiotakis Winery
https://www.amargiotakis.gr/en/products/thrapsathiri-9
Louloudis Winery
https://www.winesofcrete.gr/en/wineries/louloudis-winery/
Alexakis Wines
https://alexakiswines.com/en/wines
Gavalas Wines
www.gavalascretewines.gr
Und ja, ich habe auch noch den perfekten Olivenbaum gefunden. Bei Sonnenuntergang vor einer tiefen Schlucht eines Berges. Großes Aufatmen um mich herum. Ich bin endlich zufrieden.
die Führung war letzte Woche ganz toll bei euch
Das gebe ich gern so weiter.
Viele Grüße
Claudia