Wer beim Kochen mit einer gewissen Übung und einer damit einhergehenden Versiertheit agiert, den kann so leicht nichts erschüttern. Dachte ich. Seit Tagen spukten die kleinen Kalbsrouladen bereits in meinem Kopf herum. Ich wusste genau, bei welchem Metzger ich das Fleisch kaufen wollte (Hermannsdorfer), wo auf dem Viktualienmarkt ich meine getrockneten Steinpilze bekommen würde und innerlich habe ich mich damit abgefunden, dass mein Markthändler mir vermutlich die dünnen grünen Spargel als besondere Delikatesse verkaufen wird, weil die eh keiner will, wegen dem fummeligen Schälen. Dass ich ausgerechnet an einem Basic scheitern sollte, schien unbegreiflich. Ich hatte kein Tomatenmark für die Sauce. Tomatenmark ist eine der Zutaten, die nie, nie, niemals bei mir fehlen und somit konnte es nur ein Beweis für ein Paralleluniversum sein, welches soeben die italienische Küche entdeckt hat. Anders ist es nicht zu erklären, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich mindestens zwei halb ausgedrückte Tuben Tomatenmark in meinem Kühlschrank finden könnte, ist eindeutig größer, als dass es überhaupt keine gibt. Das war also schon mal kein guter Start.
Ich war gezwungen zu improvisieren. Doch womit ersetzt man Tomatenmark. Ganz sicher nicht mit einer Dose Tomaten, die man drei Stunden einkochen lässt (obwohl..?). Die Rettung stand im Gewürzregal und nennt sich „Tomatenflocken“. Bisher hatte ich nie die Gelegenheit, mich mit den Flocken aus Tomaten auseinanderzusetzen, waren auch Bio und außer Tomaten nichts anderes drin enthalten, doch jetzt erschienen sie mir wie ein Geschenk des Himmels. Und um noch ein wenig mehr Umami reinzubekommen – Tomatenmark hat unglaublich viel Umami, also natürliches Glutamat – vermischte ich diese Tomatenflocken mit ein wenig Miso und heißem Wasser, gerade so viel, dass es die Konsistenz von Tomatenmark bekam.
Einfallsreichtum ist eine wichtige Gabe in der Küche. Dahinter verbirgt sich natürlich in meinem Fall auch eine unerschrockene Haltung, wenn es um das Kaufen von allerlei Gewürzen geht. Ich bin in einem Gewürzladen wie ein Kind im Bonbonladen, ich will am liebsten alles.
Und ich liebe mürbes Fleisch. Bei mir müssen Rouladen fast schon mit der Gabel zu teilen sein, dann sind sie genau richtig. Meine Mutter macht sowieso die weltbesten Rouladen, die gab es an Ostern, und weil ich da wieder auf den Geschmack gekommen bin, gibt es eben eine Woche später eine italienische Variante. Da darf man dann auch „Involtini“ dazu sagen.
Für Vier
20 g getrocknete Steinpilze
300 g grüner Spargel, möglichst feine Stangen
4 Scheiben Kalbsfleisch aus der Ober- oder Unterschale (etwa 500g insgesamt)
2 EL Dijon Senf
4 große Scheiben luftgetrockneter Schinken (Serrano oder Parmaschinken, nicht zu dünn geschnitten)
4 Schalotten
2 EL neutrales Pflanzenöl zum Anbraten
1 EL Tomatenmark
200 ml Roséwein
300 ml Kalbsfond (aus dem Glas)
1 EL Speisestärke
40 – 50 ml Portwein oder süßen Sherry
1 EL eiskalte Butter in Stückchen
Salz
frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Die Steinpilze etwa 15 Minuten in ein wenig (ca. 100 ml) lauwarmen Wasser einweichen.
Den Spargel waschen und im unteren Drittel schälen.
Das Fleisch, wenn es noch nicht geklopft wurde (ein netter Metzger macht das) zwischen zwei Lagen Klarsichtfolie dünn klopfen. Mit einer Prise Salz und etwas Pfeffer bestreuen und mit je einem halben Esslöffel Senf bestreichen. Mit den Schinken belegen, etwa 2– 3 quer halbierten Stangen Spargel darauflegen (die Länge sollte der Rouladenbreite entsprechen, nur die Spitzen sollten herausschauen) und aufrollen. Mit Küchengarn oder Spießen fixieren.
Die Schalotten schälen und fein würfeln. Das Öl in einem gusseisernen Topf oder einer hohen Pfanne erhitzen und die Rouladen ringsherum anbraten, dann wieder aus der Pfanne nehmen. Die Schalottenwürfel hineingeben und anbräunen. Das Tomatenmark dazugeben, umrühren und mit etwas von dem Wein ablöschen. Einkochen lassen und wiederholen bis die Sauce eine braune Farbe bekommen hat und der Wein aufgebraucht ist.
Kalbsfond dazugeben und aufkochen lassen.
Die Rouladen wieder in dem Topf hineinlegen und die Steinpilze mitsamt dem Einweichwasser dazugeben. Zugedeckt bei schwacher Hitze etwa 45 – 50 Minuten köcheln lassen.
Die fertigen Rouladen aus der Sauce nehmen und warmstellen. Die Sauce durch ein Sieb gießen.
Die Speisestärke mit dem Portwein glattrühren und zur Sauce geben. Kurz aufkochen lassen. Gut Rühren. Zuletzt die eiskalten Butterstückchen unterrühren, aber nicht mehr kochen lassen.
Mit gebratenem grünem Spargel und, je nach Laune, Bandnudeln servieren.
Und unbedingt den restlichen Roséwein dazu trinken (also besser keine billige Plörre kaufen)
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