15. Juni 2019

Jerusalem – Spiritualität im Schmelztiegel der Kulturen und eine Küche zum Schwärmen

2 Kommentare

Es ist eine Sache, über die lebhafte Jaffa Road zu schlendern und auf den nicht weit davon entfernten Markt zu gehen, und es ist eine andere über die Via Dolorosa durch die schmalen Gassen der Altstadt zur Klagemauer laufen und zusammen mit all den Menschen vor dieser Steinwand zu stehen und von der anderen Seite den Muezzin zum Gebet rufen zu hören. Alles liegt in Jerusalem so eng beieinander, dass es manchmal nicht so einfach ist, die Gefühle und Gedanken, die diese Stadt auslöst, einzuordnen. Die Luft hier flirrt und vor allem ist Jerusalem überwältigend. Als könne man die vielen Schichten dieser Stadt spüren. Wer hier lebt liebt diese Stadt, in jedem Restaurant ist es laut, die Musik übertönt jedes Gespräch, ganz so, als wolle man für den Moment alles andere ausschließen, schließlich sind wir hier in Jerusalem, was keine gewöhnliche Stadt ist, denn diese Stadt kennt ihre Konflikte und Spannungen, diese Lautstärke ist gewöhnungsbedürftig, man muss sie aushalten können, denn es gibt auch Fluchten, wo einem eine wunderbare Stille umgibt. Wenn man im Garten des Museums vor den eisernen Bäumen Ai Weiweis steht oder, wenn man auf der Terrasse der Montefiore Windmühle sitzt, ein Glas kühlen Rosé von den Golanhöhen trinkt und es einem beinahe fröstelt, wenn man den Geschichten von der verfluchten Erde lauscht, die man von diesem Platz aus sehen kann.

Ich habe jüdisch, armenisch, georgisch und arabisch gegessen. Alles in einem Umkreis von vielleicht einem bis zwei Kilometern. Ein armenischer Musiker spielte auf seiner Laute, während frisches Fladenbrot mit einer Paste aus Hackfleisch bestrichen und mit eingelegten Gemüsen belegt und herumgereicht wurde. Ich habe grandiose Khachapuri zusammen mit dem besten Möhrensalat gegessen. Es gab die luftigsten und fluffigsten Filoteigtäschchen, den samtigsten Hummus, Kebab mit Lammleber, eine traditionelle Challa und so viele Mezze, dass ich wünschte, ich hätte viel mehr Zeit und Hunger dafür gehabt. Denn eines ist gänzlich unmöglich hier und das ist nicht satt zu werden. „Iss doch noch was!“ – eine Aufforderung, die man hier ständig hört..

Der Morgen beginnt mit Za’atar, Shakshuka und Zitronenlimonade

Die Limonade aus frischen Zitronen und Minze gibt es überall. Bereits neben dem Frühstücksbuffet steht eine große Karaffe, die immer wieder aufgefüllt wird. Viel Trinken ist Pflicht, denn es ist heiß um diese Zeit. Tagsüber klettert das Thermometer gerne mal in Richtung der 35 Grad und ich will ehrlich gesagt nicht wissen, wie es im August hier ist. Da bringt so ein Tässchen Kaffee nicht viel. Das erste, was ich hier probiert habe war ein frisch gerösteter Fladen, der mit Olivenöl und Za’atar, jener Gewürzmischung aus wildem Thymian, Sesam und Salz, bestrichen war und ich wollte für den Rest meines Aufenthalts in Jerusalem nichts anderes mehr zum Frühstück. Das und Shakshuka. Ich gehöre bestimmt zu den wenigen Menschen, die nicht schon vor ihrer Reise nach Israel der Shakshuka gänzlich verfallen waren. Irgendwie konnte ich mir nie so richtig vorstellen, dass Tomaten, Eier, Kreuzkümmel und Zwiebel zu so etwas Himmlischem verschmelzen können. Ich wurde bekehrt. Sicher, es gab auch Törtchen, Kuchen, Brot und was sonst noch zu einem guten Frühstück so gehört, doch das interessierte mich fortan nicht mehr. Ich hatte meine knusprigen Fladen und mein Shakshuka.

eine Shakshuka zur Abwechslung mal mit Linsen

Hummus, ein Möhrenkuchen, den man mit Gürkchen zusammen isst, feines Dattelgebäck und Halva

eine der wunderbaren Gastgeberinnen auf einer Foodtour durch die Altstadt

Der Mahane Yehuda Markt – das kulinarische Herz der Stadt

Es ist der größte Markt Israels. Täglich besuchen ihn bis zu 200.000 Menschen. Dieser Markt ist eine bunte Mischung aus Restaurants und klassischen Marktständen. Nachts verwandelt er sich in eine Partymeile. Überall dort wo tagsüber die mit Graffiti verzierten Rollläden geschlossen sind, öffnet am Abend ein Pub. Es gibt unzählige Restaurants rund um den Markt. Traditionelle, wo koshere Küche serviert wird und Cafés, wo sich alte Männer zu Brettspielen treffen, ebenso wie hippe Läden, wo man spannende vegane Küche entdecken kann. Auch wenn in Israel die meisten Veganer in Tel Aviv leben, ist auch hier dieser Trend nicht mehr wegzudenken. Gemessen an der Einwohnerzahl, hat Israel den weltweit höchsten Anteil an Veganern und Vegetariern. Nur Indien hat mehr, aber dort leben auch weitaus mehr Menschen. Das ging so weit, dass selbst eines der bekanntesten Kebab Restaurants seit einiger Zeit nun auch Kebab mit Tofu anbietet.
Auf dem Markt befindet sich auch eine Sesammühle, wo man verschiedene Sorten Tahini, die allgegenwärtige Sesampaste, kaufen kann, da ist sie teurer und wer einen Insider fragt, der erfährt, dass hauptsächlich die Touristen hier kaufen. Das beste Tahini gibt es ein paar Ecken weiter zwischen den Gemüseständen. Ein Riesenpott kostet hier gerade mal 20 Schekel, was ungefähr 5 Euro entspricht. Genau den will ich nach Hause schleppen. Im Koffer ist noch Platz. Dazu kommen noch verschiedene Gewürzmischungen für Reis und Couscous, getrocknete Limetten und natürlich Za’atar. Kleine Holzmodeln für süße Kuchen müssen auch noch sein. Ob ich je kleine Dattelkuchen damit machen werde, kann ich noch nicht sagen, aber wenn, dann bin ich jetzt vorbereitet.

frische Kräuter und ein Lächeln

die Melonen hier sind sehr süß.

auf dem Mahane Yehuda Markt, wo man überall etwas zum Essen bekommt

und natürlich Za’atar und Rosenblüten

Jetzt gibt es überall Kirschen. Das meiste, was verkauft wird, stammt aus dem Land

würzige Rindfleischwürstchen

Alles damit Reis nie wieder langweilig ist

Mit Insidern unterwegs sein

Um alles auf diesem riesigen Markt und in den Gassen drumherum zu entdecken ist es sinnvoll, sich einer geführten Tour anzuschließen. Es hilft, wenn man einen Überblick bekommen will. Das gilt ebenso für eine Food-Tour durch die Altstadt, wo man die Gelegenheit bekommt, in privaten Haushalten typische Speisen zu probieren. Im Hause eines Rabbis durfte ich eine ganz außergewöhnliche Version der Shakshuka mit Linsen probieren. Und auch wenn es vielleicht zu heiß oder zu früh am Tag und darüber hinaus nicht lange genug nach dem Frühstück war – ich konnte nicht widerstehen. Ein bisschen wenigsten. Kosten, damit der Geschmack in der Erinnerung bleibt.

Khachapuri aus Georgien. Frisch gebacken und mit Käse gefüllt. Die Möhren daneben sehen unscheinbar aus, sind aber der Knaller

bestes Backwerk aus der Teller Bakery

bunte, fröhliche Cafés an jeder Ecke

eine der vielen schönen Gassen unweit der Jaffa Road

Meine kulinarischen Highlights (neben Shashuka & Co.)

Zough – die jemenitische Paste mit Koriander ist scharf, würzig und einfach genial mit frischem Brot oder Hummus
Khachapuri und Icharuli – mit Käse oder Ei gefüllte georgische Fladen
Süße Gurken – eine besondere Gurkenart, die man auf dem Markt bekommt. Sie ist heller und recht klein und schmeckt unglaublich süß
Halva – das süße Sesamzeug macht süchtig
die süß-würzigen Streusel mit Mandeln, Mark vom Markknochen, Salz und Zucker, die im DKL3 serviert werden (schmilzt im Mund)

sehr süß schmeckende Gurken. Kann man einfach so wegknabbern

„Und hast du dich sicher gefühlt?“

Diese Frage wurde mir mehr als einmal gestellt, seit ich wieder hier bin. Ja, zu jedem Zeitpunkt habe ich mich sicher gefühlt. Das liegt jedoch nicht daran, dass es hier völlig normal ist, dass ein junger Mann mit Kippa und einem Maschinengewehr neben einem in der Straßenbahn steht oder dass die Polizeipräsenz nicht zu übersehen ist, wenn die „Pride“ Parade der LBGT Szene durch die Straßen zieht (dann steht auch ein Helikopter in der Luft). Ich habe an den heiligen Stätten die Ehrfurcht gespürt aber niemals auch nur im Ansatz ein Gefühl der Unsicherheit.

cooles Interieur im DKL 3

kulinarische Adressen

Machneyuda
zwei Hauben beim Gault Milleau (Michelin ist hier nicht vertreten), gehobene Brasserieküche mediterran – orientalische Küche. Unbedingt vorher fragen, ob Live Musik gespielt wird, dann wird es nämlich sehr laut.
Beit Ya’akov Street 10
94323 Jerusalem
www.machneyuda.co.il

DKL3
die kleine Schwester des Machneyuda war bis vor 6 Monaten eine Bar bietet jetzt auch besondere Gerichte an. Grandios ist das gebackene Kalbshirn mit Gewürz-Espuma und Demi Glace. Schöne Weine. Auf Facebook heißt es immer noch, dies sei ein Privatclub, ist es aber nicht.
Ha-Dekel St 3, Jerusalem, Israel
Telefon: +972 2-533-3442

Azura
Koshere Küche. Großartig ist der Eintopf mit Okra.
Ha-Eshkol St 4
91000 Jerusalem

Teller Bakery – tolle Brote und Gebäck. Und wer unbedingt mal Zimtschnecken braucht, hier gibt es sie.
Agripas St 74, Jerusalem

Hachapuria – beste Khachapuri, gleich neben dem Markt, der Besitzer war früher Elektriker, bis er seine Liebe zum Kochen entdeckte.
Ha-Shikma St 5, Jerusalem

Food Tours:

bitemojo – mit dieser App kann man selbst seinen Weg bestimmen. Man gibt ein, was man probieren möchte und schon geht es los.
bitemojo.com

Urban Adventures – hier kann man sich auch seinen ganz privaten Guide buchen, der einem durch die Old City führt.
www.urbanadventures.com/food

Und im nächsten Beitrag geht es in die Hügel von Ein Kerem, ins Museum und weiter durch die Gassen der Altstadt, es gibt auch wieder was zu essen.

ein beliebtes Motiv

Wein von den Golanhöhen

Offenlegung: Zu dieser Reise wurde ich von der Jerusalem Development Authority, kurz ItravelJerusalem, im Rahmen einer internationalen Blogger Summit eingeladen. Es war aufregend 40 Blogger aus 6 Nationen kennenzulernen. Danke für diese Erfahrung.

2 Kommentare

  1. Oh, wie lecker sich das liest! Da kommen direkt wieder die Erinnerungen zurück… jetzt hab‘ ich Shakshuka-Jieper! Bin so gespannt auf den Rest, es liest sich einfach so schön. <3
    Liebe Grüße aus Berlin!

    Antworten
    • Liebe Tatiana, ich wette jetzt mal, dass die Chance Shakshuka zu bekommen, in Berlin größer ist als in München.
      Es war so toll, dass du auf der Reise mit dabei warst.
      Liebe Grüße nach Berlin
      Claudia

      Antworten

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