Wenn 100 Kamerun Schafe plötzlich nervös werden, dann hat das in erster Linie mit einem gelben Eimer zu tun. Gerhard Bönsch muss ihn nur in die Hand nehmen und der Stall gerät in helle Aufruhr. Es wird gedrängelt und geschoben – und natürlich geblökt was das Zeug hält – denn was der gelbe Eimer verspricht, ist die Lieblingsspeise schlechthin. Hafer. Damit könnte die Herde den ganzen Tag bespaßt werden – von Hafer können seine eher kleinwüchsigen Kamerunschafe nie genug bekommen.
Keine zwei Minuten dauert es nach meiner Ankunft auf dem Schafhof „Paradieswinkel“ bis sich die komplette Herde bestehend aus etwa 80 Mutterschafen, ihrem Nachwuchs und dem Bock Hansi in dem 600 m² großen Stall zur Fütterung versammelt hat.
Ich bin hier, weil ich nicht nur die Schafe kennenlernen will, sondern auch ihren Züchter und seinen Hof. Ein paar Wochen davor hatte eine Freundin mich mit einem Lammbraten vom Kamerunschaf begeistert, der so allerfeinst war, ein herrlich würziges und zartes Fleisch, dass meine Neugier geweckt war. Noch dazu, wo der Hof nur ein paar Autominuten von ihr entfernt, ganz in der Nähe des Wörthsees in Hechendorf liegt. Ein paar Emails und ein Telefonat und die Einladung, den Hof von Gerhard Bönsch kennenzulernen ist perfekt.
Vor 5 Jahren hatte er mit der Zucht seiner Tiere angefangen. Warum ausgerechnet diese Schafe, will ich wissen. Weil sie der Mercedes unter dem Lammfleisch sind. Nicht mehr und nicht weniger. Würziges Fleisch, das ein wenig an Wild erinnert, jedoch ohne die dafür typischen manchmal strengen Aromen. Und weil er alles richtig machen wollte. Ein vorbildlicher großer heller Stall, das Dach ist vollgepackt mit Photovoltaik. Das produziert auch mehr Strom als für die genaue Temperierung des Frischwassers notwendig ist. Bönsch achtet genau darauf, dass es die 18° niemals übersteigt. Ein Schaf würde das sonst gar nicht mehr trinken, meint er und schimpft, wenn er sieht, dass Tieren auf der Weide ein Bottich mit abgestandenem, warmem Wasser hingestellt wird. So etwas kommt für ihn nicht in Frage. Genauso wenig wie das Überfüttern. „Fressen würden die es schon, wenn ich denen die doppelte Portion gäbe, aber gut ist das nicht für sie“, er hat sich damit auseinandergesetzt, wie die Darmflora der Tiere aufgebaut ist. Die ist sensibel und eine Futterumstellung bedeutet Leid für die Tiere. Leiden soll bei ihm keines seiner Schafe. Auch wenn sich der Preis für die 8 Tonnen Hafer, die er für sie jährlich braucht, in den letzten Jahren mehr als verdreifacht hat. Dann ist das eben so. Seine Schafe liegen ihm am Herzen. Sie brauchen keine Medikamente. Sind werden nicht krank solange mit dem Darm alles in Ordnung ist. Klingt vertraut? Sicher – bei uns Menschen ist das exakt genauso. Wir neigen nur oft genug dazu zu ignorieren, was unser Darm uns erzählt.
Täglich verbringt Bönsch mehrere Stunden mit seiner Herde. Und das, obwohl dies eigentlich nur sein „Nebenjob“ ist. Von der Zucht und dem Verkauf seiner Tiere könnte er nicht leben, doch das will er auch gar nicht. Er will es richtig machen. Auch dann, wenn es ans Schlachten der Tiere geht. Da fährt er dann auch mit seinen Lämmern nicht zu irgendeinem Hof sondern zu einem, den er mit Bedacht ausgewählt hat. Auch wenn die Schlachtung mit 60 Euro pro Tier fast dreimal so hoch ist, wie bei anderen Schlachthöfen. Wer seine Tier streichelt und liebt, der will auch eine völlig stressfreie Schlachtung für sie. Einzeltermin. Alles ohne den PH Wert zu erhöhen.
Überhaupt ist das mit dem Streicheln ganz wichtig. Stundenlang hält ein Mutterschaf mir seinen Kopf hin, den ich immer wieder streicheln soll. Wenn es besonders schön ist, wedelt der kurze Schwanz aufgeregt hin und her. Er hat festgestellt dass Schafe, deren Mütter viel gestreichelt wurden ausgesprochen streichelfreudige Lämmer auf die Welt bringen. Die sind dann besonders zutraulich. Und mal ehrlich – gibt es etwas Schöneres als gestreichelt zu werden?
Dann habe ich auch schon eines der Kleinen auf dem Arm. Eine Woche ist es alt. Völlig entspannt bleibt es in meiner Armbeuge liegen, legt seinen Kopf auf meine Schulter.
Ich höre sie jetzt genau die Fragen, warum man so etwas Liebes, Herziges denn überhaupt essen kann. Weil es dafür geboren wurde. Weil es im Gegensatz zu vielen anderen Lämmern so lange Muttermilch trinken darf wie es will. Weil es herumtollen darf. Weil es ordentliches Fleisch ist. Eines, bei dessen Verzehr man sich nicht schämen muss. Die weiblichen Lämmer werden mit einem Jahr geschlachtet, die männlichen mit 9 Monaten (danach beginnen sie zu „hammeln). Hier gibt es also keinen Schafkäse. Hier bekommen die Lämmer die Milch. Wenn es den Muttertieren gut geht, so bekommen sie Zwillinge. Bönsch hat viele Zwillinge in seiner Herde. Fast 80%. Und anders als die bekannten weißen Schafe, werden die Kamerunschafe meist zweimal im Jahr trächtig. Dafür sorgt Hansi. Der prämierte Bock. Problemlos kann er all seine 80 Mutterschafe decken. Superbock eben.
Um sich den Traum der ordentlichen Schafzucht zu erfüllen, musste Gerhard Bönsch 700 Stunden lang die Ausbildung zum Landwirt absolvieren. Erst dann konnte er loslegen. Konsequent machte er aus seinem Stall den Modernsten in Bayern.
Wer ihn dann aber spontan nach einer Lammkeule fragt, der hat allerdings selten Glück. Die Wartezeit für das beliebte Fleisch ist lang. Und Zwischenlager sind nicht sein Ding. Da muss man schon mal ein paar Monate auf sein Fleisch warten. Verkauft wird nur ab ¼ Lamm. Darunter geht nichts, dafür ist alles schön portioniert. Ich kann mich also mal für den Herbst anmelden.
Ob es da nicht nahe liegt weiter zu wachsen, frage ich. Wenn doch so viele so weit für dieses gute Fleisch bereit sind zu fahren und die ortansässige Gastroszene sich die Finger danach leckt? Doch da wehrt er ab. Er will nicht größer werden. Konstant um die hundert Schafe, das genüge völlig. Und reich will er schließlich nicht damit werden. Er will, dass es seinen Tieren gut geht. Er strahlt, wenn er von seinen Schafen erzählt. Und ich könnte ihm stundenlang zuhören. Und ein Lamm streicheln. Und mich auf richtig gutes Fleisch freuen.
Und wer jetzt fröhlich drauf los googeln will und einen schicken Online Shop erwartet, der hat leider das Nachsehen. Zu Gerhard Bönsch ins 5-Seenland muss man schon hinfahren, nicht jedoch ohne vorher mit ihm einen Termin ausgemacht zu haben. Wer also im Herbst dahin einen Ausflug plant, sollte sich baldigst bei ihm melden (0151-20608718).
Gott, sind die niedlich (auch die Hühner – Federvieh ist ja ebenfalls unglaublich zutraulich, wenn es so auf dem Hof herumgackern darf und mit Menschen nicht Stress verbindet). Toller Bericht über einen tollen Schafzüchter, liebe Claudia! Mir imponiert, dass es ihm nicht um Profit geht, und mir imponiert auch, wenn Verbraucher für solches gutes Fleisch Schlange stehen, statt an die nächste konventionelle Fleischtheke zu eilen. Das darf ich auch als Vegetarierin sagen, hoffe ich, ohne dass das unglaubwürdig klingt…
Vielen Dank für diesen tollen Bericht – solche Lammkeulen hätte ich ja auch gerne … Das Einzige, was mich bei solchen Reportagen immer nachdenklich macht, ist der Hinweis, dass der Landwirt nicht vom Verkauf des Fleischs leben kann (und will). Das heißt nämlich: Solche grundsätzlich vorbildlichen Haltungsweisen können dann eben doch keine Vorbildfunktion entfalten; schließlich müssen Landwirte in der Regel eben doch von ihrer Hände Arbeit leben können. Und wer wollte es ihnen verübeln?
Heißt das also: Schafstreichler sind notwendigerweise Liebhaber, und Berufslandwirte können sich nicht damit aufhalten, ihre Schafe zu streicheln – müssen sich dann aber auch noch mit dem Vorwurf von uns Lieber-besser-Essern auseinandersetzen, dass sie das eigentlich mal besser tun sollten?
Nicht falsch verstehen – ich will solche Projekte (oder gar Deinen Artikel!) nicht entwerten. Aber ich wünschte, auf die Frage nach verantwortungsvoller Lebensmittelproduktion und verantwortungsvollem Lebensmittelkonsum gäbe es einfache Antworten …
Liebe Sabine, ich verstehe absolut was Du meinst. Aber ich fürchte, das mit den einfachen Antworten ist nicht so einfach. Schafzucht aus Liebhaberei und nicht, weil man damit seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Wenn man, so wie in diesem Fall, eigentlich mit dem erzeugten Strom von der Photovoltaik auf dem Dach mehr verdient als mit dem Fleisch, dann ist das toll, aber gibt auch nicht die Antworten auf die Frage, wie es gehen kann, dass Tiere vorbildlich gehalten werden und man davon leben kann. Klar, wenn der Verbraucher es bezahlen würde. Derzeit kostet das Kilo ca. 22 Euro. Ein halbes Lamm so um die 180 Euro. Ich bin sicher, den doppelten Preis würden nur wenige bezahlen. Und damit sind wir wieder bei Deiner Frage.
LG
Claudia