Das erste Kochbuch von Yotam Ottolenghi, das ins Deutsche übersetzt wurde, war eigentlich schon sein Zweites. Als einer der ersten widmete er sich ganz der aufregenden Kombination von orientalischen, mediterranen und asiatischen Aromen und hatte damit riesigen Erfolg. Es folgte das vielgerühmte Buch „Jerusalem“, welches er zusammen mit Sami Tamimi geschrieben hatte. Ottolenghi wuchs im jüdischen Teil Jerusalems, Tamimi im arabischen Teil auf – gemeinsam suchten nach den kulinarischen Wurzeln ihrer Kulturen.
Nun ist also die Fortsetzung des vegetarischen Kochbuchs erschienen und es ist zu erwarten, dass es ähnlich erfolgreich wird wie sein Vorgänger. Weil der Originaltitel „Plenty more“ sich nicht wirklich gut übersetzen lässt, hat man ihm den Titel „Vegetarische Köstlichkeiten“ gegeben. Das hilft sicherlich, es im Buchladen in die richtige Ecke zu platzieren, wird ihm aber nicht so wirklich gerecht, denn Ottolenghi selbst wollte nie Vegetarier sein. Er liebt einfach Gemüse. In seiner ganzen Vielfalt. Mehr noch als Fleisch und die geliebten Würste, sind es Zitrusfrüchte, Rüben und die Pflanzen und Kräuter des Mittelmeerraums, die ihn inspirieren. Wo er in mutiger Cross-Over Manier Aromen aus den verschiedenen Küchen kombiniert. Asien trifft Orient und feiert in Italien ein Fest. So könnte man die Küche von Ottolenghi am besten beschreiben. Er will also nicht zu fleischfreiem Genuss aufrufen, sondern will einfach nur mit Aromen begeistern.
In der Art, wie das neue Buch aufgemacht ist, ist er seiner Art treu geblieben. Jedes Mal, wenn ich mir die Bilder anschaue, höre ich den Appell meiner Mutter „Sitz aufrecht, Kind!“. Gefühlt hänge ich hier in minimalem Abstand über dem Teller. Kann es förmlich riechen, noch einen Zentimeter weiter und die Nase hängt im Essen. Die Bilder in diesem Buch brauchen Raum. Stets eine ganze Seite. Und weil das mit dem „nah-dran“ irgendwie wild und ein bisschen wollüstig ist, reißt es mich sofort in seinen Bann.
Noch am gleichen Tag, an dem ich das Buch bekommen habe, wird es gespickt mit Lesezeichen. Grundsätzlich schreibe ich auch immer gerne Kommentare in Kochbücher, male etwas dazu oder vermerke mir Hinweise. So etwas nach Jahren mal wieder zu lesen macht großen Spaß.
Was an dem Buch sofort auffällt ist, dass auf den klassischen Aufbau verzichtet wurde. Zuerst ein paar Häppchen, dann ein Salat, ein Süppchen, Hauptgang, Dessert – Pustekuchen. Auch das erinnert daran, dass es hier nicht darum geht, einen Vegetarier mit Menüvorschlägen glücklich zu machen. Hier geht es um Zubereitungsarten. Schnelles Mischen, sanft dämpfen, Blanchieren, Schmoren, Grillen, Braten & Frittieren, Pürieren und Gratinieren. Nur das Kapitel „Süß und Fruchtig“ hat da wohl nicht so ganz reingepasst. Macht aber nichts. Damit sind die Desserts wieder am Ende des Buches. Gerade diese Aufteilung der Kapitel ist es, die es so lustvoll macht, in diesem Buch zu blättern. Je nach Laune kann ich mich entscheiden. Der Ofen ist bereits mit einem anderen Gang oder Gericht belegt? Prima, dann eben aus dem Topf. Das Buch lädt dazu ein, sich von der klassischen Menüfolge zu lösen. Alles auf einmal oder schön hintereinander. Ganz wie es beliebt. Eines fällt allerdings auf – die Menge an Zutaten für ein Gericht kann nicht wirklich als klein und kompakt bezeichnet werden. In der Regel darf man hier bei Kräutern und Gewürzen aus dem Vollen schöpfen. Unter zehn Zutaten geht hier wenig.
Nachdem ich ja von ihm erfahren habe, wie sehr ihm die Zitrusfrüchte am Herz liegen, ganz besonders die Zitronen, habe ich darauf geachtet. Richtig – er hat ihnen wirklich einen besonderen Raum gegeben. Sei es beim Zitronenreis mit Curryblättern, beim Tomatensalat mit gerösteter Zitrone, bei den pikanten weißen Rübchen, wo eingelegte Zitrone dazu kommt oder beim Rosenkohl-Risotto. Hier wandert gleich die ganze Schale in den Topf. Es gibt viel Grapefruit, Pomelo und auch Yuzu – eine asiatische Verwandte der Zitrone – und Orangen. Auffallend auch, wie sehr es ihm die Linse angetan hat. Die tritt sowohl elegant und frisch als Zutat für Salat in Erscheinung, wie auch als Basis für seidige Suppen.
Dass ihm das mit dem Kombinieren der unterschiedlichen Länderküchen gut gelingt beweist er gleich beim ersten Gericht, das ich nachkoche. Thailändische Rote Linsensuppe mit einem selbstgemachten Chili-Gewürzöl. Die ist feurig, raffiniert und herrlich samtig. Genau das richtige für so einen grauen Tag. Als nächstes steht der Rosenkohl mit Pomelo auf den Plan.
Geben Sie mir also etwas Zeit, Herr Ottolenghi! Zeit, damit ich da ganz viel nachkochen kann.
Und dann darf es gerne heißen „Plenty – even more“ – noch mehr vegetarische Köstlichkeiten…
Thailändische Rote-Linsensuppe mit aromatischem Chiliöl
Für Vier
120 g Zuckerschoten
3 EL Sonnenblumenöl
1 mittelgroße Zwiebel, in dünne Scheiben geschnitten
1 ½ EL rote Currypaste
2 Stängel Zitronengras, leicht zerdrückt
4 frische (oder 12 getrocknete) Kaffirlimonenblätter
250 g rote Linsen
250 ml Kokosmilch
1 ½ EL Limettensaft (hier war ich etwas großzügiger)
1 ½ EL Soja Sauce
Salz
etwas Koriandergrün
Chiliöl (hier habe ich nur die halbe Menge gemacht)
90 ml Sonnenblumenöl
½ Schalotte, grob gehackt
1 kleine Knoblauchzehe, ebenfalls grob gehackt
½ – 1 TL fein gehackter frischer Ingwer
¼ rote Chilischote
½ Sternanis
1 TL Currypulver
½ TL Tomatenmark
etwas Abrieb von einer unbehandelten Zitrone
Zuerst das Chiliöl herstellen. Dazu 2 EL Sonnenblumenöl in einem kleinen Topf erhitzen. Schalotte, Knoblauch, Ingwer, Chili, Sternanis und Currypulver hinzufügen und 5 Minuten bei niedriger Temperatur anschwitzen. Tomatenmark dazugeben und 2 Minuten sanft erhitzen. Dann das restliche Öl mit dem Zitronenabrieb dazu geben und 30 Minuten sehr sanft köcheln lassen. Nach dem Abkühlen durch ein Passiertuch abseihen. Ich habe die Erfahrung gemacht – ein Kaffeefilter tut’s auch.
Die Zuckerschoten in Salzwasser 90 Sekunden blanchieren und unter fließend kaltem Wasser abschrecken. In Streifen schneiden.
Für die Suppe das Sonnenblumenöl in einem großen Topf erhitzen und die Zwiebel hineingeben. Bei niedriger Temperatur und geschlossenem Deckel 10 -15 Minuten garen, bis die Zwiebel weich ist und ein süßes Aroma angenommen hat. Die rote Currypaste einrühren und 1 Minute anschwitzen. Das Zitronengras die Kaffirlimonenblätter, die roten Linsen und 700 ml Wasser hinzufügen. Zum Kochen bringen und dann bei niedriger Temperatur etwa 15 Minuten köcheln lassen, bis die Linsen weich sind.
Die Suppe vom Herd nehmen und die Limonenblätter und das Zitronengras entfernen. Die Suppe im Mixer mit der Kokosmilch und dem Limettensaft pürieren, bis sie homogen ist. Mit Soja Sauce und Salz abschmecken. Noch einmal kurz im Topf erwärmen. Wenn sie fast kocht, in Suppenschalen verteilen, mit den Zuckerschoten und etwas Koriandergrün dekorieren und das Chiliöl darüber träufeln (1/2 TL pro Portion)
Das Buch „Vegetarische Köstlichkeiten“, von Yotam Ottolenghi ist im Dorling Kindersley Verlag erschienen. (Links sind Affiliate Links)
Noch mehr von Yotam Ottolenghi im Netz:
bei Spiegel Online
beim Guardian (in englischer Spache)
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danke für diese hinreißende rezension, liebe claudia!
Sehr gerne, liebe Nathalie. Das habe ich gemacht, weil ich Yotams Rezepte wirklich inspirierend finde. Übermorgen kommt der Rosenkohl mit Pomelo. Der war auch super lecker..