Die dänische Ostseeinsel ist ein wahrer Naturschatz
Lolland-Falster klingt ein wenig wie ein fast vergessenes Kapitel aus einem Märchenbuch. Zwei Inseln im Süden Dänemarks, verbunden durch Straßen und Brücken, doch noch immer so etwas wie ein Geheimtipp. Ich war dort, als der Frühling Ende Mai noch ein bisschen zögerte. Mal regnete es, doch immer im entscheidenden Moment kam die Sonne wieder raus. Momente am Meer, beim Besuch einer Kirschwein Manufaktur und beim Fahren durch eine wirklich unglaublich unberührte Landschaft. Hier hoppeln die Feldhasen, die Rehe äsen in aller Ruhe auf den Feldern und immer wieder begegne ich Fasanen. Ihr Rufen ist allgegenwärtig.
Drei Tage werde ich hier auf den beiden dänischen Ostsee-Inseln verbringen. Drei Tage mit jeder Menge köstlicher Entdeckungen.
- Sinnlichkeit und Energie – die Keramik von Kristine Vedel Adeltoft
- Moderne Gasthofküche im 200 Jahre alten Hotel Saxkjøbing
- Die Dodekalitten – Stein, Stille und die Frage: Warum eigentlich keine Frauen?
- Wein aus sauren Kirschen – eine ganz neue Erfahrung
- Dänemarks längster Deich und ein bezaubernder Badesteg
- Übernachten im alten Tanzsaal auf dem Campingplatz in Nysted
- Einmal sich fühlen wie eine Gräfin – eine Nacht auf Fuglsang Herregård
Sinnlichkeit und Energie – die Keramik von Kristine Vedel Adeltoft
Manchmal beginnt eine Geschichte nicht mit einem Ort, sondern mit einer Entscheidung. Kristine Vedel Adeltoft war Modedesignerin, lebte auf Bornholm, und zog – gegen jeden Trend – mit ihrer Familie vor 13 Jahren nach Falster. Ein Ort, den damals kaum jemand auf dem Schirm hatte. Sie wollte Platz. Für sich, für ihre Familie, vor allem aber: für die Keramik. Ihren Traum. Ihre Freunde aus Kopenhagen zögerten anfangs, sie hier zu besuchen. Freiwillig nach Falster? Als sie aber sahen, was für ein Paradies sie sich aufbaute, wollten sie immer wieder kommen.
Heute entwirft sie Schalen und Teller, die unter anderem 2023 im Popup des Noma in Kyoto serviert wurden. Sie wäre gerne selbst dorthin gereist denn da ist diese Faszination für japanische Keramik, für das Feuer, den Zufall, die Unvollkommenheit. Gerade baut sie sich einen eigenen Holzofen, nach japanischem Vorbild. Bei 1300 Grad entstehen dort Stücke, die Staub, Asche und Schmutz in stille Schönheiten verwandeln.
Kristine spricht über ihre Glasuren wie andere über Parfum. Jede trägt den Namen eines Ortes auf Falster, an dem sie zur Ruhe kommt. Licht, Struktur, Energie – all das will sie in ihren Arbeiten spürbar machen. „Die Energie geht in den Ton“, sagt sie. Und vielleicht ist das genau der Zauber: dass man ihn fühlen kann, wenn man ihre Keramik berührt.
Mir geht es mit ihrer Keramik genau so. Was habe ich Keramik aus Dänemark und Japan nach Hause geschleppt? Ihre Arbeit ist eine Verbindung aus beidem. Was mir besonders gut gefällt, ist ihr Ansatz des Recyclings. Was immer als Abfall beim töpfern anfällt, wird wiederverwendet. Sie öffnet ihr Atelier mit dem riesigen Fenster auch gerne anderen Töpfern. Wer würde nicht gern in so einem Atelier arbeiten?
Kristine Vedel Adeltoft Ceramics
Gåbensevej 19
4840 Nørre Alslev
Moderne Gasthofküche im 200 Jahre alten Hotel Saxkjøbing
Wer Lolland bereist, sollte seine Reise im Hotel Saxkjøbing beginnen. Das über 200 Jahre alte Gasthaus im Herzen der kleinen Stadt verbindet dänischen Landhauscharme mit überraschend moderner regionaler Küche. Hinter der historischen Fassade mit roten Ziegeln und weißen Sprossenfenstern verbirgt sich ein Ort, wo man die Ruhe genießen kann.
Die Küche setzt auf das, was vor der Tür wächst: Gemüse vom eigenen Feld, Brot aus der hauseigenen Backstube, Fisch und Fleisch aus der Region. Hausgemachtes, Eingelegtes, Geräuchertes. Das Restaurant ist an einem Wochentag voll besetzt und nicht nur bei Touristen beliebt.
Die Zimmer im Hotel Saxkjøbing sind hell, schlicht und mit nordischer Zurückhaltung eingerichtet. Wer alte Dielen liebt, sich über weiche Kissen freut und morgens gerne das Fenster einen Spalt öffnet, um den Tag hereinzulassen, wird sich hier wohlfühlen.
Hotel Saxkjøbing
Torvet 9
4990 Sakskjøbing
Die Dodekalitten – Stein, Stille und die Frage: Warum eigentlich keine Frauen?
Der Weg beginnt unscheinbar. Vom kleinen Hafen bei Kragenæs führt ein Pfad durch den Wald, dann über einen Feldweg, leicht ansteigend. Keine Menschenseele begegnet mir. Nur das Rascheln im Unterholz, der Wind, das leise Knirschen meiner Schritte.
Schon aus der Ferne kann ich sie sehen – zehn riesige Steinskulpturen, verteilt in einem weiten Kreis auf einem Hügel über dem Meer. Die Dodekalitten – eine seit 2010 wachsende Kunstinstallation auf Lolland-Falster. Zwölf sollen es einmal werden, doch auch jetzt schon wirkt der Ort vollkommen. Monumental. Und gleichzeitig still. In der Mitte erklingt leise Musik – elektronische Klänge, sphärisch und kaum greifbar, wie aus einer anderen Welt. Im ersten Moment dachte ich, dass es der Wind sei, der die riesigen Figuren zum Singen bringt.
Ich weiß wenig über den Künstler und über die Bedeutung der Figuren. Aber vielleicht ist genau das Teil der Magie. Die Skulpturen stehen einfach da. Sie schauen – aufeinander, in die Landschaft, in den Himmel. Und mit ihnen steht man still.
Ein Ort, den man nicht unbedingt verstehen muss, um ihn zu fühlen.
Hinter dem Werk stehen der Bildhauer Thomas Kadziola und der Komponist Wayne Siegel. Während Kadziola die Skulpturen aus massivem dänischen Granit formt, hat Siegel eine elektronische Klanginstallation geschaffen, die mitten im Kreis erklingt. Die Musik reagiert auf Bewegungen und verändert sich mit der Tageszeit.
Das einzige, was mich hier wundert ist, dass die Figuren keine Frauen zeigen. Alle Figuren der Dodekalitten zeigen männlich gelesene Gesichter – ein Umstand, der durchaus Fragen aufwirft. Der Künstler Thomas Kadziola betont, dass es sich nicht um reale Personen, sondern um symbolische, archaische Wesen handelt. Dennoch bleibt die männliche Dominanz im Skulpturenkreis spürbar – und lässt Raum für Diskussion.
Wein aus sauren Kirschen – eine ganz neue Erfahrung
Seit der Gründung im Jahr 2006 verfolgt man bei Frederiksdal einen besonderen Ansatz in der Herstellung ihres Kirschweins: das Solera-Prinzip. Inspiriert von der traditionellen Sherry- oder Madeira-Produktion, wird hier ein System verwendet, bei dem Weine verschiedener Jahrgänge miteinander vermählt werden, um eine kontinuierliche Reifung und Komplexität zu erreichen.
Das Verfahren ist ebenso einfach wie raffiniert: In einer Reihe von Eichenfässern wird jährlich ein Teil des ältesten Weins entnommen und durch jüngeren Wein ersetzt. Dieser junge Wein nimmt schnell die Charakteristika des älteren Weins an, wodurch mit der Zeit ein vielschichtiges Geschmacksprofil entsteht. Bei Frederiksdal werden für dieses System ausschließlich Weine der besten Jahrgänge verwendet.
Ich gebe gerne zu, dass ich beim Thema „Wein aus Kirschen“ nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen habe, dass mich die Tiefe und die Aromen (Lorbeer, Vanille und Trockenfrüchte) begeistern. „Probier das mal mit dänischem Blauschimmelkäse – du wirst begeistert sein“, meint der Eigentümer des Weinguts Harald Krabbe. Das kann ich mir wirklich gut vorstellen.
15.000 Kirschbäume (prunus ceresus) gehören zum Weingut. Ich bin jedenfalls froh, dass ich dieses Mal viel Platz im Koffer gelassen habe. Deshalb muss neben zwei Flaschen auch noch eine 1.5 Literbox mit Kirsch-Muttersaft mit. Gerne hätte ich noch „Prosecco“ aus Kirschen mitgenommen – der ist wirklich überzeugend – aber dafür war dann doch kein Platz mehr im Koffer. Immerhin ist das ja erst mein zweiter Tag hier.

Harald Krabbe, der Besitzer der Kirschwein Manufaktur, die prämierten Weine, ein kleiner Teil des Kirschgartens und noch sind die Kirschen nicht reif.

Auch der Park rund um Frederiksdal ist wunderschön. Die Ballons mit dem Wein stehen hier mehrere Jahre.
Frederiksdal Kirsebær
Frederiksdalsvej 30
4912 Harpelunde
Dänemarks längster Deich und ein bezaubernder Badesteg
Sie schwimmen hier tatsächlich. Es ist Ende Mai, es hat 14 Grad und die Ostsee ist noch verdammt frisch. Was jedoch eine Gruppe junger Leute nicht davon abhält, immer wieder ins Wasser zu springen. Ich laufe den langen Badesteg am Hestehovedet Strand entlang und suche mir eine windgeschützte Bank. Und halte mein Gesicht in die Sonne. Irgendwie lockt die kleine Badeinsel schon, aber nein, ich trau mich dann doch nicht.
Rund um den Strand ist es perfekt für Radtouren und lange Spaziergänge.
Übernachten im alten Tanzsaal auf dem Campingplatz in Nysted
Ernsthaft? Ein Campingplatz? Auch wenn das der erste und einzige Campingplatz Dänemarks mit einem Öko-Label der EU und der CO² neutral ist, ich fahre hier ohne Caravan oder Zelt auf einen Campingplatz. Beides braucht man auch nicht, wenn man entweder in einer der „Cabins“ oder in den Ferienwohnungen, die im alten Tanzsaal gebaut wurden, wohnt. Hier hat man nicht nur freie Sicht auf das Meer, man hat auch allen Komfort. Und Hendrik, der zusammen mit seiner Frau Nicole den Campingplatz betreut, kümmert sich liebevoll um seine Gäste (und spricht Deutsch). Fast ist er ein bisschen enttäuscht, als ich nur Käse und Brot zum Frühstück bestelle. Ich merke, er hätte so gern zumindest noch ein Omelett dazu gepackt. Mein letztes Mal auf einem Campingplatz ist lange her. Sehr lang. Und es war lange nicht so chic wie hier.
Nysted Strand Camping
Skansevej 38
4880 Nysted
Während des Aufenthalts sollte man unbedingt den kleinen Küstenort Nysted besuchen, am Hafen entlang bummeln und sich vor allem rechtzeitig einen Platz im entzückenden, kleinen Restaurant Ö sichern. Hier gibt es ein wunderbares Menü aus frischen, saisonalen Zutaten. Und es beginnt pünktlich um 18:30. Unbedingt reservieren.
Restaurant Ö
Strandvejen 10
4880 Nysted
Einmal sich fühlen wie eine Gräfin – eine Nacht auf Fuglsang Herregård
Es ist warm geworden, fast fühlt es sich an wie ein Sommertag. Unweit des Herrenhauses ist das kleine Fuglsang Museum. Die Besucher sind hier Teil der Kunst – wie sie vor dem riesigen Fenster sitzen und auf die üppige Moorlandschaft hinausschauen – fast besser als die Bilder, die hier ausgestellt werden. Rund um das Herrenhaus scheinen die Wiesen und die Natur von Skejten endlos zu sein. Wer Vögel in unberührter Natur beobachten will – hier ist der Platz dafür. Ich begnüge mich mit den Baby-Krickenten, die im Teich des Parks ihrer Mutter hinterherschwimmen. Mein Zimmer liegt im Haupthaus, ich habe direkten Blick auf den Park und die Abendsonne funkelt zwischen den Blättern der riesigen Bäume. Die Luft ist weich und duftet. Es ist das perfekte Landgut. Ich wandle durch die Bibliothek, durch die langen Flure und über eine große Freitreppe hinaus in den Park. Genau meine Vorstellung von Sommerfrische: Das Meer ist nicht weit, herrliche Natur rundherum und eben dieser Luxus, der einem so ein adeliges Gefühl gibt. Zum Dinner im edlen Restaurant des Hotels gibt es zur Vorspeise weißen Spargel mit einer Kräuter Hollandaise und kleinen, handgepulten Krabben. Mit den frischen Kräutern meinen sie es hier besonders gut und der frische Dill ist fast eine Spur zu viel. Muss man ja nicht alles essen, aber mir tut es trotzdem leid um den wunderschönen Dill und die Erbsensprossen. Mittlerweile habe ich auch mitbekommen, dass der Hype um die neue Kartoffelernte bei weitem größer ist, als der um den frischen Spargel. Sie sind auch wirklich sehr gut diese Kartöffelchen und stehlen der gefüllten Maishähnchenbrust zum Hauptgang fast ein bisschen die Show.
Ein krönender Abschluss meiner Reise nach Lolland-Falster.
Morgen geht es weiter auf die nächste Ostseeinsel nach Seeland.
Fuglsang Herregård
Nystedvej 75
4891 Toreby L.
Und noch nie war ich einem Feldhasen in freier Natur so nah.
Offenlegung: Die Reisen nach Lolland-Falster erfolgte auf Einladung von VisitLolland-Falster. Vielen Dank dafür. Die Eindrücke sind dennoch ganz die meinen.
Hallo Claudia,
wieder ein wunderschöner ausführlicher Bericht, danke dafür!
Damit verbinde ich Kindheitserinnerungen und die damalige Hoffnung, dass ich irgendwann groß genug werde, dass ich von dem Kirsebær kosten darf. Das wird damals ein anderer gewesen sein. Und auch sonst hat sich einiges geändert. Irgendwie wirkt es aber immer noch so entspannt wie damals.
Liebe Grüße
Barbara
Liebe Barbara,
das sind wirklich schöne Erinnerungen und ja, es ist immer noch so entspannt dort.
Und jetzt bist du ja auch alt genug und darfst Kirschwein trinken ;)
Liebe Grüße
Claudia