Kaum etwas hat in der kulinarischen Szene in den letzten Jahren so eingeschlagen wie die nordische Küche. Alles was nördlich des 54. Breitengrads gekocht wurde, fand begeisterte Anhänger und die neuen Gallionsfiguren angeführt von René Redzepi und Magnus Nilsson eroberten unsere Küchen. Die wunderbare Keramik dazu brachten sie gleich mit.
Im Juni wurde ich bereits nach Bornholm zum „Sol over Gudhjem“ (das ist der Name des Bornholmer „National Gerichts“ bestehend aus Hering und Ei) eingeladen, einem Wettbewerb, wo die besten Köche der Insel gegeneinander antreten. Das tun sie jedes Jahr um diese Zeit. Ich hätte alles stehen und liegen lassen, aber ich war schon anderweitig unterwegs. Ich hatte wenig Vorstellung von der Insel und dass ich mich in sie verlieben würde, war zu dem Zeitpunkt noch völlig offen.
An meinem ersten Abend, als der Sturm sich langsam beruhigte, war es die kuschlige Stammershalle, die mich auf die herrliche Küche einstimmte. Fast eine Stunde lang habe ich mich mit dem Küchenchef Mathias Sørensen unterhalten. Über die Insel, über die besten Räuchereien, wo man unbedingt hingehen sollte, warum man dem besten Metzger der Insel unbedingt einen Besuch abstatten sollte und was die Besonderheit von Bornholmer Aquavit ist. Ich lobte seine Zwiebelsuppe. Ganz ehrlich, ich kann mich überhaupt nicht erinnern, jemals eine so tolle Zwiebelsuppe gegessen zu haben. Zwiebelsuppe klingt ja jetzt nicht nach kulinarischem Olymp, aber was Sørensen hier geboten hat, war schlichtweg eine Sensation. Und der Inselfunk funktionierte ausgezeichnet. Als ich am nächsten Tag beim Metzger stand, wusste der schon wer ich bin, führte mich durch seine Kühlhallen und gab mir seinen besten Schinken zu probieren.
Und wieder ist es so, wie ich es schon in Norwegen erlebt habe. Wer gut essen gehen will und sich für die lokale Küche entscheidet, der wird mit moderaten Preisen und vorzüglichem Essen belohnt, wer glaubt, dass es auch eine Pizza tut, der darf bluten. Wer einen hinreißenden Kräuterhering, frisch aus dem Rauch bestellt, darf schwelgen. Alle anderen dürfen sich nicht beschweren, wenn es nur Mittelmaß ist.
Stammershalle
Zum Auftakt gibt es Tatar im Markknochen, etwas eingemachte Melone mit Yuzu und selbstgemachten Krupuk mit Dillschmand. Das lässt schon erahnen, dass hier der Bogen über die nordische Küche hinaus gespannt wird. Sørensen macht das mit Fingerspitzengefühl. Hier eine exotische Komponente um gleich danach wieder im eigenen Garten zu landen. Seine Zwiebelsuppe wird mir unvergesslich bleiben. Eine kräftige, sehr würzige Brühe mit einem Hauch Zitronenthymian und vier verschiedene Zwiebelzubereitungen – gepickelt, gegrillt, frittiert im Knusperteig und gekocht. Ich war glücklich mit dieser Suppe. Auch sein Steinbutt mit Zitronen Anis Sauce war ein Gang, wo man es bedauert, dass der Teller so schnell ist. Nach einem knusprigen Apfelschwein musste ich aber die Waffen strecken, immer auf der Zielgeraden zum Dessert geht mir die Luft aus. Lieber einen Schnaps? Ja unbedingt.
Allein für das angenehme Ambiente würde ich gerne wieder herkommen.
Nordlandet
Eigentlich wollte ich das sein lassen, das mit den vielen Kohlhydraten am Abend. Doch ich bin machtlos, als vor mir ein Teller mit frischen Dinkelfladen hingestellt wird und dazu ein wenig salzige Butter mit Pilzpuder. Einfach so. Der verführerische Duft windet sich ins Hirn, ich werde schwach. Dann gibt es einen „quasi halb und halb“ Tatar, halb roh und halb gebraten, mit würzigem Comte Käse, Radicchio und Kresse. Ich sitze direkt am Fenster und während sich neben mir der Himmel in Karmesin-Orange-Tiefblau einfärbt, genieße ich ein Glas vorzüglichen Weißwein. Dann gibt es Seehecht mit Dillöl und Meerrettich-Kartoffelschaum, gefolgt von sauer eingelegtem Gemüse mit Zwiebel-Ceviche, Steinbutt und Trüffeln. Eine sehr gelungene Kombination von Casper Sundin, der jedoch nicht mehr lange da sein wird. Er geht aus privaten Gründen zurück nach Copenhagen. Die Nachfolge steht bereits fest und ist vielversprechend. Anne Bruun Jessen wird das Ruder übernehmen. Diesmal schaffe ich es auch bis zum Dessert. Eine Sabayon mit frischen Beeren. Schnaps gibt es keinen heute (auch mal gut).
Molen
Der Hafen, wo man das Restaurant findet, hat einen ganz besonderen Industrie-Charme. Romantik ist hier eher nicht angesagt und doch ist es eine aufregende Szenerie. Sitzt man im Restaurant Molen, kann man alles ein wenig von oben betrachten. Hier ist es klein und fein und wieder kann ich das mit dem „aufs Brot verzichten“ vergessen. Das Brot im Molen ist das Beste der ganzen Insel. Fluffig, würzig und mit sagenhaft guter Krume. Gut, dann eben nur zwei Gänge. Frische Pilze auf Brioche mit Schinken (vom besten Inselmetzger Hallegård natürlich). Dann eine Bisque mit Kabeljau, frischem Estragon und Yams. Dazu ein Elsässer Auxerrois. Ich bin glücklich. Der junge Mann im Service ist irritiert, dass ich das Dessert ablehne. Ich schaffe es nicht. Und Schnaps auch nicht. Geradezu vorbildlich (nachher tut es mir dann doch leid, aber da war ich schon wieder auf der anderen Seite der Insel).
Kadeau
Dem kulinarischen Hightlight meiner Reise gebührt natürlich der letzte Abend. Kadeau, der ehemalige Kiosk, der auf einer Düne über dem Meer thront, hat einen Michelin Stern. Eindrucksvoller habe ich selten gespeist – vor mir färben sich die Wolken über der Ostsee, die untergehende Sonne taucht alles in ein magisches Licht und ich bin früh genug da, um auch ja alles festzuhalten. Ich darf in die Küche, in den Kühlraum, wo die ganzen eingemachten Blüten, Knospen und Gemüse stehen, darf in den Kräutergarten und darf den Köchen dabei zuschauen, wie sie Kunstwerke aus Kräutern und Blüten auf den Tellern arrangieren. Es ist fast zuviel für die Sinne. Diese unglaubliche Lage, das Menü und den spannenden Kontrast aus alkoholischer und nicht-alkoholischer Weinbegleitung. Noch eine Woche lang hat man geöffnet, dann schließt das Kadeau bis zur nächsten Saison. Wer dann Nicolai Nørregaards Küche kosten möchte, muss nach Copenhagen ins Schwester-Restaurant. Das Geschirr hier ist vom berühmtesten Keramikmacher der Insel – LoviListed, jene kleine Keramikschmiede, über die schon die New York Times ihr Lob ausgeschüttet hat. Die Teller und Schüsseln sind natürlich exklusiv und ich beobachte, dass um mich herum immer mal wieder ein Teller hochgehoben wird um zu prüfen, wer diesen wohl gemacht hat. Ich kenne den Töpfer, ich habe ihn besucht. Dazu werde ich noch mehr schreiben.
13 Gänge werden es an diesem Abend, das große Menü. Die letzte Apfelrose und die Beeren esse ich in tiefschwarzer Nacht. Dieser Ort kombiniert das Magische mit dem Geerdeten, es gibt Kohl, Kohlrabi und Kürbis in Perfektion. Rotholz-Ameisen zu Hagebutten Mousse und wohlschmeckenden Wirsing zu Muschelpulver. Wohlgemerkt – ich esse sogar die Auster, die mit Sauerkraut und Johannisbeerblättern serviert wird. Ich mag keine Austern. Die hier mochte ich. Ich mochte alles an diesem Abend, den perfekten und lockeren Service, den Wein, die komponierten Säfte und sogar die winzigen, baltischen Garnelen, die man im Ganzen isst. Jeder sollte seinen letzten Abend auf Bornholm genau so verbringen.
und so zwischendurch
Klaus war zurückhaltend was den Salzhering anging, das sei nicht jedermanns Sache, meinte er. Aber wenn, dann sei er hier am besten. Klaus ist mein Guide für einen Tag und er freut sich, denn zum ersten Mal muss er keine Windmühlen und Rundkirchen erklären, sondern schleppt mich von einer Räucherei zur nächsten. Die Dorschbuletten, die musst du auch probieren. Aber sicher, ich werde nicht ohne eine frische Dorschbulette die Insel verlassen. Im Svaneke Bryghus gibt es dann noch zu einem großartigen Bier, welches für die königliche Familie kreiert wurde, einen ganz sensationellen Kräuterhering, bei dem ich mir überlege, ob es jetzt einen maßlosen Eindruck machen würde, wenn ich ihn mir gleich nochmal bestelle.
Mein Fischhändler auf dem Bauernmarkt wird glücklich sein – ich habe meine Liebe zum Räucherfisch entdeckt.
Im nächsten Bericht betrete ich dann absolutes Neuland – ich mache Schokoküsse. Ich besuche den Ursprung eines erfolgreichen Lakritzherstellers und ermutige einen Safthersteller, seinen überragenden Stikkelsbaer (Stachelbeer) Saft nach Deutschland zu bringen. Außerdem treffe ich die wohl leidenschaftlichste Anhängerin des Fermentierens der Insel.
Ich bin noch lange nicht fertig mit dir, Bornholm!
Adressen:
Stammershalle Badehotel
Sdr. Strandvej 128
Stammershalle
3760 Gudhjem
Tlf. +45 56 48 42 10
www.stammershalle-badehotel.dk
Räucherei
Gudhjem RØGERI
Åbningstider
Gudhjem 3760
Ejnar Mikkelsensvej 9
+45 56 48 57 08
www.smokedfish.dk/gudhjem
Svaneke Bryghus
Svaneke Torv 5
3740 Svaneke
+45 56 49 73 21
bar@bryghuset-svaneke.dk
www.svanekebryghus.dk
Restaurant Nordlandet
Strandvejen 68
3770 Allinge
+45 56480344
www. hotelnordlandet.com
Kadeau
Baunevej 18
Vestre Sømark
Pedersker
3720 Åkirkeby
+45 56 97 82 50
bornholm@kadeau.dk
www.kadeau.dk
Molen
Havnen 6
3730 Nexø
+45 8887 6733
info@restaurantmolen.dk
www.restaurantmolen.dk
Offenlegung: Die Reise nach Bornholm wurde unterstützt von visitdenmark.de. Vielen Dank dafür. Meine leidenschaftliche Schwärmerei für die Küche der Insel ist nicht käuflich sondern ist meine ganz persönliche, subjektive Meinung.
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