Einen kurzen Moment lang hatte ich Hoffnung. Genau fünf Sekunden lang. So lange brauchte ich, um nach dem Wetter in London zu suchen und dann war es klar – kühler wird es nicht.
30° Grad und kein Regen in Sicht.
Vielleicht kann mir an dieser Stelle jemand erklären, warum ich so lange gebraucht habe, endlich mal wieder einen Flug zu buchen. Schließlich bin ja ständig irgendwo. London fiel da viele Jahre durch den Rost, ist ja nicht weit, keine zwei Stunden Flug und schon ist man da, wo man eintauchen kann in eine aufregende Gastro-Szene, wo tolle Märkte locken und überhaupt einfach alles ein bisschen cooler ist. Vorbei die Zeiten, wo man in erster Linie beim Inder gegessen hat, weil das englische Essen ja nicht so viel zu bieten hatte. Zum Frühstück gibt es zwar immer noch die obligatorischen Bohnen und Würstchen, doch die Dichte, mit welcher sich neue Cafés etabliert haben, ist nur schwerlich zu erfassen.
Ich habe einen frühen Flieger und bin alles andere als glücklich und entspannt, wenn ich auf eine Tasse Tee am Morgen verzichten muss. Soviel Zeit muss sein. Um acht Uhr ist Boarding, eine Stunde eher sollte ich meinen Koffer einchecken – ich steh nun mal wirklich nicht auf Hektik am Morgen – und für die Fahrt mit der S-Bahn aus dem Süden München muss ich eine gute Stunde rechnen. Um Zehn stehe ich bereits am Londoner Flughafen Heathrow und kaufe mir eine Oyster Card. Die ist praktisch. Man bucht einen Betrag drauf und kann sofort mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln loslegen. Die Picadilly Line ist zwar ist nicht die schnellste Art in die Stadt zu kommen, doch eindeutig die Günstigste. Koffer ins Hotel bringen und weiter geht’s.
der ultimative Kochbuchladen und drum herum
In den Kochbuchladen „Books for Cooks“ habe ich mich bereits vor mehr als fünfzehn Jahren verliebt. Damals führte mich ein guter Freund über die Portobello Road, bog in eine Seitenstraße ein, deutete auf den Laden und ließ mich erst einmal mit offener Kinnlade stehen. Ein ganzer Laden nur mit Kochbüchern. Ich war im Himmel. Kaufte, schleppte und war glücklich. Dieses Mal unterscheidet sich davon nicht im Geringsten. Einziger Unterschied, der Markt auf der Portobello Road ist noch voller. Gemüse, Kunsthandwerk, Marmeladen, Paella. Hier gibt es fast nichts, was es nicht gibt. Weit musste ich meine neuen Errungenschaften erstmal nicht tragen. Gegenüber ein toller Gewürzladen und mehr oder wenig daneben ist Ceramica Blue, wo man natürlich auch verbeischauen sollte. Es könnte da ein Teller oder eine Schüssel rumstehen, oder die ein Weiterleben sinnlos erscheint.
Snaps + Rye
An Cafés ist kein Mangel in Notting Hill. Trotzdem will man ja nicht unbedingt ins Erstbeste. Ich laufe am 108 Garage vorbei, ein sehr angesagtes Restaurant, wo man angeblich nur schwer einen Platz bekommt, stelle fest, dass die Tür auf ist, gehe rein, störe das Team ein bisschen beim Putzen und gehe zufrieden wieder mit einer Reservierung für den gleichen Abend wieder hinaus. Auf die Frage, welches Café man mir zur Stärkung (es ist 14:00 Uhr und mein Magen verlangt eindrücklich Aufmerksamkeit) ans Herz legen könnte, schickt man mich ins Snaps + Rye, und wie sich herausstellen wird, war dies eine ganz ausgezeichnete Empfehlung. Das nordische Interieur kommt ganz hyggemäßig daher, es ist kuschlig, klar und mit viel Holz. Nette Grünpflanzen gibt es außerdem. Auf der Karte finde ich dänische Fleischbällchen mit einer pikanten Apfelsauce, kleinen Kartoffeln mit Blauschimmelkäse und Salat, dazu eine selbstgemachte Limonade. Ich sitze genau am offenen Fenster, drinnen ist es noch ein bisschen kühler und atme erst einmal richtig durch. Mit Fleischbällchen im Bauch kann es nur toll werden. Hallo London, jetzt bin ich endlich da.
Schnaps kann hier in diesem entzückenden Laden übrigens auch trinken und zum Mitnehmen kaufen. Der Name ist hier durchaus Programm.
108 Garage
Zugegeben, die Hocker direkt am Tresen, hinter welchen das Essen zubereitet wird, sind zwar nicht die bequemsten (mir schläft da immer irgendwann ein Fuß ein, wenn mein Hintern nicht ganz auf die kleine Sitzfläche passt), doch es ist eindeutig der spannendste Sitzplatz im ganzen Laden. Es gibt ein Menü und wenn man damit nicht glücklich ist, weil man kein Fleisch oder gar nichts Tierisches haben will, dann sagt man das einfach. Wer wie ich alles isst, darf sich auf was freuen. Zum Auftakt gibt es Gurke mit Jellyfish. Richtig, Jellyfish ist Qualle, deshalb sagt es dir vorher auch keiner. Erst wenn du den Teller mit einem zufriedenen Lächeln von dir weg schiebst, erfolgt die Aufklärung. Dass Bohnen mit darüber geschmolzenem Lardo einfach umwerfend sind, habe ich dann auch schnell begriffen. Das absolute Highlight war jedoch die Hefecreme mit Haselnüssen, die es zu dem Kalbsbries gab. Die Hefe wird mit Salz behandelt, damit die Enzymtätigkeit gestoppt wird, dann wird sie zerbröselt und in Butter gebraten um dann abschließend püriert zu werden. Das Aroma mit den Nüssen? Gigantisch. Ich liebe also neuerdings Hefe noch mehr als zuvor. Zum Schluss bekomme ich noch ein Erdbeer-Basilikum Inferno in Form von frischen Erdbeeren, mit selbstgemachtem Erdbeerlikör, Basilikumeis und kleinen Blüten. Das Ganze hat großen Unterhaltungswert und kostet 60 GBP ohne Getränke. Ein fairer Deal.
The Dairy
noch so ein Hipster-Laden, mag man denken. Populär wurde das entzückende Lokal vermutlich aus zweierlei Gründen. Erstens ist es hochgradig „instagramable“, sprich hier hat alles bis zur Gabel ein extrem hohes Potential auf einem Foto superhübsch auszusehen und zweitens ist Küchenchef Robin Gill ein echter Könner, was die regionale, saisonale Küche angeht. Er hat auch ein Kochbuch darüber geschrieben (Larder: From pantry to plate – delicious recipes for your table ). Das lohnt sich ganz besonders, wenn man sich sofort in die luftigen Käsebeignets verliebt und das dann sofort zuhause nachkochen könnte.
Mein Besuch am letzten Wochenende fällt voll in die Zeit der Gartengurken. Ich bekomme sie also roh, mit Norialgenpulver und Zwiebelcreme und leicht gedünstet mit Makrele. Ich verliebe mich in das gute Sauerteigbrot (nimm das, du langweiliger englischer Toast – Sauerteigbrot ist der letzte Schrei) mit Marknochenbutter. Es gibt tolles Biofleisch, einen Tomatensalat mit köstlichem Dressing und verschiedene Erbsen und Bohnen in Butter gedünstet. Zum Abschluss – ich kann kaum noch papp sagen – gibt es noch eine Frangipani- Mandeltorte mit Renekloden. Verwegen wie ich bin, trinke dazu einen neuseeländischen Erdbeer-Granatapfel Cider. Das Menü kostet 32 GBP und damit kann man mehr als glücklich sein.
So zwischendurch
muss ich natürlich noch ins Japan Center, ein wirklich riesiger japanischer Supermarkt, wo mein Herz dann wieder ganz hoch schlägt. Ich laufe über den Büchermarkt an der Themse in der Nähe der Tate Modern, durch die Straßen und über die Brücke zum Trafalgar Square und als ich dann nicht mehr kann, nehme ich mir ein Taxi. Dieses quält sich durch Menschenmassen, plötzlich fahren wir auf einer rechts und links mit Absperrgittern versehenen Straße und hunderte Menschen dahinter halten plötzlich ihre Handykamera auf mich gerichtet.
Ja gut, selbst der inneren Prinzessin ist es in diesem Moment klar, dass all diese Menschen nicht wegen ihr hier sind. Die Gumball 3000 Ralley startet an diesem Tag in London und meist fahren da viele Promis in aufgemotzten Rennwägen mit. Die Reise geht durch den Eurotunnel auf Festland und weiter bis nach Tokio. Soweit wollte ich dann in meinem Taxi dann doch nicht fahren.
Borough Market
auch wenn dieser Markt in den letzten Jahren echt touristischer geworden ist, so ist er immer noch ein unbedingtes Muss. All der gute englische Blauschimmelkäse will ja mit nach Hause genommen werden und hier kann man ihn verkosten und hat eine großartige Auswahl. Von Austern über Würste gibt es hier alles und ich war sehr froh, als ein eiskalter Wassermelonensaft lockte, wo mir schon die Zunge am Gaumen klebte.
Was man feststellten kann ist, dass die Preise für das Gemüse hier bei weitem nicht so exorbitant sind, wie man das vielleicht vermuten könnte. Das ist alles sehr real hier.
Ein paar Ecken weiter kaufe ich gutes Biltong vom irischen Rind und sehne mich dann nur noch nach einem schattigen Plätzchen und einem kühlen Bier.
Geschlafen habe ich natürlich auch in diesem 55 Stunden, doch dazu in den nächsten Tagen mehr. Ich zehre noch immer von den ganzen Eindrücken, habe mich Hals über Kopf in die Brick Lane verliebt und weiß ganz sicher, dass ich keine Jahre mehr verstreichen lassen werde, bis ich wiederkomme. Ich höre es nämlich jetzt ganz laut: London is calling!
Adressen:
Ceramica Blue
10 Blenheim Cres, London W11 1NN, Vereinigtes Königreich
www.ceramicablue.co.uk
Books For Cooks
4 Blenheim Cres, Notting Hill, London W11 1NN, Vereinigtes Königreich
www.booksforcooks.com
SNAPS + RYE
93 Golborne Rd, London W10 5NL, Vereinigtes Königreich
http://snapsandrye.com
108 Garage
108 Golborne Rd, London W10 5PS, Vereinigtes Königreich
www.108garage.com/
The Dairy
15 The Pavement, London SW4 0HY, Vereinigtes Königreich
the-dairy.co.uk
Portobello Market
Portobello Rd, London W11 1AN, Vereinigtes Königreich
Brick Lane
https://oldspitalfieldsmarket.com/
http://www.visitbricklane.org/
Borough Market
Borough High St
London
SE1 9AH
Vereinigtes Königreich
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