Ein Dessert war gefragt, was ja nicht so meine Lieblingsdisziplin ist. Im Restaurant ist mir das süße Finale meist auch ziemlich egal. Bei Käse bin ich dabei, gerne auch noch ein Glas Süßwein, aber die Cremes und ganz besonders das Eis dürfen sie gerne behalten. Ich gehöre einer Minderheit an, das ist mir bewusst.
Und so starre ich erstmal ein wenig hilflos über die Marktstände. Immer diese Desserts! Es ist ja auch wirklich zu einfach. Man nimmt eine ordentliche Menge Mascarpone, kaschiert deren Opulenz mit etwas Limette und ist nicht zimperlich mit der Zugabe von Früchten und Alkohol. Zack! Die Herzen fliegen einem zu, begleitet von diversen Koketterien, „ich sollte ja eigentlich nicht, aber das ist einfach zu himmlisch“. Ihr kennt das. Mit einem Seufzer taucht man erneut den Löffel in die fluffige Creme. Sünde kann so schön sein.
Was aber, wenn ich keine Lust auf Mascarpone habe und es trotzdem gut sein soll? Dann ist Raffinesse gefragt (eine gute Freundin meinte heute, der Begriff „Raffinesse“ im Zusammenhang mit Essen sei so was von überholt, das verwende man nur noch um Mängel zu kaschieren). Gut, also raffiniert kommt auch nicht in Frage.
Ich liebäugle mit dem Rhabarber, der diese Saison noch gar keinen Auftritt hatte. Der, zusammen mit den süßen deutschen Erdbeeren, ist um diese Jahreszeit auch eine sichere Bank. In der Regel wird er dann weichgekocht und darf die Erdbeeren dann, mit einem Löffelchen Sahne garniert, umspielen. Auch nichts wirklich Neues.
Was, wenn ich hier die gute also Osmose auf den Plan rufe? Den Rhabarber so lange mit hygroskopischem Zucker malträtiere, bis er seine oxalische Säure aufgibt und weich wird? Das klingt schon eher nach etwas, was Spaß machen könnte, denn so verliert er nicht auch noch seinen letzten Rest an frischer Knackigkeit. Die Süße kommt dann zwar auch vom Zucker und dem süßen Orangenlikör, aber es ist eben doch was anderes, wenn er „kalt gegart“ wird. Es braucht nur Zeit.
Die besonderen Komponenten steuern Minze und Yuzu bei. Gäbe es hier frische Yuzu, wäre das ein Traum, doch die hübschen Yuzus schaffen den weiten Weg aus Japan hierher nicht. Im Übrigen haben sie auch gar keine Saison. Was hier hilft, ist pulverisierte Schale aus dem Asialaden, die durchaus in der Lage ist, diese tendenziell leicht bittere, jedoch hocharomatische Säure, zu liefern.
Der Abend des Desserts naht. Kurz bevor ich alles zusammenmische, probiere ich es noch einmal. Genau richtig. Süß, sauer, ein bisschen unanständig durch den Orangenlikör und genau exotisch genug, als dass meine Gäste dies mit einem Seufzen quittieren könnten. Ich sollte genau richtig liegen.
Für Vier
1 Schale Erdbeeren (500g)
3 Stangen Rhabarber
2 – 3 EL Zucker (gerne Rübenzucker)
30 ml Orangenlikör (z.B. Cointreau)
½ TL Yuzu Pulver (aus dem Asialaden)
½ Bund Minze
eine handvoll blanchierte Haselnüsse, in der Pfanne ohne Fett angeröstet
Die Rhabarberstangen waschen und die Enden trimmen. Diagonal in 3 – 4mm breite Scheiben schneiden.
Mit Zucker und Orangenlikör bestreuen und ca. 2 Stunden ziehen lassen.
Erdbeeren waschen, abtropfen lassen, den Strunk abschneiden und halbieren.
Das Yuzupulver über den Rhabarber streuen und vermengen. Vorsichtig die halbierten Erdbeeren unterheben.
Die gerösteten Haselnüsse mit einem Messer grob zerkleinern.
Den Salat auf Tellern anrichten, mit Minzeblättchen und Haselnüssen bestreuen.
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