Alles begann am Union Square in den frühen Morgenstunden. Einige der Markthändler waren noch damit beschäftigt ihre Waren aufzubauen, die Sonne schien, alles war gut. Zuerst habe ich ihn nicht entdeckt, doch dann war er plötzlich überall. „Kale“ – auch gerne Schwarzkohl oder Palmkohl bei uns genannt. Es gab Roten Russischen Kohl, Weißen, Sibirischen und das Ganze in Mikro-Format, also winzige junge Blättchen. Bestimmung unbekannt. Vermutlich Dekoration.
New York ist besessen vom dem Kohl mit welchem wir hier gerne unsere Eintöpfe bereichern, wenn es draußen kühler wird.
Von kühl ist jedoch überhaupt nicht die Rede. Es ist heiß. Und trotzdem überall Kohl. Muss was dran an sein an diesem Kohl. Ich forsche also im Netz. Und werde mit Rezepten, wohlgemerkt auf Englisch, geradezu überflutet.
Kohl steht jetzt auf meiner Favoriten Liste nicht wirklich ganz oben. Trotzdem. Ich bin angefixt.
Zurück in Deutschland stehe ich auf dem Markt. Jetzt will auch ich auf dieser unglaublichen Kohl-Welle mitsurfen. Bin bereit für eine neue Geschmacksdimension. Sie haben doch eh fast alles von uns da drüben auf der anderen Seite des Ozeans.
Doch grenzenlose Fehlanzeige.
Unverständiges Kopfschütteln bei den Händlern auf dem Viktualienmarkt. Kohl? Jetzt? Da musst du bis zum Herbst warten, meint einer. Wirsing, ja den gibt es. Und weiter? Ich will nicht bis zum Herbst warten, schleiche um die Setzlinge des Grünkohls rum. Ja, der sei dann in ein paar Monaten soweit. Wenn es wieder kalt ist. Ich frage freundlich, warum dann genau vor ziemlich genau drei Wochen der Markt in USA mit Kohl überschwemmt sei, frage ich. Schulterzucken. Wieder Kopfschütteln. Ahnungslosigkeit.
Hätte ich nach frischen Koka Blättern gefragt, wäre die Reaktion vermutlich dieselbe gewesen.
Mein Verlangen nach diesem Kohl bekommt einen obsessiven Zug. Ich jage einen Geist. Renne wie ein Esel der Möhre hinterher und werde sie doch nie erreichen. Wie auch, wenn die „Möhre“ in Amerika hängt und ich sie in München suche..
Meine letzte Hoffnung, der italienische Gemüsehändler. Dort frage ich nach Cavolo Nero (toskanischer Schwarzkohl)und ahne auch schon wieder, was er mir antworten wird. Ich sehe es schon an seinem Blick. Komme ihm zuvor, verziehe den Mund zu einem verkrampften Lächeln. „Herbst, nicht wahr?“ Ja, genau. Herbst.
Grollend sehe ich meine „Kale-Chips“ schon am Horizont untergehen. Diese Chips aus geröstetem Kohl sind sehr populär. Hier kennen wir Gemüse Chips ja meist nur aus Beten und Rüben aller Art.
Und dann treffe ich die Entscheidung, dass was mit Grünkohl geht, auch mit Wirsing gehen muss. Kohl ist Kohl, bestimme ich. Kaufe also einen Wirsing. Davon nehme ich nur die zarten Blätter, wasche und trockne sie. Dazu bestes Olivenöl und getrocknete Kräuter.
Das Ergebnis? Ich bin begeistert.
Eine völlig neue Chips Dimension, die ich jedem nur ans Herz legen kann. Die Fortsetzung folgt dann im Herbst. Wenn es kalt ist.
Oh, nervenaufreibender Kohl!
Wirsing Chips
1 mittlerer Wirsing
1 EL Olivenöl
1 TL Garam Masala
1 TL Cayenne Pfeffer
Salz
Vom Wirsing den Strunk entfernen, die Blätter waschen und trocken tupfen. Den harten Strunk in der Mitte der Blätter herausschneiden und die Blätter vierteln. In einer Schüssel mit dem Olivenöl und den Gewürzen gut mit den Händen vermengen (hier darf man gerne auch mit den Gewürzen kreativ sein und ausprobieren, was da noch so alles geht).
Den Ofen auf 110° vorheizen. Ein Backpapier auf einem Blech oder Gitter ausbreiten und die Blätter so darauflegen, dass sie möglichst nicht überlappen. Etwa 40 Minuten im Ofen trocknen lassen. Auf einem Küchenkrepp auskühlen lassen.
7 Kommentare
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- Urban Farming @ Prinzessinnengärten | Food with a View - [...] and sold before the first frost. Claudia of Dinner um Acht had posted a funny story about the Kale-Verschwörung…
Schöne Kale-Geschichte und schöne Wirsing-Chips :-).
Die Ostfriesenpalme oder Grünkohl (wie der Braun- oder Schwarzkohl in meiner norddeutschen Heimat genannt wird) wird meines Wissens nur in Europa als Winterkohl angebaut und dies zumeist krausblättrig – und im Rest der Welt tendenziell eher glattblättrig das ganze Jahr. Nicht nur als Kale in Nordamerika, sondern unter diversen anderen Namen auch in Asien und Afrika, weshalb man eventuell in Asialäden Glück haben könnte, wenn Grün-/Braun-/Schwarzkohl bei uns off-season ist. Dass man hier so auf den Winter fixiert ist hängt wohl daran, dass man ihn milder haben möchte, was nach dem ersten Frost dann auch der Fall ist. In Nordamerika hingegen schätzt man gerade das Ruppige am Kale – so habe ich ihn jedenfalls im (frühlingshaften) Vancouver kennengelernt. Bekam man dort bei jedem greengrocer.
Liebe Claudia, das mit dem Asialaden ist ein toller Tipp. Da werde ich mal auf die Suche gehen. Aber scheint, dass auch Du vom Kale begeistert bist. Wir sollten uns mal zu einem kleinen Kale Event zusammen tun. Neulich habe ich ein Rezept für Kale-Eistee gelesen. Verrückte Amis… ;-)
Liebe Grüße
die Namensschwester
Kale-Eistee, doppelkreisch! So etwas Verrücktes habe ich noch nicht gelesen, aber ich kann mir das lebhaft vorstellen und habe auch gleich eine Anschluss-Idee für die dereinstige heimische Wintersaison: Grünkohl-Grog…
Prima, lass uns gern mal ein kleines Event machen – Teil eins wird dann wohl die sommerliche Suche nach dem Kraut sein ;-). Kommt auf die Such-die-tolle-Zutat-Liste für den Wochenend-Einkauf, auf dem schon schwarze Bohnen stehen.
Lieben Gruß zurück!
Da ich ja sehr stark in englischen Blogs unterwegs bin, ist mir die Kale-Welle schon vor einer ganzen Weile entgegen geschwappt und ich hab dabei ungefähr so geguckt, wie der Händler am Viktualienmarkt. Hierzulande gilt doch Grünkohl ja fast als arme Menschen Gemüse für den langen Winter und die Horde an gesundheitsbesessenen Großstadtamerikanerinnen und Bloggerinnen flippt ja förmlich nach Kale aus. Eine in Paris lebende Amerikanerin hat sogar einen Blog, der sich nur darum dreht: „the kale project“. Roll my eyes!
Lieber Igor,
„the kale project“ ? Cool, da geh doch gleich mal stöbern… Danke für den Tipp!
LG, Claudia
Tja, die unterschiedlichen kulinarischen Traditionen *seufz* Aber es hindert ja auch niemand einen daran Grünkohl so zu säen/pflanzen, dass er früher als erster Frost groß ist :-) Wenn ich mal einen eigenen Garten hab *doppelseufz*
Diese Kohl-Chips sind mir auch schon in etlichen Blogs aufgefallen, war nur immer skeptisch (obwohl ich Kohl in eigentlich allen Varianten liebe), ich behalte das Rezept für den Herbst im Hinterkopf und werde dann berichten :-)
Da hast du völlig recht. Es hindert einem keiner. Ich bin jedenfalls gespannt, was du berichten wirst im Herbst.
LG, Claudia