Wir fuhren oft durch die sanften Hügel von Custoza entlang der Weinberge, wo nachts in der Nähe von Valleggio kleine, weiße Eulen auf dem Feldweg hüpften. Immer hatten wir nur zwei Dinge im Kopf – Tortellini und Wein. Stets versüßte uns diese Aussicht die langen Tage in der wenig romantischen Nähe des Flughafens.
Und so fuhren wir nach Borghetto sul Mincio, jenem traumhaften Fleck Erde, wo wir eintauchen konnten und den Alltag vergessen. Dazu immer eine Flasche Custoza, manchmal auch zwei. Ich mochte diesen Wein und ich konnte nicht so recht verstehen, weswegen er sich nicht aus dem Schatten des Lugana, jenem Wein, den München derzeit wohl am liebsten trinkt, erheben konnte.
Nie ergab es sich, dass ich eines der Weingüter besuchen konnte, schließlich war ich nicht zum Spaß in der Gegend und so blieb mir stets nichts anderes übrig, als den Wirten in den Restaurants ihre Flaschen abzukaufen und mit nach Hause zu bringen. Irgendwann war sie dann vorbei die Zeit, das Projekt war beendet.
Fortan war der Custoza wieder jenseits der Alpen.
Meine Freude war riesig, als die Einladung zu einer Custoza Degustation ins Haus flatterte. Welch ein Wiedersehen! Dass diese darüber hinaus in dem wohl bekanntesten Sternerestaurant Münchens, dem Tantris, stattfinden sollte, begleitet von einem korrespondierenden Menü, erhöhte die Vorfreude gleich noch mehr.
Natürlich gibt es rund um den Gardasee Custoza DOC, seinen Namen „Bianco di Custoza“ hat der Wein schon vor geraumer Zeit abgelegt, in jedem Supermarkt zu kaufen und in der Regel ist diese Qualität eher weniger erwähnenswert, doch einige der angereisten Winzerinnen und Winzer haben sich aus dieser Ebene erhoben und haben feine Tropfen mitgebracht. Schätze, die es wert sind genauer betrachtet zu werden.
Gleich im ersten Flight treten fünf „Youngster“ aus dem vergangenen Jahr an. Zu Lobster und Languste mit Avocado und jungem Fenchel, gibt es einige schöne Entdeckungen. Mit verhaltener Mineralik und salzigen Mandel- und Blütenaromen greifen die beiden 2013 Custoza – Tamburino Sardo und Pigno – die Anisnoten des Fenchels besonders schön auf und geben dem Gesamteindruck eine florale Fülle.
Zum Huchen mit einer Brunoise aus Sellerie und Apfel und einer grandiosen Brühe aus Holunderblüten, beginnt die nächste Runde mit weiteren fünf Weinen. Jetzt wird es schon eine Spur kräftiger. Einige der Weine durften doch ein wenig länger auf der Hefe bleiben, ihnen wurde eine angemessene Ruhe gegönnt, und schon entfalten sich hier die traditionellen Rebsorten Trebbiano Toscano, Garganega, Trebbianello, Chardonnay und Cortese auf eindrucksvolle Weise. Mein Herz erobert der Custoza 2013 „San Michelin“ Gorgo im Sturm. Hier beginnt ein Tanz um den Holunderbusch auf meinem Teller. Das ist pure Lust, die hier am Gaumen rockt.
Beim Hauptgang mit Kalbsrücken, Risotto und frischen Chanterelle Pilzen, ist die nächste Weinrunde ein ganzes Jahr älter als seine Vorgänger. Und das ist auch zu schmecken. Hier wird es ausladender.
Gleich der erste Wein, ein Custoza 2012 Villa Medici, betört mich einer Blume aus Pflaumen und Schiefer. Und geschmacklich erscheint jetzt die kleine japanische Umeboshi, jene fermentierte Aprikose, die mit Salz und Frucht so manchem Gericht eine unglaubliche Raffinesse verleiht, am Horizont. Einbildung oder Wirklichkeit? Hier entzücken alle der präsentierten Weine. Zum letzten Bissen gibt es noch einen zarten Hauch von Safrannote des Custoza 2012 „Amedeo“ Cavalchina.
Das Dessert begleitend, werden noch einige ältere Weine, sogenannte Vintage Weine angeboten, doch nach diesem fulminanten Hauptgang und seiner Begleiter, neigt sich meine Amplitude der Begeisterung wieder nach unten. Das war nicht mehr zu übertreffen.
Zufriedenes Glück breitet sich nun aus und wieder bedaure ich es, nicht so richtig mit den Winzern am Nebentisch plaudern zu können. Möchte ich sie doch gerne fragen, ob es noch immer die kleinen weißen Eulen zwischen den Hügeln gibt. Mein Italienisch ist ein wenig eingerostet. Aber immerhin erfahre ich, dass in zwei Wochen in Borghetto ein großes Fest stattfinden wird. Eine Tafel wird auf der großen Brücke aufgebaut. Es ist an Kitsch grenzend romantisch dieses Borghetto. Es wird Custoza geben und ganz sicher die göttlichen Tortellini. Ich würde so gerne hinfahren.
Informationen zu den Weinen gibt es hier: Consortio Tutela Vino Custoza DOC, www.vinocustoza.it
und noch mehr zu lesen über diesen Event gibt es hier beim Tellerschubser
Wieder so ein herrlicher Verkostungs-Bericht, liebe Claudia. Und auf der Brücke an der Tafel und bei den kleinen weißen Eulen, da wäre ich auch zu gern. Seufz.
Ganz ehrlich – dieses Bild von den kleinen hüpfenden Eulen auf dem Feldweg war definitiv NICHT dem Wein geschuldet. Die waren echt. Und Borghetto ist wirklich so toll. Allerdings unter der Woche noch schöner – da sind nicht so viele Touristen da.
Ich liebe die Weine aus dieser Gegend, auch den „Bruder“ des Custoza, den Bardolino in rot oder rosé, mag ich sehr gerne. Danke für diese Anregung, ich könnte mal wieder Nachschub bestellen ;-)