30. März 2014

Austrinken!
Stephan Hinz schreibt ein bemerkenswertes Buch über die Zukunft der Bar

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Ständig sprechen wir davon, dass wir mal wieder schön gepflegt einen trinken gehen sollten. In einer schicken Bar, wo man richtig tolle Cocktails bekommt. Wir machen das ja sowieso viel zu selten, das mit dem gepflegten Trinken. Grad letzte Woche haben wir wieder davon gesprochen. Im Urlaub machen wir das immer gerne. Lümmeln uns zum Sundowner in einen bequemen Sessel, die Zehen vorzugsweise im Sand vergraben, schlürfen einen Planter’s Punch und starren auf die untergehende Sonne.  Meist ist der Drink etwas zu süß, aber wen juckt das schon. Im Urlaub trinken wir uns den eben auch schön.

Gäbe es nicht diese tollen professionellen Bartender, dann hieße mein geistiger Cocktail-Horizont vermutlich noch immer Whisky Sour, oder was ich eben während meiner exzessiven Ausgehjahre stets fröhlich in mich reingeschüttet habe.
Einer dieser wirklich ganz tollen Bartender ist Stephan Hinz. Der hat jetzt ein Buch über Cocktails geschrieben. Über die Zukunft der Bar. In „Cocktail Kunst“ gibt der mehrmalige Weltmeister und Mixologe nicht nur Einblicke in die kontemporäre Kunst des Mixens sondern schleicht sich auch gekonnt in die Welt der Molekularküche, denn gleich der Sterneküche, wo es immer wieder aufs Neue um Innovationen geht, ist auch für ihn nach oben noch ganz viel Luft.

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Vorgestellt in der Goldenen Bar in München. Leckere Häppchen als Stärkung zu den tollen Cocktails gab’s dazu.

Sein Credo „ein Cocktail ist immer nur so gut wie seine schlechteste Zutat“  lässt keine Fragen offen. Jedem der mit Hingabe kocht ist klar, dass Qualität  – und nur Qualität –  die Ausgangsbasis für gute Küche ist. Für ein tolles Biofleisch fahren wir auch gerne mal weiter zum Bio Hof. Und genauso verhält es sich auch mit den Ingredienzien eines Drinks.

In seinem Buch nimmt er den Leser, also mich, an die Hand und führt mich durch die Geschichte des Trinkens (absolut lesenswert!). Gläser und Barwerkzeuge werden vorgestellt und die grundsätzlichen Techniken des Mixens. Im Kapitel „Harmonielehre“ geht er ähnlich vor wie die Geschmacksexperten, die uns mit dem „Flavour Thesaurus“ und der „Flavour Bible“ den Horizont dafür geöffnet haben, was zu was passt, wie man konträre Geschmacksrichtungen gekonnt komponiert und spektakuläre Akzente setzt.  Für all jene, denen das noch nicht weit genug geht, öffnet Stephan Hinz die Tür zu den abgefahrenen Techniken. Da kommen Thermalisierer und Rotationsverdampfer zum Einsatz, es geht um Karbonisierung und Fatwashing. Yeah!, denke ich – das ist geiles Zeugs, aber weit davon entfernt in meiner bescheidenen Cocktail-Welt zuhause Einzug zu finden. Aber genau aus diesem Grund sollten wir in eine Bar gehen, sollten uns jene aussuchen, die solche Trends leben und damit experimentieren.

Wie das alles schmeckt durfte ich dann vergangen Donnerstag in der Goldenen Bar in München erfahren. Das ist eine wirklich schöne Bar, und vermutlich die beste der ganzen Stadt.
An diesem Abend ist Stephan Hinz da. Zusammen mit seinem Buch und diesen grandiosen, abgefahrenen Cocktails. Fürs Auge ist das Ganze schon mal ein Fest, noch besser wird es beim Trinken. Serviert in Reagenz Gläsern, Erlenmeyerkolben, Apotheker Gläsern und Teeschalen stehen seine Kreationen zum Verkosten bereit. Mal knackt es ganz hinten meinem Kopf von der Brause, dann wieder brennt es leicht auf der Zunge. Ich bin im Mittelpunkt eines Aromen-Bombardements. Meine absoluten Lieblinge kommen aus dem Reagenz und heißen „Pocket Rocket“.  Wodka und Rucola sind da u.a. drin (Rezept weiter unten) und  sind leider immer wieder viel zu schnell leer.

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Dazwischen eine „flüssige Currywurst“ – sehr anregend. Oder vielleicht doch noch ein Erlenmeyerkölbchen? Mit dem leckeren Champagner und der Zitronenmelisse? Schnell ein paar der köstlichen Häppchen, damit das mit der Grundlage auch klappt.

Das könnte fröhlich so weitergehen…

Zum Schluss signiert Stephan mir noch eines seiner Bücher und malt noch ein kleines Bild dazu. Überhaupt ist er ein so freundlicher Mensch, dass ich ihm am liebsten all meine Urlaubs-MaiTai-Sünden beichten möchte. Gelobe mir feierlich Besserung, wieder öfter in einer guten Bar zu trinken.

Es steckt ganz viel Hingabe in diesem Buch, das ich wirklich jedem trink-affinen Menschen wärmstens ans Herz legen kann. Wo es nicht nur um moderne Mixkultur geht, sondern welches auch ein exzellentes Kompendium der klassischen Cocktails darstellt. Ein Werk für Profis und solche wie mich. Und für all jene dazwischen.

Und so krame ich nach dieser Begegnung wieder den alten Shaker aus der Ecke des Küchenschranks und zertrümmere das Eis mit dem Hammer im Geschirrtuch. Geht alles.

Danke Stephan für die Ermunterung! Cheers!

StephanHinz

Stephan Hinz hat Spaß und signiert auch mit Hingabe. Unten im Bild meine liebe Bloggerkollegin Maja und sein Kollege Lars Holzem.

Und hier mein Favorit Pocket Rocket Cocktailkunst (1 von 1)-4

Für etwa 14 Reagenzgläser

200 ml Wodka * 250ml Maracuja Saft * 60 ml frischer Limettensaft * 20 ml Mandelsirup * 50 ml Kokosnusssirup * 1 Handvoll Rucolablätter * 2 Barlöffel Citras

Alle Zutaten in den Mixer geben und pürieren bis eine glatte Flüssigkeit entsteht. Zweimal passieren. Citras vollständig unterrühren, es hilft, die kräftige grüne Farbe zu erhalten. (Hinweis: Citras ist Natriumcitrat in Pulverform und kann online bestellt werden)

Cocktail Kunst, die Zukunft der Bar“ von Stephan Hinz ist im Verlag Edition Fackelträger erschienen.

 

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