Ich hätte ihn schon einmal treffen können, in Madrid auf der Gastromesse Fusion. Hätte – allein, ich hatte zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, wer er war. Ich war noch im Fieber der peruanischen Küche, war gespannt auf die Köche, die ich aus Lima kannte, und erst ein paar Monate später, drehte sich mein kulinarischer Fokus gen Norden. Neue nordische Küche – das erste was einem hierzu einfällt, ist natürlich Kopenhagen. Noch nordischer. Nein, nicht Island.
Als ich meine Reise nach Finnland plante, wusste ich bereits, dass mir nicht allzuviel Zeit zur Verfügung stehen würde, um die Sterne des Nordens zu erforschen. Aus fünf Michelin besternten Küchenchefs galt es eine Wahl zu treffen. Ich entscheide mich für Filip Langhoff. Soviel vorweg – es war eine fantastische Wahl.
Geboren 1980 in Helsinki, entdeckte Filip Langhoff in Garten seiner Großmutter seine Berufung. Nach seiner Ausbildung in Oslo kamen Stationen im „El Bulli“ und „Chez Dominique“, nebenbei gewann er 2009 den Bocuse d’Or. 2012 eröffnete er sein kleines, feines Restaurant ASK in Helsinki.
Mein Flug zurück nach Deutschland geht um 16:00, der komplette öffentliche Nahverkehr streikt, Taxis sind nicht zu bekommen und es gießt in Strömen. Einzige Chance, ihn zu besuchen, ist zum Lunch. Von meinem Hotel aus zu laufen würde mich zuviel Zeit kosten, kostbare Zeit, die ich lieber mit seinem Essen verbringen möchte. Kurzum, ich brauche ein Fahrrad. In der Lobby meines Hotels muss ich meinen Koffer wieder öffnen, das große Regencape rausholen, das Handy mit der Wegbeschreibung möglich wasserdicht in eine Plastiktüte packen und schon schwinge ich mich aufs Rad. Gangschaltung kennt es nicht und wer glaubt, dass Helsinki flach sei, hat sich gewaltig geirrt. Es geht munter den einen Hügel rauf und dann wieder runter. Ich verfahre mich ein wenig und schaffe es dennoch, rechtzeitig dort zu sein. Vielleicht ist es nicht mein glamourösester Auftritt, mit einem triefenden Regencape bekleidet, ein Sterne Restaurant zu betreten. Egal, ich bin da.
Allergien nein und ja, ich esse alles und vielleicht doch nicht die volle Weinbegleitung, schließlich muss ich es auch wieder schaffen, mit dem Rad zurück zum Hotel zu kommen. Der freundliche junge Mann im Service nickt zufrieden.
Kurz darauf bringt er mir das Amuse. Über Holzkohle gegrillte Gurke mit Kapuzinerkresse Öl, eingelegten Senfkörnern und Schwarzwurzel. Dass Raucharomen und Gurke so genial mit einander harmonieren, ist eine Entdeckung.
Die Vorspeise, die auf der Karte zurückhaltend als Ziegenkäse mit Radieschen angekündigt wird, ist eine feine Ziegenkäsecreme, eine Vinaigrette mit Radieschenblättern, und feinen Crisps. Sehr geradeaus, nicht verspielt. Überzeugend. Filip kommt aus der Küche und erklärt das Gericht, wo es eigentlich nicht viel zu erklären gibt, nur, woher die Vinaigrette ihre unglaublich grüne Farbe her hat.
Beim nächsten Gang bin ich nicht schnell genug, das Foto zu machen, bevor die Sauce dazukommt. Wieder gibt es Whitefish – wieder schmeckt er völlig anders. Ganz leicht geräuchert ist er diesmal und zusammen mit den frischen Bohnenkernen eine sehr schöne Komposition. Hier trifft Rauch auf Säure. Ich bin begeistert.
Vor dem Hauptgang wechsele ich den Wein. Der Santenay Clos de La Comme-Dessus 2010 von Vincent Girardin ist genau das Richtige für das, was auf der Karte als Beef & Celeriac angekündigt wird. Dahinter verbirgt sich ein Ochsenschwanz Ragout mit Baby Wacholder, frittierter Petersilie und zartem Sellerie. Wunderbar harmonisch. Auf einem grandiosen Teller präsentiert (von der Sorte, die ich am liebsten habe).
Ich lehne mich zurück, schaue aus dem Fenster. Versinke kurz in glücklicher Entspannung. Dann die Frage, ob ich gerne noch einen Käsegang hätte. Hätte ich. Unbedingt. Ein finnischer Blauschimmelkäse von einem kleinen Bio Hof mit einem Rhabarber-Apfelgelee. Schnörkellos. Das muss der Moment gewesen sein, wo ich aufhörte an ein Foto zu denken. Ich habe keines gemacht, ich habe einfach nur den Käse aufgegessen und war zufrieden.
Aus der Küche kommt ein kleines „Vor-Dessert“, ein beeriger Schaum mit einer Milchsauce. Es ist ein bisschen wie das Lieblingsgericht meiner Kindheit, Blaubeeren mit Milch, nur in fein. Das Finale ist ein Schälchen mit verschiedenen Beeren (ich wäre versucht zu sagen, in verschiedenen Aggregatszuständen) auf einem Milch Sorbet mit Knusper und kleinen Blüten.
Der Gedanke, dass ich mich gleich wieder aufs Rad schwingen muss und den Weg möglichst in dreiviertel der Zeit schaffen sollte, die ich gebraucht habe um herzukommen, ist zu diesem Zeitpunkt nicht willkommen. Es hilft nichts.
Es war es wert. Umso mehr, weil ich die Gelegenheit bekommen habe, den sympathischen Filip Langhoff ein wenig kennenzulernen und natürlich weil es ein großartiges Erlebnis war. Ich kann wirklich jedem empfehlen diese Lunch Option zu wählen. Wer Sterneküche zu einem angenehmen Preis erfahren will (49,00 Euro das 4 Gänge Menü), dem öffnet sich hier eine Tür in die pure, nordische Sterneküche.
Jetzt, wo diese Tür endlich geöffnet wurde, freue ich mich auf noch viele Erlebnisse.
RESTAURANT ASK
Vironkatu 8, Helsinki 00170, Finnland
INFO@RESTAURANTASK.FI
+358 40 581 8100
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