Es ist der letzte Teil meiner Reise nach Südkorea, die Wetteraussichten waren nicht wirklich so verlockend, dass ein Besuch am Meer ein sonniges Vergnügen versprach, außerdem war da noch die Gepäckfrage. Nach mehr als vier Wochen und zwei großen Taschen mehr, war es nicht mehr lustig, das Gepäck in den nächsten Bus oder Zug zu schleifen. Letzte Station meiner Reise sollte also Chunjeong sein, von Seoul 2 Stunden entfernt. Nicht wirklich ein Touristen Magnet. Das Hotel in seiner Schlichtheit nicht weiter erwähnenswert. Doch das alles war einem höheren Zweck geschuldet. Ich war nicht hier, um die Hochhäuser zu bestaunen (wo es nichts zu bestaunen gibt), sondern um mehr über Daenjang, das Miso Südkoreas zu erfahren. Einen Tag hatte ich dafür eingeplant, danach ans Meer, Füße in den Sand stecken.
Es sollte anders kommen. Beseelt von dem Wunsch, mir ihr Korea zu zeigen, nahm die Königin des Daenjang sich meiner an, packte mich kurzerhand in ihr Auto und fuhr los. Erwähnenswert hierbei – wir waren nicht in der Lage zu kommunizieren außer über Google Translator. Und was da teilweise für ein Mist rauskam ist spektakulär. Ich schätze mal, die Übersetzer litten unter einem starken sozialen Zuwendungsmangel, denn anders ist die Schlüpfrigkeit der Übersetzungen nicht zu erklären, die dann, um die andere Seite nicht in Verlegenheit zu bringen, meist mit einem Lächeln quittiert wurden, gefolgt von einem ahnungslosen Kopfschütteln.
Am ersten Tag, nachdem die Fässer mit der Soja Sauce und dem Daenjang ausgiebig begutachtet wurden, sämtliche Infos über sagenumwobene Baumpilze in Wort und Schrift festgehalten waren, fuhren wir bei strahlendem Sonnenschein entlang an kleineren Seen und durch hügelige Landschaft zu der ältesten Pinie des Landes. Sie sieht ein wenig lädiert aus diese Pinie, die mehr als tausend Jahre alt ist. Der letzte oder vorletzte Taifun hat ihr großen Schaden zugefügt und sie ist seitdem mit Krücken ausgestattet. Die Nationaltrauer darum war groß.
Ziel an diesem Tag ist Beopjusa bei Boeun. Am Rand des großen Nationalparks Songnisan liegt eine buddhistische Tempelanlage. Wir wandern einige Zeit durch spätherbstliche Laubwälder und dann stehe ich plötzlich davor. Eine 33 Meter hohe goldene Buddha Statue, Holzpagoden, wunderschöne kleine und große Pagoden und das Allerschönste – es ist fast niemand sonst hier. Um uns herum bunter Wald, ein paar Mönche in ihren roten Gewändern. Neben der imposanten Statue ist es der Reiskessel für 300 Personen, der mich fasziniert. Er ist so riesig und ich kann mir nur in Ansätzen vorstellen, was für eine Arbeit es sein muss, allein den Reis darin zu kochen und umzurühren. Wer das einmal gemacht hat, hat mit Sicherheit ein großes Plus auf seinem Karmakonto.
Wir gehen in das Teehaus neben den Pagoden. Es liegt ein wenig versteckt hinter den Bäumen und eigentlich sieht es auch eher aus wie eine Bücherei, wären da nicht die wenigen Tische, von denen nur einer besetzt ist. Hai Soon, so heißt meine Daenjang Dame, versucht mich zu fragen, was ich gerne trinken möchte, kurz liebäugle ich mit einem Quittentee, doch dann überlasse ich es ihr, für mich etwas auszusuchen. Kurze Zeit später steht eine dicke Brühe mit säuerlich-fruchtigem Duft vor mir. Dunkelrot-braun. Es ist Jujube Tee. Ich wollte schon immer mal den Tee dieser Beere, die ein wenig wie eine Mischung aus Kirsche und Dattel aussieht, probieren. Er ist köstlich. Wärmt, sättigt und während ich meine Tasse in den Händen schaukle und mein Blick über die herbstlichen Wälder streift, bin ich sehr glücklich. Alleine hätte ich vermutlich niemals hierhergefunden.
Am nächsten Tag geht es weiter in den Süden. Auf den Autobahnen hier fährt man gemäßigt, alle paar Kilometer ist ein Blitzer installiert, den das Navi lautstark ankündigt. Wir fahren ans Meer. Hai Soon möchte mir unbedingt die Wetlands im Naturpark Suncheon zeigen (sie gehören zu den größten der Welt). Ein faszinierendes Sumpfgebiet und Heimat von Myriaden an Quappen und Glotzaugen. Glotzaugen sind Fische, nur damit wir uns richtig verstehen.
Zu tausenden marschieren die Besucher auf den kleinen Holzwegen durch das Schilf. Man sieht nur Schilf und dazwischen immer wieder ein nicht abreißendes Band von Köpfen über den Schilfkronen. Immer wenn ein kleines Glotzauge im Schlamm entdeckt wird, entsteht ein Stau, denn dann müssen alle ein Foto machen. Natürlich mache ich auch ein Foto nur um später festzustellen, dass ich vermutlich die Stelle auf dem Bild, wo sich ein wenig Schlamm vom Schlamm abhebt, mit einem Leuchtstift hätte markieren müssen. Da ist der Schilfgarten schon interessanter. Noch nie habe ich so viele verschiedene Schilfarten auf einem Fleck gesehen. Graziös bewegen sie sich im Licht der tiefstehenden Sonne. Ich lausche dem Wind, und das Schilf erzählt Geschichten dazu. Doch Hai Soon hat es jetzt eilig und sie will unbedingt noch näher ans Meer mit mir. Wieder fahren wir über die Autobahn, diesmal nach Westen. Und dann, im letzten Dämmerlicht, sehe ich ihn. Den Mond über dem Meer. Eine milde Brise weht landeinwärts. Es ist wunderschön.
Das Restaurant in Jeolla, das sie für unser Abendessen ausgesucht hat, würde ich mit Sicherheit nie wieder finden. Im Gegensatz zu den Restaurants in der Hauptstadt kennt man hier überhaupt keine Tische mit Stühlen. Alle sitzen auf dem Boden. Und alle Tische sind voll. Und was ich in den Schüssel und auf Tellern sehe, macht mich sprachlos (wobei ich das genaugenommen eh schon bin aufgrund der Kommunikationsprobleme).
Das also ist sie – die berühmte Hansik Küche, traditionelle koreanische Hochküche. Köstlich geschmortes Fleisch, Tintenfisch in einer Sauce mit kandierter Zitronenschale, Rettichnudeln in schwarzer Sesamsauce, verschiedene Gemüse mit Tofu, immer noch mehr Schüssel werden an unseren Tisch gebracht. Und ich bin am Verzweifeln. Keine Karten mit englischen Beschreibungen und meine wunderbare Begleiterin ringt dem Online Übersetzungstool alles ab. Und das liefert nur unzusammenhängenden Blödsinn. Zum ersten Mal auf meiner Reise kann ich nicht fragen, was genau ich alles esse. Und in diesem Moment, auch wenn ich jetzt hier nicht mit fundierten Kenntnissen glänzen kann, ist es mir auch völlig egal. Ich lasse mich nur vom Geschmack führen. Mein Gaumen ordnet Texturen und Geschmäcker zu, er gibt wirklich sein Bestes und jedes Mal, wenn er einen Treffer erzielt hat und etwas eindeutig definierbar ist, leuchtet in meinem Hirn ein rotes Lämpchen auf. Mit der schwarzen Sesamsauce würde ich mich am liebsten jeden Tag einreiben, so köstlich ist sie. Neben dem Eingang ist ein winziger Laden, wo man alle fermentierten Gemüse, die man gegessen hat, besichtigen und kaufen kann. Hier wird alles selbst gemacht und der Duft ist umwerfend.
Glücklich starre ich hinterher in die Schwärze der Nacht, als ich zu meinem Hotel zurück gefahren werde.
Worte können nicht beschreiben, wie dankbar ich dieser Dame bin, dass sie mir so wundervolle Seiten von Südkorea gezeigt hat. Und in diesem Moment bin ich unendlich froh, dass ich vier Wochen lang einen Christstollen, Zimtsterne und Marzipankugeln quer durch Japan, Taiwan und Korea getragen habe, denn mit leeren Händen hätte ich nicht herkommen mögen. Trotzdem ist meine Dankbarkeit ob dieser Gastfreundschaft nicht mit allen Stollen Dresdens aufzuwiegen.
Was für ein schönes Land!
Gamsahamnida – Danke!
Adressen:
Songnisan National Park (Chungcheongbuk-do) (속리산국립공원-충북)
Beopjusa (Korean: 법주사 or Beopju temple)
405 Beopjusa-ro Boeun-gun North Chungcheong Province
english.visitkorea.or.kr
Suncheon Bay
513-25, Suncheonman-gil, Suncheon-si, Jeollanam-do
전라남도 순천시 순천만길 513-25 (대대동)
www.suncheonbay.go.kr
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