„Dieser Januar ist ungewöhnlich.“
„Die Stadt hat sich sehr verändert in den letzten Jahren.“
Was hat sich verändert?
„Alles.“
Porto ist geduldig mit mir. Längst haben alle Fluggäste das Terminal verlassen. Während ich ungeduldig Formulare ausfülle und meinen verlorenen Koffer beschreibe, wartet Joao noch immer auf mich. Ganz allein steht er da mit einem Schild worauf mein Name steht. Jeder andere hätte längst aufgegeben. Ich kann ihn nicht anrufen. Ich habe keine Nummer von ihm. Ich kann nur hoffen. Hoffen, dass er wartet.
Ich stürme aus der Ankunftshalle und da steht er. Mit einem strahlenden, erleichterten Lächeln. Ich bin da. Während ich mich zerknirscht auf die Rückbank des Wagend kauere, will er freundlich wissen, warum ich nach Porto gekommen bin, was ich sehen will, woher ich komme. Ich kann noch so sehr aus dem Fenster in die Dunkelheit starren, ich werde ihm nicht lange standhalten. Ich bin in Porto. Endlich.
Eine warme Nachtluft empfängt mich. Wen kümmert da schon so ein verlorener Koffer. Wir unterhalten uns. Und während ich ihm erzähle, warum ich hier bin, warum ich genau jetzt im Januar Porto besuchen wollte, was ich alles erleben und essen möchte, sprudelt er schon über vor Ideen. Ich müsse unbedingt nach Matosinhos, er zeige mir auch das beste Fischlokal, und den Fischmarkt, er hole mich auch gerne früher ab, damit ich genug Zeit habe. Ich müsse unbedingt Francesinha probieren. Alle in Porto lieben dieses Sandwich. Ich dürfe auf keinen Fall wieder nach hause fahren, ohne es probiert zuhaben. Mir bleibt kaum Zeit zum Luftholen. Gierig sauge ich seine Freundlichkeit auf, merke, wie der Panzer meiner Wut über den verlorenen Koffer irgendwo vor Ribeira aufgebrochen ist, mache das Fenster auf und lächle die Lichter der Stadt an. Jetzt, jetzt bin ich angekommen.
Noch vor einigen Jahren war Porto im Januar voll mit Touristen aus Brasilien, doch seit der brasilianische Real um mehr als die Hälfte an Wert gegenüber dem Euro verloren hat, bleiben die Touristen aus. Auch meint Joao, sei es viel kälter gewesen, so um die sieben Grad etwa, also kein Vergleich zu den Temperaturen jetzt, die locker das Quecksilber an die zwanzig Grad Marke treiben. Bei Minusgraden und Schnee habe ich München verlassen und jetzt strecke in meine Arme in die milde Nachtluft Portos.
Mein Hotel liegt direkt am Fluss. Ich öffne das Fenster und sehe Nebelschwaden über dem Wasser, Lichter, die darin verschwimmen, Menschen, die am Kai entlang spazieren gehen. Das gelbe Licht der Laternen spiegelt sich von beiden Seiten des Duoros im Wasser.
Am nächsten Morgen fahre ich mit der Kabinenbahn – noch bin ich faul und habe kein schlechtes Gewissen – hoch ins Zentrum von Porto, wo ich Andre von den Taste Porto Food Tours treffe. Zusammen mit ihm und drei weiteren Genussbegeisterten, will er uns über den großen Markt und in besondere Lokalitäten der Stadt führen. Bequeme Schuhe sind angesagt.
Die Tour beginnt mit fluffigen Pasteis. Was könnte schneller durch den Magen das Herz erobern, als die köstlich gefüllten Blätterteig Pasteten? Der Nationalstolz Portugals. Durch die verwinkelten Gassen geht es weiter zum großen Markt. Was in der Hochsaison sicherlich schwer zu ertragen ist, weil enge Gassen und ausladende Stände, ist jetzt ein Traum von einem Markt und gut besucht, aber hauptsächlich von den Einheimischen. Gierig saugt mein Blick die angebotenen Gemüse auf. Rübstiel, allerfeinst geschnittener Grünkohl für die Caldo Verde, Rüben und Kürbisse. Dazwischen die ersten Gewächshaus-Erdbeeren aus Spanien, doch größtenteils werden hier lokale Produkte der Saison angeboten. Andre, unser Guide, führt uns zum großen Wurstmeister. Spontan fangen meine Speicheldrüsen an zu pumpen. Was für herrliche Würste!
Wir probieren Sardinen mit Moscatel Wein und eine würzige Wurst. Ich beobachte die Frauen beim Fisch kaufen. Es gibt schönen Oktopus. Und es gibt überall ein Lächeln. Mehr als das. Alle sind freundlich und schenken mir nicht das „ich-möchte-dir-gerne-etwas-verkaufen-Lächeln“ sondern ein offenes Lächeln. Ich möchte hierbleiben. Möchte einkaufen, kochen oder zumindest in dem kleinen Café etwas trinken und weiter die Stände beobachten. Es hilft nichts, wir müssen weiter. Vor uns liegen noch gute drei Stunden Probieren, Kosten und Entdecken. Ein kleines Slow Food Restaurant serviert uns ein Sandwich mit einem Fleisch, das fast einen Tag im Holzofen geschmort wurde. Es gibt Käse, ich entdecke eingelegte Lupinen als Snack und Rotwein-marinierte Würste, die über Feuer kross gebraten werden. Am Ende der Tour bin ich so satt und überwältigt, dass ich am liebsten den Berg hinter rollen würde. Ich kann nur jedem diese Tour ans Herz legen. Ein Teil der Kosten für die Tour wird karitativen Einrichtungen gespendet. Man tut also auch noch was Gutes.
Am Abend sitze ich in einem Lokal vor meinem Hotel, genieße die Nachtluft und ein Glas Portwein. Portwein, genau. Über ihn will noch viel mehr erfahren.
Morgen. Morgen will ich Portwein. Die Lichter der Kellereien von der gegenüberliegenden Seite des Flusses locken bereits.
Taste Porto Food Tours
R. da Firmeza 476, 4000-226 Porto
Im nächsten Teil: Echter Geschmack und alte Flaschen.
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Ein wunderbarer Post, der mir zeigt, dass meine Entscheidung, im Frühling nach Porto zu fliegen, wohl eine meiner besseren war :)
Oh, ich bin so gespannt, wass du berichten wirst. Ich werde dir auf den Fersen sein….
Du lässt mir das Wasser im Munde zusammen laufen!
Portugal rückt immer höher auf meiner Reiseliste, ganz klar!
Liebe Grüße
Lena
Liebe Lena,
ja! Lass Portugal ganz nach oben rutschen. Du wirst nicht entäuscht sein.
Liebe Grüße
Claudia
Liebe Claudia!
Ich war letztes Jahr im Mai dort und hab mich ebenso in die Herzlichkeit der Menschen verliebt – so willkommen hab ich mich selten gefühlt! Am ersten Abend hat sich der Restaurantbesitzer zu uns an den Tisch gesetzt, uns eine Liste gemacht, was wir machen müssen und uns eine erste (kostenlose) Portweinverkostung gegeben. Folglich sind wir jeden Abend auf einen Absacker dorthin und feierten am letzten Abend einen Geburtstag mit als ob wir schon jahrelang befreundet wären!!! Falls du mal wieder dort hingehst, geb ich dir die Adresse – das Essen dort war nämlich auch der Hammer!
Ich freu mich auf deinen weiteren Bericht!
Ganz liebe Grüße,
Miriam
Liebe Miriam,
ich werde ganz sicher wieder hinfahren, vielleicht nicht so bald, aber nach Porto zieht es mich auf jeden Fall wieder. Allein schon wegen dem Duoro Tal, dass ich noch näher kennenlernen will.
Ich freue mich, dass auch Du diese Herzlichkeit so empfunden hast. Großartig. Und wegen der Adresse komme ich gerne auf dich zu.
Ganz liebe Grüße zurück,
Claudia
Oh wie schön, dass du die Tour gemacht hast! Mir hat das im Sommer auch sehr gefallen :)
Danke für den Tipp, liebe Ariane!
Ohhh Porto ist wirklich wunderbar! Eine Food Tour hab ich damals leider nicht gemacht… Zu schade! Aber ich möchte unbedingt bald wieder dorthin :)
Liebe Grüße,
Ela
Ich kannte Porto nur von vor 15 Jahren und da war es wirklich ganz anders. Damals empfand ich es als düster. Dieses Mal ist mir wirklich das Herz aufgegangen, was vermutlich daran liegt, dass ich auch viel mehr gegessen habe ;-)
Liebe Grüße
Claudia