14. September 2014

Geliebte Kohlenwasserstoffe – ein Abend mit edlen Weinen und Champagner, feinster Küche und Parfüm!

6 Kommentare

Die bei weitem beeindruckendste Gedächtnisleistung zu welcher unser Gehirn fähig ist, ist die für Gerüche und Düfte. Im Bruchteil einer Sekunde kann es uns plötzlich in längst vergessene Situationen zurück versetzen und oftmals sind wir erstaunt, wie wenig wir in solchen Fällen den Geruch wirklich beschreiben können und doch können wir mit absoluter Sicherheit in diesem Moment den Duft einer Umgebung oder einem bestimmten Menschen zuschreiben. Einerseits ist Duft etwas, was uns sehr subtil berührt, wir entscheiden aufgrund des Geruchs, ob wir einen Menschen mögen oder nicht, und andererseits ist es auch der Duft, den wir ganz bewusst einsetzen. Wir wollen bei der Wahl unseres Parfums unsere Umwelt gewissermaßen manipulieren. Da ist es naheliegend, dass unsere Fähigkeit zu solch einer sinnlichen Wahrnehmung nicht nur auf das Erleben von Duft zu beschränken. Es ist ebenso der Geschmack, der hier eine Rolle spielt. Was wenn plötzlich Wein, Essen und Parfüm sich nicht mehr aus feindlichen Lagern begegnen, sondern einander geradezu in ihrer Wahrnehmung potenzieren? Wieviel können unsere Sinne verkraften?
Und ist es nicht eigentlich eine Sünde, sich zu einer Verkostung zu parfümieren?
Gemeinhin wird dies so gesehen. Das bedeutet also, dass wir eine sinnliche Wahrnehmung dann am stärksten empfinden, wenn die Umgebung eine die Sinne beruhigende „Rauschreduzierung“ erfährt. Der köstliche Wein ist am besten zu genießen, wenn kein durchdringendes Eau de Irgendwas, die Nase ablenkt.
Um genau das Gegenteil dieser Reduzierung zu erleben, begebe ich mich auf eine abenteuerliche Reise. An diesem Abend soll ich also erfahren, was es heißt, wenn Essen nach Molekularstrukturen gekocht wird, wenn gleich einem Parfum, auch hier die unterschiedlichen Duftnoten komponiert werden, und wie dazu auch die synthetischen Düfte eines Parfüms mit den Noten eines Champagners oder Wein sich kontrastieren oder paaren.

Dieses Vorhaben, oder besser diese Mission mit dem Namen „das Parfum in der Küche“ erscheint mir gewagt. Den Anstoß für dieses Experiment geben die Häuser Givenchy, Moët Hennessy und der Verlag Tre Torri und laden zu dieser Reise in das renommierte Mandarin Hotel in München ein, wo sich Küchenchef Simon Larese dieser spannenden Aufgabe stellt.

Doch erst ein wenig zu den Hintergründen. Der Physikprofessor und Molekularforscher Thomas Vilgis hat zusammen mit dem Koch Rolf Caviezel unsere Wahrnehmung genauer untersucht und beide waren von dem Wunsch getrieben, Essen wie ein Parfum zu betrachten. Dabei ist das Vorgehen eines Koch durchaus gleich dem eines Parfümeurs. Was bestimmt die Komplexität? Was sind die einzelnen Komponenten und  – jetzt wird jeden Freund der organischen Chemie das Herz höher schlagen – wie lässt sich ihre Molekularstruktur einsortieren. Da geht die Reise in die Welt der Kohlenwasserstoffe, da begegnen sich die Aldehyde, Säuren und Schwefelverbindungen.

Ein Beispiel:  Wir mögen Tomaten besonders, wenn sie nach Tomaten riechen. Dieser Duft (das Blätteraldehyd (Z)-3-Hexanol) wird in der Parfümsprache als „grün“ bezeichnet und findet sich in unzähligen Parfüms wieder, die wir bevorzugt gerne im Sommer wählen.
Wir begegnen den gleichen Techniken beim Kochen, wie bei der Herstellung eines Parfums. Fett zum Beispiel, bekannt als Geschmacksträger, wird ebenso bei Blüten verwendet, um deren Aroma festzuhalten. Jedem der den Film „das Parfüm“ gesehen hat, ist die kalte Enfleurage also ein Begriff.

Beim Wein und ganz besonders beim Champagner ist die Wahrnehmung ähnlich. Über die Nase, die wir vor dem ersten Schluck tief ins Glas versenken, nehmen wir das Bouquet auf. Die Perlage des Champagners feuert uns ihre Duftmoleküle auf die Schleimhaut.  Hier wird jedoch auch deutlich, dass der Wein einen echten Vorteil hat, denn wir nehmen seinen Duft zusätzlich über den Rachenraum auf. Schließlich kommt keiner auf die Idee, an einem Parfum zu nippen.

Ob es also an diesem Abend gelingt, jedem die Tür zu einer komplexeren Wahrnehmung zu öffnen, mag dahingestellt sein. Wenn ich den einen oder anderen zweifelnden Blick meiner Tischnachbarn richtig deute, so mag das vielleicht nicht in jedem Fall gelungen sein. Mich hingegen hat dieser Ansatz jedoch begeistert.

Der Auftakt zum Menü verläuft noch relativ „smooth“. Zwei Damendüfte (Amarige und Organza) im abgedeckten Glas werden zu einem Moët & Chandon Grand Vintage 2006 serviert. Mandarine und Orangenblüte, die von Tonkabohnen abgerundet wird, finden sich hier. Natürlich wurde für die Konzentration hier eine gleichwertige Ausgangsbasis geschaffen. Nur ein winziger Tropfen des Parfums auf einer 10-14%igen Ethanol-Wasserbasis (vergleichbar mit dem Champagner).

Im nächsten Schritt geht es weiter mit einem neuen Parfum und einer Maki Rolle. Damit treten die grünen Komponenten in den Vordergrund. Minze kommt ins Spiel. Beim folgenden Schweinebauch setzen die Röstaromen dagegen. Es wird in der Wahrnehmung sehr maskulin.
Am deutlichsten wird es, als Seezunge mit Sellerie und einer Essenz aus Kaffee Arabica mit einem Dom Perignon Vintage 2004 und dem Parfum „Play for Her Intense“ serviert wird. Und dabei gelange ich an die Grenzen dessen, was beschreibbar ist. Es entstehen Bilder im Kopf. Die Cremigkeit des Selleriepürrees wird komplettiert vom Champagner, es steigert sich mit rosa Pfefferbeeren, die aus dem Parfum hervorragen und mit den Röstnoten des Kaffees und der Tonkabohne ein Fundament bilden.
Die kleine schrumpelige Bohne begegnet uns übrigens öfters an diesem Abend. Mehr jedoch in der Nase, als im Mund.

Dann führt mich die „Spice Route“ weiter in die Regionen des Holy Smokes, des Weihrauches. Dieser zusammen mit Safran und Bergamotte findet sich sowohl im Parfum Pi Neo, wie  auch im Malbec Terrazas de los Andes Single Vineyard „Las Compuertas“ 2009. Diese Raucharomen werden aufgenommen von der Paprika und der Aubergine, welche die BBQ Lammschulter begleiten.

Danach muss ich meine Nase erst einmal wieder tief in die Kaffeebohnen versenken, die zur Neutralisation vor mit stehen.

Das Ganze ist natürlich eine durchaus gesellige Angelegenheit, wir plaudern, scherzen und loben die gelungenen Kreationen, was ein wenig ablenkt und ich erkenne, dass es mit fortschreitender Menüfolge immer herausfordernder wird, sich auf die Komplexität einzulassen.

Als ich später an diesem Abend die kühle Nachtluft einsauge, legt sich diese wie Balsam auf meine strapazierten Sinnesorgane. Ich bin erschöpft und gleichzeitig angeregt. In meinen Sinnen schreit es nach Ruhe und gleichzeitig lausche ich noch immer dem Nachspiel dieser olfaktorisch-kulinarischen Sinfonie.

Und ich werde auf jeden Fall hier tiefer in die Thematik einsteigen. Als Anleitung für die angehende Parfumeur-Aspirantin, die ich seit heute bin, habe ich das Buch dazu geschenkt bekommen. „Das Parfum der Küche“. Da geht es richtig zur Sache. Das ist ein Buch für Wissenshungrige, die sich schon immer mal dem Komponieren von Düften auf einer ganz anderen Ebene beschäftigen wollen. Für all jene, die in die Kunst des Kochens und Schmeckens wissenschaftlich eintauchen wollen.
Eine Reise in die tieferen Dimensionen der sinnlichen Wahrnehmung. 

Wenn ich also das nächste Mal asiatisch koche, werde ich darauf achten, wie mein Parfum, das vornehmlich Koriander, Kardamom und Terpentinnoten enthält, sich mit dem Essen verträgt.

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6 Kommentare

  1. Was für eine Reise, Claudia! Ich habe Deinen unglaublich sinnlich-inspirierenden Beitrag gebannt gelesen, und frage mich gerade, was ich wohl zu meinem derzeitigen Lieblings-Duft kochen könnte. Was für ein spannender Ansatz!

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    • Jetzt bin ich ja ganz neugierig auf dein Parfum, liebe Claudia… und natürlich auch, was dazu passen könnte.

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  2. Ach nee, was es alles gibt? Da werden jetzt schon Düfte zum Essen serviert? Wahnsinn! Ich kannte mal jemanden dessen Job war es Räume zu beduften… Ein sehr interessantes Thema!
    xoxo Johanna

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  3. Das liest sich so spannend. Superinteressanter Artikel, ich danke dir dafür!
    Alles Liebe
    miho

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  4. Was für ein interessanter Artikel. Essen mit Parfum zu vergleichen – darauf wäre ich nie gekommen- aber je mehr ich darüber nachdenke, um so logischer erscheint es mir.

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    • ging mir genau so. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte und so als kleiner Chemie-Freak…

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