10. Oktober 2025

Estlands mystische Moore, pinkfarbene Suppe und große Küche am Meer in Pärnu

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Von Tallinn aus führt mich meine Reise weiter ins Landesinnere. Dorthin, wo sich teilweise die Straßen in Schotterpisten verwandeln. Wo kaum ein Auto unterwegs ist. Mitte September ist die schönste Zeit für die Moore in den Nationalparks. Angezogen von den wildromantischen Bildern auf denen sich Holzstege durch das Moor ziehen (man kann auch mit sogenannten Moorschuhen frei umherwandern), wollte ich mir das Farbenspiel nicht entgehen lassen. Während eine schwarze Gewitterwolke immer näher kam, wandelte ich fast allein auf den Stegen. In einem Café, das aus der Zeit gefallen schien, bekam ich die berühmte baltische Rote Bete Suppe und dann machte ich mich noch für einen Abend auf den Weg in den Badeort Pärnu. Im „Monat der Kulinarik“ gab es dort ein ganz besonderes Menü.

Soomaa Nationalpark

Geschichten von Mooren haben immer etwas Gruseliges. Manchmal verschwinden Menschen auf Nimmerwiedersehen, manchmal sind es Geister oder mystische Wesen, die darin ihr Unwesen treiben. Ich kenne zumindest nicht eine fröhliche Geschichte, die in einem Moor spielt. Seit jeder sind die Moore von entscheidendem Wert für die Umwelt und den Menschen. Moore speichern sehr viel CO² und mit dem Torf, der seit tausenden von Jahren im Moor gestochen wird, wird geheizt und Blumen damit gedüngt. Weil man ja nicht einfach so in einem Moor herumspazieren kann, muss man sich entweder so etwas wie Schneeschuhe anziehen, damit man nicht einsinkt oder man bleibt auf den Holzpfaden. Meins sind definitiv die Holzpfade. Ich fahre an die Bushaltestelle Riisa raba, dort gibt es einen kleinen Parkplatz und direkt dahinter beginnt der Pfad ins Moor. Zuerst wandere ich nur durch Heidelandschaft, um ich herum stehen niedrige Nadelbäume. Überall blüht Heidekraut und je tiefer ich in die Moorlandschaft vordringe, desto farbenfroher wird es. Ich würde mir nicht anmaßen, die Pflanzen hier zu bestimmen, würde ich vielleicht von knallrotem Moos sprechen, erzürne ich ganz sicher den einen oder andere Botaniker unter meinen Lesern und laufe in Gefahr, mich hier heillos in Vermutungen und falschen Bezeichnungen zu verfangen. Und so beobachte nur still die winzigen Blüten, die fettig glänzenden kleinen Sumpfblumen und wäre da nicht diese Schulklasse, die just an diesem Tag ihrem Wanderausflug frönt, ich hätte mich vielleicht der Kleider entledigt und wäre in den Moorteich gehupft. Soll ja warm sein so ein Moor. Stattdessen sitze ich auf einer Bank und betrachte den Teich, lasse meine Gedanken fliegen. Die zuerst und dann die Drohne. Über mir nähert sich diese bedrohlich regenschwangere, dunkle Wolke und trotzdem ich wäre immer weitergelaufen. Letztendlich hat sie mich dann aber doch erwischt und ich war klatschnass. Die Momente zwischen Sonne, Wolken, dem Licht und dem Regen waren magisch.
Am Abend dann, als ein glühendes Abendrot den Himmel erstrahlen ließ, überlegte ich kurz, noch einmal ins Moor zu fahren. Ich hätte es tun sollen. Und bin seither noch mehr den Moorlandschaften verfallen.

Riisa nature trail
Riisa, 86815 Pärnu County, Estland

Külm Suvesupp in Vilijandi

Wer Lust auf eine Zeitreise hat, geht in Viljandi ins Café, das so heißt, wie der ganze Ort – Viljandi. Das Interieur ist eine Mischung aus Ostblock, Bahnhofshalle und alles im Stil siebziger Jahre. Im vorderen Bereich kauft man seinen Kuchen und an den Tischen kann man sich Schnitzel, belegte Brote, Soljanka und kalte Rote Bete Suppe bestellen. Diese Suppe hat es mir angetan (ein Rezept dazu gibt es hier auf dem Blog), ich habe sie jedoch nie da gegessen, wo sie eigentlich ihren Ursprung hat. Und auch wenn sie in den Nachbarländern Litauen und Lettland noch ein bisschen populärer ist, ist das auch hier in Estland eine überaus beliebte Sommersuppe. Und Mitte September ist es immer noch warm genug, dass man Sommersuppe essen kann. Kefir, Rote Bete, eingelegte Gurken, Ei und Dill sind die Hauptakteure. Sie schmeckt umwerfend gut diese Suppe. Allein schon für diese Suppe hat sich der Weg hierher gelohnt.
Dazu trinke ich Kvass. Nicht das tolle Kvass, das man sich selbst aus Brot oder Gemüse fermentieren kann, sondern eine geschmacklich undefinierbare Plörre aus der Flasche. Schmeckt wie verdünntes Maggi mit Zucker und werde ich mir garantiert kein zweites Mal bestellen. Dafür kann der estnische Siider, wie der Cider hier genannt wird, richtig was. Verfeinert mit schwarzer Johannisbeere oder Rhabarber – in Estland sind sie verrückt nach Rhabarber – ist das ein grandioses Getränk.

Die Farbe ist der Knaller und sie schmeckt grandios

Der Kuchen ist auch gut

Gebackene Teigtaschen mit Joghurt – haben nicht ganz überzeugt

Café Viljandi
Lossi tn 31, Viljandi, 71004 Viljandi maakond, Estland

Köstliches am Meer im Restaurant Raimond

Die Gegend rund um den Nationalpark Soomaa darf man getrost als eher spärlich besiedelt bezeichnen und damit geht auch einher, dass Restaurants nicht gerade in üppiger Zahl zu finden sind. Außerdem steht mir an diesem Tag der Sinn nach etwas Besonderem. Nach etwas Luxuriösem. Und so fahre ich etwa 35 Kilometer ans Meer nach Pärnu. In einem noblen Resort am Strand befindet sich das Refugium von Marko Lumera, Chefkoch des Restaurants Raimond. Das außergewöhnliche 4 Gang Menü, das dem estnischen Herbst huldigt, beinhaltet jede Menge mir völlig unbekannte Fische. Grundeln und andere kleine Fische werden hier groß zelebriert. Dazu gibt es jene Saucen, die ihren Umami-Kick von fermentiertem Gemüse bekommen, und zum Dessert gibt es natürlich was mit Rhabarber und grüner Tomate. Klingt schräg, schmeckt aber köstlich.
Bekannt ist das Restaurant außerdem für seine stattliche Auswahl an verschiedenen Kaviarsorten. Es ist darüber hinaus überaus angenehm hier allein am Tisch zu sitzen und einfach nur draußen den Vögeln über dem Meer zuzuschauen.
Satt und sehr zufrieden fahre ich zurück in die nächtliche Wildnis.

Raimond
Ranna pst 1, Pärnu, 80010 Pärnu maakond, Estland

Wohnen mit Huskies in der Wildnis

Wildnis – naja. Das ist vielleicht ein wenig überspitzt. Ich wohne hier mit allem Komfort und kann auf Wunsch auch die Sauna aufheizen lassen. Aber ringsherum um das Ferienhaus und dessen Nebenhaus, in dem die Besitzer mit 4 Huskies wohnen, weitere 10 sind draußen im Zwinger, gibt es einfach nichts außer weiter Landschaft mit Feldern und Wäldern. Zum nächsten Supermarkt sind es 7 Kilometer. Zu hören gibt es nur die Rufe der Vögel und das Bellen der Hunde (immer dann wenn es Futter gibt).
Auf einem Feld unweit des Hauses sammeln sich hunderte von Graureihern bevor sie alle gemeinsam in den Süden fliegen. Der Anblick ist überwältigend.
Ich habe die Tage in der Natur hier aufgesaugt wie ein Schwamm. Und will unbedingt wiederkommen.

Praktische Tipps zum Mietwagen

Mietwagen sind hier durchaus günstig (66,00 € für 5 Tage) zu bekommen. Dann hat man einen Kleinwagen ohne sonderlichen Komfort, was aber auch ok ist, denn erstens kann man selten schneller als 90 km/h Stunde auf den Landstraßen fahren und ich rate auch, dies möglichst zu befolgen, denn Blitzer gibt es jede Menge.
Die Autovermietungen findet man direkt im Flughafengebäude in Tallinn. Wer wie ich beim günstigsten Anbieter Green Motion sein Auto leiht, sollte sich vor der Übernahme des Wagens die 20,00 € extra für die Innen- und Außenreinigung gönnen, denn besagte Schotterpisten, Regen und Matsch machen einen Besuch in der Waschanlage unausweichlich. Bringt man das Auto ungereinigt zurück, zahlt man das doppelte, also 40,00 €.

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