Ganz langsam kroch es aus den unendlichen Weiten der Erinnerungssuppe auf mich zu. Genau in dem Moment, als ich die erste Gabel mit grünem Salat im Mund hatte. Da war es plötzlich. Wie ein Blitz trifft es mich in diesem Moment. Diese Salatsoße schmeckt exakt so wie früher bei meiner Oma. Und noch während ich wieder in Gedanken an diesem großen Tische sitze und jedes noch so winzige Geschmacksfitzelchen auskoste, wird mir klar, dass ich seit vielen Jahren auf der Suche nach genau diesem Geschmack war. Und an diesem Abend, vorgestern genauer gesagt, wurde der Schleier gelüftet. Das simple Geheimnis heißt Kondensmilch. Und der Held dieser Mission heißt Stevan Paul.
Doch beginnen wir da, wo es angefangen hat. Vor etwa zwei Wochen bekam ich das neue Kochbuch „Deutschland vegetarisch“ von Stevan Paul, erschienen im Brandstätter Verlag und herausgegeben von Katharina Seiser, deren erfolgreiches Buch „Österreich vegetarisch“ mittlerweile in der dritten Auflage erscheint. Ich war gespannt auf dieses neue Buch und auf die vegetarischen Schätze, die darin zum Vorschein kommen sollten. Quer durch die deutsche Landschaft führt es uns entlang der Jahreszeiten. Alle Achtung, denke ich, soviel Vielfalt hätte ich der deutschen Küche gar nicht zugetraut. Badischer Spargel mit Kratzete fallen mir sofort ins Auge, Schmorgurken und Spinatspätzle. Wohlfühlgerichte. Einzig die Fotos sind mir eine Spur zu nostalgisch. Überall dieses alte Geschirr und Geschirrtücher wohin das Auge auch blickt. Machen jetzt wohl alle so. Damit wir uns noch ein bisschen mehr in dies alte Zeit zurückfühlen können. Ist aber gar nicht notwendig, denn die Gerichte schaffen das viel besser. Stevan Paul hat sie gekonnt entstaubt und schafft es, dass die gute alte Béchamelsauce das plötzliche Verlangen in mir weckt, sofort an den Herd zu stürzen um endlich mal wieder mit Mehl, Butter und Brühe zu hantieren.
Und umso mehr freue ich mich, dass ich kurze Zeit später, also vorgestern, nicht nur aus dem neuen Kochbuch etwas kosten darf – der Meister selbst hat gekocht. In Sebastian Dickhauts kleinem Hukodi mussten die Tische und Stühle dicht zusammengestellt werden, so groß war der Andrang. Alle sind sie gekommen an diesem Abend. Münchens Blogger und Freunde des Hauses versammelt zu Soleiern, Wickelklößen und Welfenspeise.
Katharina Seiser ist auch da. Zusammen mit Stevan Paul erzählen beide, wie es zu dem Buch gekommen ist und warum ihnen das so am Herzen liegt, das mit dem Fleischlosen. Schließlich sind beide keine Vegetarier. Es ist beiden wichtig, dass die reine Lust an gutem Essen, an vollem Geschmack und keine Spur von Ideologie in ihren Werken zu finden ist. Da wundert man sich dann auch nicht, dass beide darüber lachen müssen, als sie die Geschichte von der Remoulade erzählen, an die ursprünglich Sardellenfilets hätten kommen sollen. Sardellenfilets seien doch überall zu bekommen? Es sei doch wichtig, dass man alles im Buch beschriebene auch gut bekommen kann. Doch halt, das mit den Sardellen haut nicht hin. Wir schreiben ja ein vegetarisches Buch. Wir lachen über diese Geschichte, denn genauso hätte sie auch mir passieren können. Hier ein bisschen Brühe, da eine Sardelle. Das macht die beiden so ehrlich.
Die Sardelle musste also draußen bleiben.
Die Wickelklöße (zu finden auf Seite 185) sind traumhaft. Mit Haselnuss-Bröselbutter. Und dazu grüner Salat. Mit dieser unschlagbaren Soße, deren Geheimnis, wie ich erfahre, die Kondensmilch ist. Schöne fette Kondensmilch. Wie sie früher meine Oma sowohl in Sauce wie auch in den Filterkaffee getan hat. Katharina erzählt, dass Stevan tatsächlich die Möglichkeit in Erwägung gezogen hatte und der Frage nachgegangen ist, ob man Kondensmilch auch selber machen kann.
Kann man vielleicht. Muss man aber nicht. Es reicht, die Scheu vor dem kleinen lächelnden Bären auf der Verpackung abzulegen und sich voll diesem Vergnügen hinzugeben.
Ich jedenfalls bin überglücklich an diesem Abend.
Genussvoll löffeln wir alle dann noch unsere Welfenspeise und schwelgen ein bisschen in Erinnerungen an die gute alte Zabaione, die man früher manchmal beim Italiener bekam. Kann ich mich hervorragend daran erinnern, weil das immer ein Kampf um den Löffel bedeutete, stets unter den wachsamen Augen meiner Mutter, die darauf achtete, dass das Kind nicht zu viel von der warmen Weinschaumsoße futterte.
Ich mag es dieses Buch, das so viele Schätze der deutschen Küche wieder gehoben hat und kann es nur jedem ans Herz legen.
Auf jeden Fall habe ich heute auf dem Markt beim Anblick der prächtigen Gurken gestrahlt und mir eine schöne große Schmorgurke gekauft. Die gibt es dann morgen. Wenn diese Schmorgurke nur wüsste, wie en vogue sie gerade ist….
Und für alle, die sich das mit der Kondensmilch nicht so recht vorstellen können, kommt hier das unschlagbare Rezept aus dem Buch:
Für Vier
150 ml Kondensmilch (am besten 12%)
100 g Sahnejoghurt
2 TL Kräuter- oder Weißweinessig
1 TL scharfer Senf
1 kleine Zwiebel
1 EL Sonnenblumenöl
Salz
Eine Prise Zucker
Frische Kräuter ( Dill für Gurken, Pimpernelle und Schnittlauch für grünen Salat)
Kondensmilch mit dem Joghurt, Essig, Öl und Senf zu einer Vinaigrette verrühren. Mit Salz und Zucker würzen. Die Kräuter und die Zwiebel fein hacken und dazugeben und ab über den Endiviensalat (dieser ist nämlich meine ganz persönliche Kindheitserinnerung).
7 Kommentare
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- Kässspätzle nach Deutschland vegetarisch #dveg | feinschmeckerle foodblog reiseblog - […] und Co. Statt dessen gibt’s auch mal Kondensmilch im Salat – und der sorgt laut Frau Dinnerumacht (sehr schöner Bericht)…
- Ärpel un Schlat | Foodina - [...] Sahne, das wohl in einer Variante auch in “Deutschland vegetarisch” zu finden ist und wohl reihenweise Bloggerinnen begeisterte. Meine…
Toller Bericht, das war bestimmt ein sehr schöner Abend! Und mit Kondensmilch, wer hätte das gedacht, muss ich auch mal probieren ;-). Vegetarische Wohlfühlgerichte wären glaube ich auch das perfekte Buch für mich, gerade jetzt im Herbst. Merke ich mir!
mensch, das klingt so toll- und lecker. Ich bin bei jedem Bericht total traurig, dass ich den Termin in Frankfurt nicht schaffe. Aber das Buch werde ich mir auf jeden Fall zu legen – ist wohl ein MUST HAVE :)
Hallo Julia, ja schade mit Frankfurt aber das Buch ist wirklich unbedingt empfehlenswert.
Ich habe seit gestern das Buch und bin einfach nur begeistert davon. Nachher werde ich die Kartoffelwaffeln ausprobieren. Da ich keine Pilze daheim habe, wird es ein Kürbisragout dazu geben. Sollte auch passen ;-)
Mal schauen, ob es auch mal ein „Schweiz vegetarisch“ Buch geben wird.
Das mit „Schweiz vegetarisch“ wollte ich natürlich auch gleich wissen. Katharina meinte, das sei noch nicht sicher, da es nicht-schweizer Verlage schwer hätten in der Schweiz. Aber wir lieben hier ja auch die Rösti… ;-)
Danke für diesen Bericht. Auf Twitter konnte ich dem Abend ein wenig folgen… neidvoll, ich gestehe :) Ich hadere nur mit mir: Öveg oder Dveg? Noch keines der beiden Bücher ziert mein Regal, was würdest Du denn bevorzugen? Oder beide? Zur Völkerverständigung vielleicht?
Liebe Julia, das ist eine schwere Frage. Völkerverständigung ist natürlich immer gut. Ich habe mehr Erinnerungen in Dveg gefunden. Schau dir beide mal an und entscheide aus dem Bauch. Das ist das Beste.
Jedenfalls schade, dass du nicht mit dabei warst.
LG Claudia