Meine Tante nennt es Schwarzkraut. Das habe man schon immer so genannt in Nordrach. Es ist ein Markstammkohl, der früher eigentlich nur als Viehfutter angebaut wurde. Das Vieh hatte es also gut, lerne ich. Heute machen sich nur noch die allerwenigsten die Mühe, für ihr Vieh solchen Kohl anzubauen. Nichtsdestotrotz ist dieser Kohl auch schon immer in den Topf gewandert. Und das nicht nur zu Zeiten, wo es knapp war. Dieser Kohl hat ein ganz feines Aroma. Nicht so kräftig wie Grünkohl, sondern irgendwie buttriger. Im Winter hat man ihn getrocknet, zu Zöpfen gebunden und in einem Kopfkissen aufbewahrt. Immer wenn die Suppe kräftig werden sollte, hat man ein paar von den Strängen dazu gegeben. Mache heute keiner mehr. Schade eigentlich. Aber wir lernen ja gerade erst wieder, was für ein Glück das heimische Urgemüse sein kann. Aus Büchern. Glück hat, wer wie ich eine Tante auf dem Land hat, der die Bewahrung der alten Bräuche am Herzen liegt.
Eigentlich kannte ich bis zum vergangenen Freitag diesen Kohl überhaupt nicht. Seit ich in Amerika Blattkohl „Kale“ in allen Variationen entdeckt habe, bin ich davon angefixt. Erfahrungen jenseits des Wirsings und Weißkrauts.
Hab ihn auch gleich gegoogelt diesen Kohl und entdeckt, dass er in den verschiedenen Regionen Deutschland unterschiedliche Namen hat.
Nach einem Kurzbesuch in der badischen Heimat lud ich also eine große Tüte mit Kehlkraut ins Auto. Zusammen mit dem grandiosem Speck und einer Zubereitungsanleitung.
In dieser Anleitung steht, dass dieser Kohl typischerweise blanchiert, in Streifen geschnitten, mit Speck und Zwiebeln gedünstet zusammen mit Kartoffeln serviert wird.
Nach Kartoffeln war mir nicht so wirklich, als ich darüber nachdachte, was denn meinem neu entdeckten Kohl noch alles gut gefallen könnte.
Auf der Suche nach Eingebung schlenderte ich also über den Markt. Ich wollte jetzt nicht wirklich etwas, was den ländlichen Charakter so völlig zunichtemachen könnte sondern eher eine raffinierte Ergänzung. Und entdeckte süße Zwiebeln. Jung und frisch und mit kaum vorhandener Zwiebelschärfe. Süße ist bei Kohl immer eine gute Wahl und dachte vermutlich an Bayerisch Kraut.
Und ich treffe die Entscheidung für Nudeln als weitere Begleitung. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, was diesen Speck meiner Tante angeht – er ist Weltklasse. Vermutlich weil ihre Schweinchen unter anderem auch diesen Kohl bekommen. Dazu gab es einen kräftigen Grauburgunder. Ein Oktoberfestbier hätte auch gut gepasst. Das gibt es dann morgen. Vor Ort.
Für Zwei
Etwa 20 große Kohlblätter vom Kehlkraut
150 g geräucherten Bauchspeck mit Schwarte
½ Becher Sahne
1 große junge Gemüsezwiebel (wenn es keine Jungen geben sollte, dann einfach eine normale Gemüsezwiebel und einen TL Zucker mit dazu geben)
100 ml Gemüsebrühe
1 TL Kümmel
Salz, Pfeffer
250 g Bandnudeln (am besten mit Ei)
Den Kohl waschen. Dem Strunk in der Mitter herausschneiden und in kochendem Salzwasser etwa 2 Minuten blanchieren. In Eiswasser abkühlen. Zu einer festen Rolle zusammen drehen und in feine Streifen schneiden.
Die Schwarte des Speck mit etwas Fett abschneiden und in einer heißen Pfanne auslassen. Die Zwiebeln und den Speck fein würfeln und dazu geben. Kräftig andünsten bis die Zwiebeln glasig werden. Den Kümmel dazugeben. Etwa 2 Minuten weiterdünsten.
Die Kohlstreifen dazugeben und mit der Gemüsebrühe ablöschen. Bei geschlossenem Topf etwa 15 Minuten garen. Die Sahne dazugeben und mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Die Nudeln nach Packungsanleitung kochen, abseihen und mit dem Kraut und der Specksauce mischen.
Wir haben auch noch Schwarzkohl im Hochbeet. Allerdings hatte der wesentlich stärker unter einer gefräßigen Kohlweißlingbrut zu leiden, weil die bevorzugt auf Blätter gehen. Die verkopften Fruchtstände von Wirsing und Rosenkohl bleiben hingegen verschont. Erst nach deren Abwanderung kommt der hier so richtig in Schuss. Das Trocknen merk ich mir.
Ich glaube, der Kohlweißling mag diesen Kohl sehr gerne. Ich musste auch etliche befallene Blätter aussortieren.
Wunderschöne Fotos! Was ist das für ein hübscher Püschel auf dem ersten Foto im Bokeh? Und eine Tante, die versunkene und wiederentdeckte Gemüse anbaut, ist überaus beneidenswert. Die köstliche Kohl-Pasta, die daraus gemacht hast (also aus dem Kraut, nicht aus der Tante ;-)), löst bei mir sofort den Will-auch-haben-Refelx aus.
Wenn ich das wüsste, liebe Claudia. Den habe ich zusammen mit orangenen Lampionblüten (diese getrockneten) auch von der Tante bekommen. Ich frage sie gerne mal, was das ist.
LG, Claudia