3. November 2016

[Okinawa] – Iriomote und Taketomi
einfach loslassen auf den südlichsten Inseln Japans und nach den Sternen suchen

3 Kommentare

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Iriomote summt, flirrt, rauscht, dazwischen ruft ein Vogel. Stehenbleiben, zuhören. Ich bin angekommen auf der südlichsten Insel Okinawas, die näher an Taiwan als an Japan liegt. Hier leben nicht viel mehr als zweitausend Menschen, neunzig Prozent der Insel sind Regenwald. Naturschutzgebiet. Wer hierher kommt will entweder Tauchen, im Dschungel Wasserfälle anschauen oder am Strand nach den kleinen Sternen suchen. Sedimente der Korallenriffe, die sandkorngroße Sternchen an die Strände gespült haben.
Oder einfach auch gar nichts tun und dem Zustand Langeweile mal wieder eine Chance geben. Auf die dichte, grüne Wand aus Dschungel vor meinem Balkon starren, geht zum Beispiel ganz hervorragend. Nach fast zehn Tagen des hin und Herfahrens zwischen Kyoto, Tokio, Nagoya und Niigata, ist das genau mein Ziel. Ich will Ruhe (leg einfach mal das Handy weg). Dass es hier nie wirklich ruhig ist, daran muss man sich gewöhnen. Zikaden summen hier nicht dezent, sie brüllen ihr Gezirpe von den Bäumen.
„Gibt es hier größere Spinnen?“, frage ich den Besitzer des kleinen Eco-Hotels. „Keine Giftigen“, meint er und damit wäre das Thema dann auch für ihn erledigt. Und obwohl ich ganz dicht an der Natur dran bin, bekomme ich während der nächsten Tage kein einziges furchterregendes Insekt zu sehen. Manche mögen sich ja Meeresrauschen und Grillengezirpe sogar als Einschlafhilfe kaufen – hier gibt es das alles umsonst. Spätestens nach einem Tag hat man sich an den Geräuschpegel gewöhnt, ja es fällt sogar auf, wenn die Grillen plötzlich wie auf Kommando das Zirpen sein lassen. Hey, Jungs, was ist da los? Ist ein Raubtier oder ein Hurrikan im Anmarsch? Doch bevor ich mir Sorgen machen kann, geht es schon wieder los. Zwei Tage lang beträgt mein Radius nur wenige hundert Meter. Runter zum Sternchenstrand und wieder zurück. Abends zum Essen. Bei den Restaurants hier darf man nicht viel Kreativität erwarten. Was es gibt ist frisch aus dem Meer. Das genügt.okinawa-11 okinawa-12 okinawa-10 okinawa-6 okinawa-7
Die Luft ist so heiß und feucht, dass man eh kein halbes Schwein braucht um satt zu werden. Am dritten Tag ziehen Wolken auf, es stürmt, regnet. Es ist egal, denn auch das ist hier ein wenig magisch. Die grünen Berge versinken in dunklen Schwaden, es schüttet auf die riesigen Blätter. Selbst die handtellergroßen Schmetterlinge haben sich verzogen. Ich sitze unter dem Dach auf meiner Terrasse und starre in den Regen. Genieße jeden Tropfen. Es ist warm. Und die Luft wird gewaschen. Es wird wieder frischer.
Am vierten Tag, es nieselt nur noch leicht, stürmt aber umso heftiger, besuche ich den einzigen Töpfer im nördlichen Teil der Insel. Außer und ihm mir ist da niemand. Die Tatsache, dass er der Einzige ist, ist auch vernachlässigbar, denn was er macht, treibt mir den Schweiß aus den Poren. Ich zittere fast vor Verlangen nach seinen schönen Schalen. Es ist das Erlebnis des Tages mit einer großen Tüte voller in Luftpolsterfolie verpackten Schalen und Schälchen zurück zu meinem Hotel zu laufen. Ich weiß jetzt schon, dass das am Check In wieder Diskussionen geben wird. Aber auch das ist egal. Jetzt zumindest.
Ob ich zu den Wasserfällen möchte, oder mich von einem Wasserbüffel in einem Karren durch das seichte Wasser am Strand ziehen lassen möchte. Lasst es gut sein. Ich kann mich auch zwei Stunden in den warmen Sturm am Meer auf eine Bank setzen und das helle Türkis der Wellen anschauen. Ist genauso aufregend. Für mich jedenfalls.
Früh schlafen gehen war nie schöner. Ich will den Tropfen und den Grillen lauschen und bin sofort eingeschlafen. Ich lebe einen kleinen Rhythmus in diesen Tagen. Japanisches Frühstück, lesen, liegen, an den Strand laufen. Essen gehen, Lesen… ich sauge alles auf wie ein Schwamm. Die gepeinigten Nebenhöhlen werden wieder frei, alles wird gut. Abends gibt es wieder frischen Fisch oder das marinierte Okinawa Beef. Nachts ist es dunkel auf der Insel, weswegen eine Taschenlampe hier eine neue Bedeutung bekommt. „Schau mal, diese Sterne!“, sagt Besitzer des kleinen Hotels. Ich schaue. Sehe die Wölbung der Milchstraße, bin ein bisschen ergriffen, wie viele da plötzlich sind. Kaum gibt es kein Licht, sind sie alle da.

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Dann scheint wieder die Sonne. Ich fahre auf eine noch kleinere Insel. Taketomi. Weltkulturerbe. Hier stehen noch alte kleine Häuser, wie sie früher hier üblich waren. Die Insel ist so winzig, dass man sie mühelos in zwei Stunden mit dem Fahrrad umrunden kann. Am Hafen steht ein Bus, der einem zu einem Fahrradverleih bringt, man bekommt ein Fahrrad, ein gangloser Drahtesel, und schon radelt man von Strand zu Strand. Und dann habe ich tatsächlich doch noch Glück. Mache es so, wie die japanischen Besucher hier, presse meine Hände in den Sand und schaue dann, ob ein Sternchen hängengeblieben ist. Nach ein paar Wiederholungen habe ich tatsächlich drei kleine Sternchen. Meine Abschieds-Glückssternchen.
Mit der Fähre fahre ich zurück nach Ishigaki. Nur diese Insel hat einen Flughafen. Zwei Straßen weiter von meinem Hotel, das ich nur gebucht habe, weil der Flug am nächsten Morgen bereits um 9:00 Uhr geht, finde ich ein schönes Restaurant. Lerne dort Daisy und ihren Freund mit den Plüschohren kennen – es ist Halloween – und esse zum letzten Mal Okinawa Nudeln mit Sesamsoße, Salat und die einzigartigen Seekaviar Algen (sea grapes). Es ist ein glücklicher Abend.
Die kleinen Korallensternchen waren nicht mehr wiederzufinden als ich später in meine Tasche schaue. Sie haben sich in die Nischen verkrochen oder sind zerbröselt. Aber irgendwie weiß ich trotzdem, dass ich ein bisschen Okinawa mit nach Hause nehmen werde.

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oben links: Okinawa Noodles
mittlere Reihe Mitte und rechts: Okinawa Soba Nudeln mit Algen, Tofu und Speck; daneben ein Fisch in einer Teriyaki Sauce
unten: Schweinebauch mit Zwiebeln und Kräutern, gekochter Fisch im Umami-Algen Sud

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Adresse
Nilaina Resort (4 Zimmer)
Uehara, Iriomote
www.nilaina.com

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3 Kommentare

    • Wirklich toll geschrieben und wunderschöne Bilder – ich hab mir beim Lesen wirklich gewünscht, dort zu sein und die Atmosphäre genießen zu können!

      Viele Grüße,
      Kirsten

      Antworten
      • Vielen Dank, liebe Kirsten!
        Nachdem daheim schon der erste Schnee fällt, würde ich mich auch gern wieder hinbeamen.
        Liebe Grüße, Claudia

        Antworten

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