22. September 2014

Die tantrischen Schwebewesen und ein feuerrotes Buch

2 Kommentare

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Drei Legenden vereint in einem Buch v.l. Heinz Winkler, Hans Haas, Eckart Witzigmann

Gourmet Tempel, Ikone der 70er, Treffpunkt für Genießer aus aller Welt – das Tantris in München ist eine Institution und darüber hinaus. Es lässt niemanden unberührt. Es lässt auch mich nicht unberührt. Vor ein paar Tagen gab es wieder etwas zu feiern. Feiern ist ja auch irgendwie hier das Motto. Hier wird seit mehr als vierzig Jahren der wahren Lust der Gaumenfreuden gefrönt. In Großbuchstaben steht es an der Wand.
Fröhlich. Freudig. Feurig.
Vor der spektakulären Retro Kulisse aus Orangerot und Schwarz haben sich alle an diesem Tag wieder zusammengefunden. Die drei großen Küchenchefs des Tantris, Eckart Witzigmann, Heinz Winkler und Hans Haas, die wohl bekannteste Sommelière Deutschlands, Paula Bosch, ihr Nachfolger Justin Leone und natürlich die Familie Eichbauer. Die Gründer. Der Anlass zu diesem Fest ist so spektakulär wie gleichzeitig ein Ereignis, wie es tausendfach jeden Herbst kurz vor der Buchmesse sich ereignet. Es wird ein Buch vorgestellt. Die Ära des Tantris, festgehalten auf 224 Seiten in einem, wie könnte es auch anders sein, leuchtend feuerrotem Einband. Wer das Tantris noch nie erlebt hat, dem soll der besondere Geist dieses Hauses nahe gebracht werden. Wer es erlebt hat – um so besser – der darf in Erinnerungen schwelgen.
Auch ich schwelge an diesem Tag in meinen Erinnerungen. Wie ich ehrfürchtig vor 15 Jahren zum ersten Mal dieses Haus betreten habe. Da habe ich noch nicht lange in München gewohnt, als bereits der Ruf des Tantris zu mir durchdrang. Unerreichbar, so schien es. Eine Welt für die anderen, ganz besonders jene, die es sich leisten konnte. Damals konnte ich das nicht. Da musste ich mir eben ein längerfristiges Ziel setzen und habe mit zwei Kollegen ein Kässchen angelegt, in das wir jeden Monat einen bestimmten Betrag einbezahlt haben. Ein Jahr lang. Dann sind wir ins Tantris gegangen. Und es war ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Ungezwungen. Ganz und gar nicht steif. Freundlich und natürlich köstlich. Hier habe ich die erste Taube meines Lebens gegessen. Bekam meine erste Weinempfehlung. Und fühlte mich genau richtig. Es war Haute-Cuisine zum Anfassen.
Doch wie bringt man einem Buch bei, dieses Erlebnis des Gesamtkunstwerks Tantris zu vermitteln? Das Rezept hierzu erscheint denkbar einfach. Man spickt es mit Erinnerung aus all diesen Jahren, gibt den Gästen, Angestellten und Freunden des Hauses eine Stimme und lebt auf den Seiten das, wofür diese Institution steht – der Lust auf Genuss. Rezepte dürfen da natürlich auch nicht fehlen, weswegen in diesem Buch erstmalig alle drei Küchenchefs des Tantris ihre Klassiker dem ehrgeizigen Sterne-Aspiranten am heimischen Herd an die Hand geben.
Und natürlich weht die große Flagge des Genusses an diesem Tag über uns. Neben feinen Weinen und Champagner wird ein Flying Menu serviert. Dazu musste man nicht unbedingt mitfliegen, das konnte man auch im Sitzen genießen. Geflogen sind wie immer nur die „Schwebewesen“ des Hauses. Diesen Namen tragen hier sowohl die geflügelten Drachen aus Stein, die den Eingang bewachen, wie auch das Service Personal. Sie alle sind gute Geister, denen es nur daran liegt, den Gast glücklich zu machen. Einhundertachtzig Essen gilt es zu servieren.

Menü

Doch vor dem Menu gibt es erst noch ein paar Worte von Felix Eichbauer, dem Sohn des Gründers. Mit der Technik wird ein wenig gekämpft, doch auch hier zeigt sich gleich, was den besonderen Geist des Hauses ausmacht. Alle sprechen eben bisschen leiser und die Redner ein wenig lauter. Wer braucht schon ein Mikrofon, wenn die Botschaft sowieso klar ist? Und wie durch Zauberhand steht plötzlich ein frisches Glas Champagner neben mit, als es ans Anstoßen geht. Schwebewesenmäßig.

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Paula Bosch

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die begehrten Bücher werden signiert

Wie immer wird ausschweifend gespeist, viel geredet und jeder lächelt. Nach zwei Stunden löst sich der Zauber langsam auf. In dieser Zeit haben Eckart Witzigmann, Heinz Winkler, Hans Haas, Paula Bosch und Justin Leone bestimmt über hundert Bücher signiert. Ich weise zwar jeglichen Verdacht der Autogrammjägerei energisch von mir, aber das ist schon was Besonderes, ein Buch zu besitzen, in dem so viele kulinarische Legenden sich verewigt haben.
Hach, Tantris, denke ich beim Hinausgehen und streichle dem steinernen Drachen über Kopf, wir beide, du und ich, wir haben jetzt auch schon so was wie eine klitzekleine Vergangenheit.

      Tantris 1971 – 2014, ist am 17. September im Callwey Verlag erschienen.

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2 Kommentare

  1. Liebe Claudia, da kommen viele Erinnerungen hoch. Anfang der Achziger, knapp nach der Matura und frisch verliebt. Da war ein Ausflug nach München schon eine Sensation und dann noch dazu ins Tantris, das war kaum zu toppen. Danke für den schönen Artikel, liebe Grüße aus Salzburg, Claudia

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  2. Eine Legende, die zu besuchen ich zwar noch nicht das Vergnügen hatte, aber Dein wunderbarer Bericht nimmt einen geradezu mit hinein ins Tantris, heute und damals. Toll!

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