Sie möchten einen Tisch bei Diego Guerrero im DSTAgE in Madrid buchen? Kein Problem – wir hätten da was am 5. September. Das ist dann leider auch der einzige Termin im September. Ende Oktober geht es dann weiter. Auch der November ist schon fast voll. Wohlgemerkt, es ist Juli.
So sieht es aus, wenn man bei dem 2**Koch speisen möchte. Man muss lange, sehr lange, im Voraus planen. Einfacher ist es da, sich gleich in den Flieger nach Shanghai zu setzen und sein vor einem Jahr eröffnetes Restaurant Sabor zu besuchen. Es mag ein wenig seltsam klingen, in Shanghai ein spanisches Restaurant zu besuchen, doch nach 3 Tagen mit Dim Sum & Co. brauchte ich eine Abwechslung. Immerhin war ich schon in Dubai von Tim Raues Küche angetan, warum also sollte es in Shanghai mit Diego Guerrero nicht auch klappen? Was Raue und Guerrero eint ist, dass sie ihren Küchenchef auf unbekanntes Terrain beordern. Und was ebenfalls verbindet, ist die Tatsache, dass es kein Problem ist, an einem Freitagabend einen Tisch zu bekommen. Zwei Tische sind im Sabor belegt, die restliche Leere wird gefüllt durch sanfte Latino Rhythmen und ein eindrucksvolles Ambiente. Die neue Dependance des spanischen Starkochs liegt direkt am Bund. Besser geht es nicht. Was Rang und Namen hat, tummelt sich hier. Nur – hier scheint es noch nicht so richtig angekommen zu sein. Es ist fast leer. Man habe ja gerade erst Drachenfest gefeiert, da sei es naturgemäß ruhiger, erfahre ich. Mir ist es egal, ich habe somit quasi meinen ganz persönlichen Chef’s Table, die volle Aufmerksamkeit des Küchenchefs Gonzalo Sainz Garcia, die mir allenfalls der einzelne Chinese am Nebentisch streitig machen könnte. Doch der schiebt sich die Foie gras in den Mund, als sei es Fast Food, ohne jegliches Innehalten, ohne sichtbare Freude. Hauptsache die Gänge werden schnell serviert.
Ich versuche es auszublenden. Ich bin hier in Shanghai, ich will das Degustations Menü, ich will genießen. Da muss man es schon mal aushalten, dass am Nebentisch laut gekaut und ins Taschentuch geschnäuzt wird. Doch hey, wir sind hier nun mal in China. Da ist alles etwas anders.
Das Menü
Zum Auftakt wird eine Trockeneis-dampfende Schale serviert, die eine einzelne Auster unter Limettenschaum beinhaltet. Dramatisch und geschmacklich schön ausbalanciert. Ich, die normalerweise jede Auster dankend ablehnt, habe grad keine andere Wahl. Also gut, dann eben zuerst eine Auster. Ich bereue es nicht. Weiter geht es mit einem Praliné von der Foie gras mit Zitronengras. Das sind mindestens 30 Sekunden mit geschlossenen Augen da sitzen und langsam diese Praline im Mund schmelzen lassen. 30 Sekunden sind lang und genussvoll, ich atme immer wieder ein und aus, um ja nichts von dem köstlichen Aroma zu verpassen. Kaum ist der Gang abgeräumt, kommt auch schon der Nächste. Ein Tatar vom australischen Wagyu Rind mit Guacomole und einem rauchigen Tomaten-Shrub. Wieder nur ein Häppchen. Das hier sind nur die Aufmerksamkeiten aus der Küche, ebenso wie das Kartoffelbällchen mit Limette und Thunfisch. Erst danach geht es richtig los. Weißer Spargel ist hier eine Seltenheit und auch wenn dieser akzentuiert mit Meerrettich und Lachsrogen gewürzt ist, reißt mich genau dieser Gang nicht wirklich vom Hocker.
Überhaupt muss ich erst einmal etwas klären, denn ich werde den Eindruck nicht los, dass der unterbeschäftige Kellner nur darauf wartet, sofort nachdem ich die Gabel abgelegt habe, den Teller abzuräumen und den nächsten Gang abzurufen. Ich erkläre, dass ich mir durchaus wünsche würde, zwischen den Gängen längere Warteschleifen zu drehen. Es sei nicht so, dass ich in einer halben Stunde das Lokal wieder verlassen müsste. Die spanische Restaurantleiterin hat dafür allergrößtes Verständnis. Man sei hier sehr auf die chinesische Klientel eingestellt, meint sie, die hätten keine Lust, lange zu warten.
Ich habe große Lust, länger zu warten. Ich will so lange warten, dass ich dem nächsten Gang mit unbändigem Verlangen entgegen fiebere. Ich will wenigstens einmal sehnsüchtig und hoffnungsvoll wartend in Richtung Küche schauen. Das gehört für mich irgendwie dazu. Hohe Spannungskurve. Gerade weil ich dabei nur bedingt leidensfähig bin, macht es die Vorfreude auf den nächsten Gang umso köstlicher.
Die Taktung wird heruntergefahren und gerade, als mir vor Ungeduld schon die Fingerspitzen zucken, stellt sie eine Kartoffeltasche mit flüssigem Eigelb und Ibérico Schinken vor mich hin. Sanft, üppig und voller umami. Und vor allem – sehr Spanisch. Das wird gleich beim nächsten Gang wieder zurückgenommen. Hier spielen der gegrillte Oktopus, die Tomatillo und das Kimchi ein spannendes Trio aus gegensätzlichen und doch in Summe harmonischen Komponenten.
Der Höhepunkt kommt jedoch erst – ein in einer kleinen Holzbox geräuchertes Filet mit schwarzer Quinoa, Chimichurri und einer Himbeer-Rotwein Reduktion. Auf dem Fleisch nur ein paar Meersalzflöckchen. Ich bin begeistert und vergesse, den korrespondierenden Wein dazu mir zu merken. Alles passt und katapultiert mich zurück nach Hause, nach Europa.
Knoblauch mit Karamell
Und dann steht Gonzalo Sainz Garcia neben mir. Der Küchenchef, der auch schon im DSTAgE in Madrid Küchenchef war. Ein sehr freundlicher, angenehmer Mann, dem es sichtlich Freude bereitet, dass er jemanden bekochen durfte, der die Küche versteht. Es ist ihm anzusehen, dass es ihn nicht immer glücklich macht, wenn sein Können eher verschlungen als goutiert wird. Er, dessen Aufgabe es ist, die besten Zutaten aus aller Welt zu beschaffen, erzählt ein wenig frustriert, dass die chinesische Regierung von einem Tag auf den anderen beschlossen hatte, dass Lammbries nicht mehr importiert werden darf. Die Gründe? Es gibt keine Gründe in China.
Und, will ich wissen, verstehen die Chinesen diese Küche? Wir arbeiten daran, meint er lächelnd.
Und dann bringt er mir noch sein ganz besonderes Dessert. Eine Mousse aus schwarzem Knoblauch und Karamell. Sehr dezent ist er, dieser Knoblauchgeschmack und doch ganz eindeutig. Verträgt sich gut mit dem süßen Karamell.
Für mich war dieser Abend ein ganz außergewöhnliches Erlebnis. Ich war mitten in der spanischen Küche, durfte anregende und neue Kombinationen kosten und stand kurze Zeit später wieder in der Shanghaier Nacht mit ihren bunten Lichtern.
Irgendwie hätte es nicht besser sein können.
Wer also nicht länger auf einen Tisch in Madrid warten möchte, sollte diese ungewöhnliche Option durchaus in Betracht ziehen.
Sabor
No. 33 Sichuan Zhong Lu, near Yan’an Dong Lu
四川中路33号, 近延安东路
212000 Shanghai
+86 21 6333 3592
Booking:
SaborShanghai
admin@saborshanghai.com
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