Manchmal fügt sich eine Reise so zusammen, dass sie sich anfühlt wie ein Spaziergang durch unterschiedliche Welten. Diese beginnt mit der Urzeit, mit versteinerten Ammoniten, Seeigeln und bizarren Formen aus einer längst vergangenen Welt. Sie führt mich weiter in das bezaubernde Dorf Oingt (sehr lustig auszusprechen) und in die Weinberge des Beaujolais. In einer Ölmühle finde ich unglaublich spannende Öle und ich genieße die Ruhe im Schatten der Bäume zwischen riesigen Lavendelbüschen auf einem Weingut. Ich besuche eine Region, die berühmt war für ihre Seide und deren Verarbeitung und am Ende der Reise landet endlich das berühmte Bressehuhn auf meinem Teller. Eindrücke, die man mit allen Sinnen genießen sollte.
- Fossilien zum Staunen
- Oingt – ein Dorf wie aus einem Gemälde
- Mittagspause im Château des Loges
- Unerwartete Aromen in der Huilerie Beaujolaise – es muss nicht immer nur Olivenöl sein
- Weintradition im Château des Jacques
- Monastère Royal de Brou, ein Meisterwerk der Spätgotik, gespickt mit moderner Kunst
- Moderne Küche in Bourg-en-Bresse: The scratch
- Seidengeschichte im Musée des Soieries Bonnet
- Finale: Poulet de Bresse
- Übernachten
Fossilien zum Staunen
Ein bisschen fühle ich mich wie auf einem Schulausflug. Ich tauche ein in eine Zeit, die so unvorstellbar lang zurückliegt, wo noch ein Ozean die heutige Landschaft bedeckte und Saurier durch die Tiefen der Meere streiften. Erst vor kurzem wurde das Fossilea eröffnet und man merkt, wie sehr sich die Menschen, die hier arbeiten darauf gefreut haben, dass sie diese neue Welt endlich zeigen können. Das Highlight ist eine riesige gekrümmte Leinwand, die mir den Eindruck vermittelt, in einem Urzeitmeer zu tauchen. Die schwimmenden Saurier sehen gruselig aus und würden mich natürlich sofort fressen. Ein Hauch Jurassic Park ist also auch dabei. Das Programm und die Exponate sind jedoch nicht nur für Schüler spannend, sondern man begreift plötzlich, wie jung wir Menschen auf dieser Bühne sind.
Fossilea Museum
116 Chem. du Pinay, 69380 Saint-Jeandes-Vignes
Oingt – ein Dorf wie aus einem Gemälde
Entzückende kleine Dörfer sind wie ein Magnet. Häuser aus goldenem Kalkstein, enge Gassen, die sich verschlungen durch das Dorf ziehen, Blumen an den Fensterbänken. Es ist still – kaum Besucher, ein paar sitzen vor einer kleinen Bar und genießen ein kühles Bier im Schatten. Leider sind auch fast alle Geschäfte und Kunstwerkstätten geschlossen. Fast alle, bis auf eines. Um den kleinen Laden zu finden, muss man bis an die Spitze des Dorfes laufen, von wo aus man einen überragenden Blick über die Landschaft hat. Ich würde gerne die Drohne über das Dorf fliegen lassen, doch, weil es in der Nähe einen kleinen Sportflughafen gibt, herrscht hier striktes Flugverbot für Drohnen. In dem kleinen Laden gibt es jede Menge Porzellan. Altes Porzellan. Ich entdecke eine Suppenschüssel von Limoges, handbemalt mit kleinen Zitrusfrüchten und goldenen Griffen. Der allerschönste Staubfänger und ich muss ihn natürlich haben. Wird schon irgendwie ins Handgepäck passen.
Oingt
10 Pl. de Presberg, 69620 Val d’Oingt
Flirrende Mittagshitze über den Weinbergen, die Sehnsucht nach kühlen Kellern ist groß. Und hier begegne ich den Weinen aus dem Beaujolais zum ersten Mal auf dieser Reise. Meist fällt einem bei Beaujolais ja auch nur der Primeur ein, was bedauerlich ist, denn die Region hat viel mehr zu bieten. Sowohl moussierende Weine als auch satte, vollmundige Rotweine hauptsächlich aus der Gamay Traube. Das Restaurant des Châteaus bietet ein ausgezeichnetes Mittagsmenü (37 – 53€), welches ganz auf die Produkte der Region setzt. Klassisch-traditionelle französische Küche.
Man ist hier ganz besonders auf die Ausrichtung großer Feste und Hochzeiten ausgerichtet, denn wo feiert es sich schöner als da, wo man spürt, dass Kulinarik und Wein nicht getrennt voneinander gedacht werden?
147 Rue des Jacques, 71570 Romanèche-Thorins
Unerwartete Aromen in der Huilerie Beaujolaise – es muss nicht immer nur Olivenöl sein
Ich erwarte eine Ölmühle. Genauer gesagt eine Olivenölmühle. Doch es riecht intensiv nach Erdnüssen. Ich bin irritiert. Doch dann lerne ich, dass im kleinen Ort Beaujeu nur ein Teil der gesamten Mühle steht. Das Olivenöl wird woanders gepresst. Hier widmet man sich den ganz besonderen Ölen. Geröstetes Sesamöl, geröstetes Pekannussöl, geröstetes Haselnussöl (irre!), besagtes Erdnussöl aber auch Mohnöl. Alles in Bioqualität. Die Öle sind unglaublich. Als ich sie probieren darf, gehen mir sofort unendlich viele raffinierte Rezepte durch den Kopf. Damit das kulinarische Portfolio auch perfekt abgerundet wird, gibt es auch noch aufregende Essige dazu. Wie zum Beispiel den Kalamansi-Essig. Die kleinen, bitter-floralen Zitrusfrüchte kommen aus einem nachhaltigen Betrieb in Asien. Der muss unbedingt mit, soviel steht fest und ich schwelge schon in Ideen, wie er zum Einsatz kommen soll. Das geröstete Haselnussöl ist ebenfalls ein Knaller. Zusammen mit Fleischtomaten ist das eine ganz neue Erfahrung.
Huilerie Beaujolaise
Rue des Echarmeaux, 69430 Beaujeu
Weintradition im Château des Jacques
Das Château des Jacques ist ein Ort, an dem man sofort spürt, dass hier nicht einfach nur Wein gemacht wird. Es geht um Gamay, die Rebsorte, die oft unterschätzt wird und doch so viel mehr kann. Sie gehört zur Pinot-Familie, ist großzügiger, fruchtiger, weniger streng als ihr aristokratischer Cousin Pinot Noir – und passt wie geschaffen zu den kargen, granithaltigen Böden des Beaujolais. Das Weingut gehört zu den größten der Region, seit 1996 ist es im Besitz des renommierten Handelshaus Louis Jadot aus Beaune (Burgund). Damit schlägt es eine Brücke zwischen Burgund und Beaujolais. Wir gehen vorbei an den gewaltigen Betontanks, die wie graue Riesen aneinander gereiht stehen. Monumental und kühl – fast wie eine Kathedrale für den Gamay. Hier reift der Wein langsam, geschützt, und gewinnt jene Seidigkeit, die ihn so unverwechselbar macht. Im Keller dann, wo die Weine oftmals lange reifen, probiere ich verschiedene Jahrgänge aus berühmten Cru-Lagen wie Moulin-à-Vent, Morgon, Chénas und Fleurie. Julie Pitoiset, die Önologin, führt uns durch eine eindrucksvolle Reise aus samtigen Aromen mit teils satten Tanninen und mineralischen Noten.
Château des Jacques
147 Rue des Jacques, 71570 Romanèche-Thorins
Monastère Royal de Brou, ein Meisterwerk der Spätgotik, gespickt mit moderner Kunst
Das Monastère Royal de Brou ist kein Kloster wie jedes andere. Es wurde Anfang des 16. Jahrhunderts von Margarete von Österreich gestiftet – aus Liebe und Trauer. Ihr Mann, Herzog Philibert II. von Savoyen, starb viel zu früh, und sie ließ ihm zu Ehren ein Bauwerk errichten, das zu einem der schönsten Beispiele der flamboyanten Spätgotik in Frankreich wurde.
Die Fassade wirkt wie Spitze in Stein gemeißelt, so filigran sind die Ornamente. Im Inneren stehen drei Grabmäler aus weißem Alabaster – für Margarete selbst, für Philibert und für dessen Mutter Margarete von Bourbon. Jedes Detail ist so fein gearbeitet, dass man fast vergisst, dass es sich um Monumente der Trauer handelt.
Besonders faszinierend: Margarete brachte Baumeister und Künstler aus den Niederlanden mit, sodass hier ein Stil entstand, der in Frankreich fast exotisch wirkt. Heute beherbergen die Mauern nicht nur Geschichte, sondern auch zeitgenössische Kunst, die in diesem Rahmen noch intensiver wirkt.
Fasziniert hat mich die Sonnenuhr vor der Kathedrale . Es ist eine analemmatische Uhr, die erste in Frankreich. Eine elegante Ellipse im Boden, in deren Zentrum sich eine Acht verbirgt – und ein beweglicher Stab, der den Schatten exakt auf die Mittagslinie wirft. Ganz ähnlich einem Tanz zwischen Licht und Zeit.
Moderne Küche in Bourg-en-Bresse: The scratch
Im Scratch kocht Andréas Baehr – ein junger Küchenchef, der mit seiner Frau Estelle, einer Sommelière, das Restaurant 2019 eröffnete. Er stammt aus Bourg-en-Bresse, kennt die Produkte seiner Region, und genau daraus entsteht seine Küche: präzise, reduziert und voller Charakter. Das Restaurant hat einen grünen Michelinstern und zwei Hauben beim Gault-Milleau. Zum Mittagsmenü ist jeder Tisch besetzt. Der Grund dafür ist nicht nur das schnörkellos-elegante Interieur, sondern vor allem ein Spitzenmenü (30-49€).
Zum Auftakt – ein Extra zum Menü – gibt es einen leicht alkoholischen Cocktail mit Rosen und Wodka. Der erste Gang: Zucchini-Tempura mit einer Creme aus schwarzem Knoblauch, dazu Brioche mit Bresse-Butter und Kürbiskernen. Sehr fein und besonders die unterschiedlichen Texturen gefallen mir gut. Es folgt ein Stück sanft gegarte Forelle mit einer Zucchini-Brunoise und Johannisbeere. Elegant und frisch. Besonders begeistert mich das bei Niedrigtemperatur gegarte Eigelb mit Eiern von der Seespinne mit Zitronengelée.
Zum Hauptgang entscheide ich mich für das schwarze Schwein mit Kirschen. Das Fleisch ist großartig aber noch beeindruckender sind die gerösteten Möhren und die Süßkartoffelcreme dazu. Deren Aromen explodieren geradezu im Mund.
Und auch wenn ich eigentlich nicht der größte Fan von Desserts bin – dieses will gelobt werden. Eine Erdnusscreme mit knusprigen Kürbiskernen. Klingt simpel, ist aber grandios.
The scratch
2 Bis Rue Gustave doré
01000 BOURG EN BRESSE
Seidengeschichte im Musée des Soieries Bonnet
Dann geht es noch einmal durch die hügelige Landschaft, vorbei an kleinen Seen und Wiesen nach Cerdon im Vallée d’Ain. Ain ist das erste Département und war immer Grenzgebiet: zwischen Frankreich, Savoyen und der Schweiz. Das hat die Kultur geprägt – französisch, savoyardisch und jurassisch zugleich. Hier kann man heute einen der einst größten Seide verarbeitenden Betriebe besuchen. Die Hochphase der Seidenherstellung ist längst vorbei, doch die Kreationen, welche für die Couture-Häuser in Paris wie Dior, Chanel und Yves Saint-Laurent u.v.a. entwickelt wurden, sind auch heute noch zu bestaunen. Riesige Webstühle, die von einer Zeit erzählen, wo man noch keine Billig-Fasern aus Kunststoffen kannte. Auf der einen Seite des Fabrikgeländes befindet sich ein kleines Museum und auf der anderen Seite die alte Produktion der Stoffe. An meinem Besuchstag wuseln immer wieder junge Frauen in prachtvollen Hochzeitskleidern zwischen den alten Maschinen hin und her. Später am Tag ist noch eine Hochzeits-Modenschau geplant.
So beeindruckend es hier auch ist, es ist auch ein bisschen traurig, dass es so etwas heute kaum noch gibt. Hochwertigste Stoffe, die heute schier unbezahlbar wären.
19 bis rue Claude Joseph Bonnet, 01640 Jujurieux
Finale: Poulet de Bresse
Und dann endlich landet es auf meinem Teller – das berühmte Poulet de Bresse. Jenes Huhn, für das Feinschmecker gerne das fünffache eines normalen Huhns bezahlen (75€ für ein 2 kg Huhn). Es ist der Stolz Frankreichs. Blaue Füße, weißes Federkleid und ein roter Kamm – die Nationalfarben. Dieses Gourmethuhn genießt den streng geschützten Status der Appellation d’Origine Contrôlée (AOC). Es steht für Freilandhaltung, regionale Futtermittel und einer anschließenden besonderen Diät aus Maismehl, Milch und Wasser, was zu einer besonderen Zartheit und Festigkeit des Fleisches führt. Klassisch serviert wird es mit einer Sahnesauce mit Morcheln oder Trüffeln – oder nur mit einer Crème fraîche Sauce, wie in meinem Fall. Die Zartheit des Fleisches ist wirklich überragend. Im Restaurant Place Bernard, einer klassischen Brasserie, serviert man das Huhn außerdem mit kleinen Pfannkuchen. Es ist ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst.
Place Bernard
19 Place Bernard
01000 Bourg-en-Bresse
Übernachten
Beaujolais:
Les Maritonnes Hôtel (sehr schönes Landhotel mit Pool und großen, modern eingerichteten Zimmern. Das Restaurant enttäuscht ein wenig)
513 route de Fleurie – D3271570 Romanèche Thorins
Ain:
Griffon d’Or ( Zentral und mit sehr freundlichem Service)
10, rue du 4 septembre
01000 Bourg-en-Bresse
Die Reise ins Beaujolais und nach Ain war mehr als eine Abfolge von Stationen. Es war ein Zusammenspiel aus Kunst und Kulinarik, aus Geschichte und Genuss. Fossilien, die wie Skulpturen der Natur wirken, goldene Dörfer wie lebendige Gemälde, Seidenwebstühle als klingende Monumente des Handwerks – und dazwischen Aromen, die überraschen, Weine, die Geschichten erzählen, und ein Huhn, das zur Legende wurde. Am Ende bleibt ein Bild, das so vielfältig ist wie die Region selbst: ein Mosaik aus Schönheit und Geschmack.
Offenlegung: die Reise erfolgte auf Einladung von Tourisme AUVERGNE RHÔNE ALPES. Die Eindrücke sind wie immer ganz die meinen.
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