5. November 2025

Austern-Galore auf Noirmoutier-en-l’Île – mit dem Austernfarmer auf dem Meer

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„Worauf habe ich mich da nur eingelassen?“, denke ich während ich auf dem niederen Rad sitzend, auf einem Boot gezogen von einem Traktor über die Landstraße fahre. Es wackelt, schaukelt und so richtigen Halt hab ich auch nicht. Mir graut vor jedem Hubbel und jeder Kurve. Über Bord gehen hieße in diesem Moment, auf der Straße zu landen. Ich behaupte ja immer gern, früher war mehr Abenteuer. Also das mit dem Abenteuer, das habe ich jetzt live und in Farbe.
Doch zurück zum Anfang. Meine Reise ins Vendée hat mich hierher auf die bezaubernde Insel Noirmoutier geführt, wo ich den Austernfarmer Alain Gendron in seinem Restaurant besuche. Der steht in der Küche und öffnet eine Auster nach der anderen. Hat er vermutlich schon eine Million Mal getan, denn einen Handschuh braucht er dazu nicht.
Ob ich Lust hätte, mit zu den Austern- und Muschelbänken zu kommen, werde ich gefragt. Für heute habe sich eine Gruppe angemeldet und einen besonderen „Ausflug“ gebucht. Was man, wie ich erfahre, eigentlich gar nicht buchen kann. Ich sag einfach Ja. Und da beginnt das Abenteuer.

über Land, durchs Watt ans Wasser kommen

Die Gruppe, das sind 11 koch- und genussbegeisterte Franzosen, die sich alle über eine Plattform kennen, wo man abwechselnd die anderen zum Dinner einlädt. Früher haben sie sich einmal im Monat getroffen, doch im Laufe der Zeit – die Gruppe gibt es in wechselnder Besetzung seit 15 Jahren – wurde daraus eine jährliche gemeinsame, kulinarische Reise. Zwei davon haben sich so kennengelernt und geheiratet. Es gibt also auch Grund zu feiern. Und damit dieser Ausflug zu den Austern perfekt wird, haben sie vorgesorgt und Wein, Käse, Schinken und Baguette eingekauft. Zuerst fühle ich ein bisschen wie das fünfte Rad am Wagen, die kennen sich alle seit Jahren und jetzt stehe ich da mittendrin. Und außerdem bin ich grad schwer damit beschäftigt, mich festzuhalten, damit ich nicht von diesem Boot falle. Es geht also erstmal über die Landstraße – wir stauen den Verkehr ein bisschen, denn so ein Traktor ist ja nicht der Schnellste –  und weiter auf eine „Straße“ im Watt. Möglich ist so eine Tour nur bei Ebbe. Bis dahin, wo das Wasser beginnt, fahren wir mit dem Traktor. Dann werden wir langsam ins Wasser gelassen. Alain steigt aus und zieht das Boot in tiefere Gewässer. Der erste Teil wäre also geschafft. Ich bin auf dem Meer. Unbeschadet. Und schon drückt mir einer der Mitfahrer einen Becher in die Hand. Wein? Unbedingt. Schmeckt super hier in der salzigen Meeresluft. Ich fühle mich gleich viel besser.

Wo die Muscheln gezüchtet werden

Zuerst schippern wir zu den Muschelbänken. Millionen von Muscheln werden hier gezüchtet. Sie werden an langen Strängen angesiedelt, wo sie wachsen dürfen. Erfreulicherweise klappt das mit dem Muschelzüchten in dieser Region besonders gut. „Von uns bekommt die Bretagne die Baby-Muscheln“, erklärt Alain, denn dort würden sie sich nicht vermehren. Geboren werden sie hier und ein Teil von ihnen, reist dann Richtung Ärmelkanal.
Die schiere Menge an Muscheln ist überwältigend. Da sind die ganz kleinen, die sich an den Pfählen, den „Bouchots“, ansiedeln und dort 2 – 4 Jahre wachsen. Doch nicht nur an den Pfählen, sondern auch an dicken Schnüren wachsen sie. So sind sie besonders gut zu ernten.

Warum gerade hier Austern und Muscheln so gut gedeihen

Seit mehr als 200 Jahren werden hier auf der Insel Austern und Muscheln gezüchtet. In den letzten 50 Jahren erlebte die Produktion einen enormen Aufschwung und wurde zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor der Region. Im Watt, das die Insel umgibt, in der Bucht von Bourgneuf und vor dem Austernhafen Port du Bonhomme in La Guérinière gibt es Gebiete, die für die Austernzucht besonders günstig sind. Die Qualität der Umwelt in Verbindung mit der Arbeit der rund vierzig Produzenten sind die Voraussetzungen für die schmackhaften Austern und Muscheln.

Warum isst man Muscheln nur in den kühleren Monaten?

Muscheln ernähren sich unter anderem von freischwimmenden Algen. Einige Algenarten hinterlassen für Menschen ungesunde Giftstoffe in den Muscheln und in den Sommermonaten kann es zu einer Algenblüte kommen. Dann filtern auch die Muscheln besonders viele Algen aus dem Wasser und die Konzentration des eingelagerten Giftes kann auf ungesunde Mengen ansteigen. Doch wenn es wieder kühler wird, haben die Schalentiere diese Giftstoffe längst ausgeschieden. Dann können die Muscheln unbedenklich gegessen werden. Schon unsere Vorfahren wussten um diese Besonderheit und hielten sich deswegen an die Regel, Muscheln nur in Monaten mit einem „R“ im Namen zu genießen.

Mittlerweile sind wir auf unserer Fahrt weiter unterwegs zu den Austernbänken. Die mitgebrachten Kühltruhen werden geöffnet und es wird Baguette mit Rillette, Käse und Schinken verteilt. Vom Weißwein ist man jetzt zum Rotwein übergegangen. Schmeckt auch toll. Dazu knabbere ich Erdnuss-Flips, die seien sehr französisch wird mir erklärt. Soll ich jetzt erwähnen, dass ich mit Erdnuss-Flips aufgewachsen bin? Vielleicht liegt es daran, dass ein Teil meiner Heimatstadt von Franzosen besetzt war, doch das ist, glaube ich, eher weniger der Grund. Ich kenne niemanden, der Erdnussflips nicht mag. Außerdem – Austern und Erdnussflips – wer kann dazu Nein sagen? Ich bin jetzt ein Teil der Gruppe. Es wird immer fröhlicher.

Frischere Austern gibt es nicht

Und da liegen sie. Eingepackt in Netztaschen. In allen Größen. Von der Baby-Auster bis zur stattlichen Größe No. 5. Es gibt hier rund um die Insel nicht nur „die eine Auster“, sondern verschiedene Sorten: „Fines“, „Fines de claire“ und „Spéciales“. Alain steigt vom Boot und steht hüfthoch im Wasser. Er öffnet verschiedene Beutel, damit wir die Wachstumsstadien der Austern begutachten können. Und dann zückt er sein Austernmesser. Er sammelt ein paar der großen Austern ein und öffnet sie für uns (zu diesem Zwecke wurden extra Zitronen und Essig mitgebracht). Ich habe keine andere Wahl – ich, die jetzt nun nicht zu den größten Austernfans zählt, muss da durch. Schließlich ist das Essen einer Auster, die gerade aus dem Meer kommt, Teil des Abenteuers. Während fast alle um mich herum die wohlschmeckende Auster preisen, bin ich ganz fix mit dem Wein, um alles runterzuspülen. Ja, an mich ist diese exklusive Pracht echt verschwendet.

natürlich wurde auch an Zitrone und Essig gedacht

diese hier sind noch viel zu klein zum Essen

Das Restaurant Le Bouclard / Les petits Bassets

Dann fahren wieder zurück zu der Stelle, wo der Traktor steht. Das Boot wird wieder auf den Anhänger gezogen und es geht zurück zum Restaurant von Alain. Nach dem Ausflug habe ich meine französischen Mitfahrer echt ins Herz geschlossen.
Wie ich später erfahre, kann man diese Tour so eigentlich gar nicht buchen (vielleicht wenn man Alain ganz nett fragt). Ich hatte also außerordentliches Glück, das  miterleben zu dürfen.
Was jedoch jeder erleben kann, der Alain besucht, sind seine wunderbaren Austern und Muscheln (zumindest von April bis Ende Oktober). Und für alle jene, die jetzt nicht so verrückt nach Austern sind, gibt es auf der Karte auch eine herrliche hausgemachte Pastete. Die kleinen Muscheln, die man mit einer Nadel aus ihrer Schale pult, schmecken übrigens grandios auf Butterbrot.

Le Bouclard / Les petits Bassets
Chemin des places
85680 La Guérinière

Offenlegung: Die Reise nach Noirmoutier-en-l’Île wurde unterstützt von Vendée Expansion  und Tourisme de Noirmoutier. Vielen Dank für dieses Abenteuer. Die Eindrücke sind wie immer ganz die meinen.

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