und wo man die teuerste Kartoffel der Welt findet
Ich wünschte, ich könnte bleiben. So steht es in meinem Notizbuch. Geschrieben am letzten Tag auf Noirmoutier. Ich sitze unweit des Marktplatzes in einem Café und die Septembersonne, fast schon Oktobersonne, wärmt meinen Rücken. Ich will diese Insel nicht verlassen. Ich will wieder und wieder die Sonne am Strand von Vieil aufgehen sehen, will durch die bezaubernden kleinen Gassen laufen und mich über die Prairieblumen freuen, die überall wachsen. Ich stelle mir vor, hier ein kleines weißes Haus zu haben. Mit blauen Fensterläden. Wie sie fast alle Häuser hier auf der Insel haben. Und das jetzt wäre meine liebste Saison auf der Insel. Weniger Touristen, ganz viel Flair, Ruhe und Weite. 3 Tage haben genügt, um mich in diese stille Inselschönheit zu verlieben. Ich begegne inspirierenden Menschen und genieße eine atemberaubend gute Fischküche und will nur eins: sobald wie möglich wieder hin.
Passage du Gois – hinkommen durch das Meer
Jahrhunderte lang war die Passage du Gois die einzige Verbindung nach Noirmoutier. Einst ein holpriger Naturweg, wurde sie erst im 19./20. Jh. befestigt. Und sie ist nur bei Ebbe für 1,5 – 2 Stunden befahrbar. Bei Flut verschwindet alles: Straße, Randsteine, Orientierung. Das Wasser steigt mit der einsetzenden Flut schnell und dann mehrere Meter hoch. Einziger Ausweg sind dann die Rettungstürme auf die man klettern kann, wenn man zu lange verweilt. Erst 1971 baute man zusätzlich eine Brücke. Es ist ein bisschen unheimlich hier zu fahren, rechts und links der Fahrbahn nur Watt, wo viele nach Muscheln und Austern suchen. Ich halte an und parke das Auto auf dem feuchten Sand und lasse den Blick über das schier endlose Watt streifen. Dieser Weg hat etwas Unwirkliches an sich. Noch eine Stunde und es ist nichts davon mehr zu sehen. Und so beeindruckend es auch ist, mitten durch das Meer zu fahren, ich bin ein bisschen beruhigt, als ich die Insel erreiche.
Hier findet man eine Gezeitentabelle, um die Überfahrt zu planen
Außergewöhnliches Salz
Mein erster Besuch gilt den Salzwiesen, den marais salants, die von oben gesehen ein glitzerndes Mosaik aus Salzbecken bilden. Ich bin mit Aude verabredet, die hier auf der Insel geboren ist und die für mich übersetzt. Denn vom Handwerk eines „Sauniers“, eines Salzbauern, habe ich keine Ahnung. Es braucht drei Dinge für Salz: Meerwasser natürlich, dazu viel Sonne und viel Wind. Ganz besonders für die Salzflocken, das Fleur de Sel, braucht es besonders viel Wind. Emmanuel Prud’homme ist Salzbauer und hat das archaisch anmutende Handwerk in der Guérande erlernt. Ein Jahr dauert die Ausbildung. Weitere 3 Jahre bis man es perfekt beherrscht. Es zu beherrschen heißt genau zu wissen, wann das Salz geerntet werden muss, wie man mit dem „Lousse“ dem langen Holzschieber umgeht und wann die Kanäle geöffnet werden müssen. Ich bekomme den langen (und ziemlich schweren) Holzschieber in die Hand gedrückt. „Versuch es“, lautet die Ansage. Emmanuel war natürlich klar, dass ich hoffnungslos scheitern werde. Es gelingt mir nicht, das Wasser ruhig zu pflügen, ich komme mit dem Widerstand des Wassers nicht zurecht und bereits nach kurzer Zeit spüre ich jeden Muskel in meinen Armen. Gerne gebe ich die Lousse wieder ab. Was das besondere an dem Salz von hier sei, will ich wissen. Es ist nicht so berühmt wie das Salz aus der Guérande, wird jedoch von vielen Küchenchefs ganz besonders als jodiger, präziser und mineralischer geschätzt. Vom Ton her hat es eine leicht graue Farbe und ist reich an Mineralien. Ich erkenne, dass Salz ein Gefühl von Stolz vermittelt. Egal wo auf der Welt. Salz ist Leben. Und ich besitze zuhause mindestens 10 verschiedene Sorten Salz. Aus allen Teilen der Welt. Nun kommt das Salz aus Noirmoutier dazu.
Coopérative der Sel (es gibt auch einen Laden unweit des Marktplatzes)
10 Rue Marouettes
85330 Noirmoutier-en-l’Île
Blaue Fensterläden, weiße Häuschen – ein Rundgang durch Noirmoutier-en-l’Île
Am besten stellt man das Auto auf der Insel bei der Unterkunft ab und bewegt sich nur noch mit dem Fahrrad fort. So macht es hier fast jeder. Es gibt breite Radwege und überhaupt ist alles ohnehin überschaubar was die Distanzen angeht. Ich stelle das Auto auf dem großen Parkplatz am Fuße des Châteaus de Noirmoutier ab. Weiter geht es zu Fuß durch die kleinen Gassen. Ich muss unbedingt den kleinen, wirklich entzückenden Gewürzladen L‘ Épicerie du Château besuchen, weil es dort einen ausgezeichneten Safran von der Insel gibt. Eine Empfehlung des Küchenchefs meines Hotels. Ein paar Häuser weiter findet man einen hübschen Buchladen mit einem Café darin. Ich bewege mich zuerst an den Rändern des eigentlichen Zentrums von Noirmoutier-en-l’Île, wo wenig Menschen unterwegs sind und die Gassen eine eindrucksvolle Ruhe ausstrahlen. Je näher ich mich in Richtung Marktplatz bewege, desto belebter wird es. Die Cafés sind alle gut gefüllt und die Temperatur ist mit fast 20° C perfekt. In der Sonne ist es noch wärmer.
Ich muss natürlich Salz kaufen, jede Menge Salz. Gutes Salz kann man nie genug haben. Und Dosen mit Fisch. Soviel wie das Maximalgewicht für den Koffer hergibt. In einem kleinen Küchenladen entdecke wunderschöne Textilien, die ich allesamt sofort mitnehmen könnte.
La Bonnotte – die teuerste Kartoffel der Welt
Sie ist der Stolz der ganzen Insel. Sie ist ein Mythos. Die kleine Frühkartoffel La Bonotte. Gourmets und Küchenchefs aus der ganzen Welt sind verrückt nach ihr. Doch was macht diese Kartoffel so besonders? Das frage ich Patrick Michaud, Präsident der “Saveurs de l’Ile”, einer Vereinigung von Produzenten und Gastronomen auf Noirmoutier. Er baut die La Bonnotte an. Sie ist eine Urkartoffel aus dem 19. Jahrhundert: klein, dünnhäutig und von unregelmäßiger Form. Fast wäre sie ausgestorben, eben, weil sie so empfindlich ist und sich für die industrielle Landwirtschaft nicht eignet. Ihrer Zartheit wegen wird sie ausschließlich per Hand geerntet, eine Maschine würde sie zerquetschen. 90 Tage nach ihrer Aussaat wird sie geerntet und ist dann nur gut 14 Tage haltbar. Das ist auch der Grund, warum es mir nicht vergönnt ist, diese besondere Kartoffel auf der Insel zu kosten. Jetzt ist nur die Zeit, wo die Böden vorbereitet werden. Seetang wird als Dünger in den Boden eingebracht. Die Pflanze braucht viel Licht und gut drainierten Boden. Der Geschmack der Kartoffeln ist süß und mineralisch. Und weil sie ein so delikater Schatz ist, durfte sie auch einmal im Diplomatengepäck in der Concorde nach New York reisen. Ein berühmter Küchenchef bestand auf eben genau dieser Kartoffel. Diplomatengepäck, weil es ja eigentlich strikt untersagt ist, Pflanzen in die USA einzuführen. Und dann dämmert es mir: Nachdem ich zurück in München bin, besuche ich meinen liebsten Kartoffel-Händler Theo von Caspar Plautz auf dem Viktualienmarkt. Ob er die Kartoffel aus Noirmoutier kenne, frage ich ihn? Natürlich, antwortet er und grinst. Und kann es sein, dass ich die schon gekauft habe, will ich wissen, denn ich erinnerte mich, dass ich vor etwa 2 Jahren einmal eine ganz besondere Kartoffel bei ihm kaufte. Sie kostete um die zehn Euro für gerade mal 500 g. Ja, genau – das sei die La Bonnotte gewesen. Ob er sie im kommenden Frühling wieder anbieten würde, frage ich. Vielleicht, denn diese Kartoffel könne man nicht einfach einkaufen. Man muss sie ersteigern. Jetzt, wo ich soviel mehr über die Kartoffel weiß, bin ich noch erpichter darauf, ihr im kommenden Jahr meine Aufwartung zu machen.
Am Strand
Gleich am ersten Abend hat mich der Strand Plage des Dames mit seinen kleinen Badehäuschen in seinen Bann gezogen. Dieser Strand prägt dieses Image der leicht „bourgeoisen“ Insel ganz besonders. In den Wäldern drum herum stehen prächtige Villen und so ist man geneigt, diese Insel als besonderen Ort der Sommerfrische für adelige Besucher zu betrachten. Wobei die Insel niemals protzig war. Im Gegenteil – sie ist ruhig und sanft. Im Bois de la Chaise zeigt sich dieser Hintergrund am stärksten:
Er war das noble Sommerquartier – eine Küstenlandschaft voller alter, windgebeugter Eichen, in deren Schatten die reichen Familien ihre Anwesen bauten. Das Klima hier ist milder als in den Badeorten La Baule oder Les Sables-d’Olonne.
Heute gehört die Insel zu den teuersten Wohnlagen der Atlantikküste – aber man sieht es kaum. Hier renoviert man die Häuser eher, als dass man sie neu baut und setzt auf Dezenz. Und blaue Fensterläden.
Wilder und offener ist dagegen der Plage du Vieil. Hier kann man lange Spaziergänge unternehmen. Es gibt noch etliche Strände mehr auf der Insel, doch in den drei Tagen, die ich dort verbracht habe, konnte ich nicht alle kennenlernen.
Elise und die grüne Krabbe mit Nachhall
Alexandre Couillon ist der Küchenchef des mit 3 Michelinsternen ausgezeichneten Restaurants La Marine und hat in diesem Jahr ein weiteres Restaurant auf Noirmoutier eröffnet. Eigentlich ist es eine Mischung aus Fischgeschäft und Restaurant. Der schlauchartige Innenraum bietet im vorderen Teil den Verkauf von exquisiten Fischen, im hinteren Teil befindet sich ein langer Tresen, seitlich ein paar wenige Tische neben einem beeindruckenden Weinregal. Mittelpunkt ist der große Grill. Der Fokus liegt auf Fisch und Meeresfrüchten. Die Karte ist überschaubar. Es werden vier verschiedene Vorspeisen angeboten, 2 Zwischengänge, 4 verschiedene Hauptspeisen und drei Dessert. Und mehr braucht es auch nicht, denn was mich hier erwartet, ist zum Schwärmen gut. Auch wenn es um diese Jahreszeit auf der Insel schon ruhiger ist, so wird im Laufe des Abends jeder Platz besetzt sein. Aus gutem Grund – was hier geboten wird, ist spektakuläre Fischküche zu einem grandiosen Preis. Zum Auftakt bekomme ich gegrillte Makrele mit einer Knoblauch-Honig-Ingwer Emulsion. Die kräftigen Aromen der Makrele werden von der Sauce umschmeichelt und fügen sich so in ein harmonisches Gesamtgefüge. So gut, dass ich selbst mit der kleinen Gabel versuche, die Reste der Sauce zu erwischen. Doch es wird noch besser: Auftritt der Chawanmushi mit grüner Krabbe. Chawanmushi ist ein Gericht aus Japan und man darf es sich gerne als eine Art Eierstich vorstellen, doch dieser hier ist ungleich cremiger. Das Fleisch der grünen Krabbe ist süßlich und wird von einer dezenten Note von Holunder-Essig noch unterstrichen. Ein Gericht, bei dem ich glücklich und gleichzeitig fast traurig bin, als es aufgegessen ist. Allein dafür würde ich sofortvwieder auf die Insel kommen.
Die Gerichte sind fokussiert auf ihre Zutaten, kein aufwändiges Plating mit Tüpfchen und verstrichenen Pürees. Schlicht präsentiert aber von umwerfender Präzision und Geschmack. Hauptgang ist ein Seehecht mit einer cremig-luftigen Knoblauchsauce. Dazu nur etwas auf den Punkt gegarten Blumenkohl mit Petersilien-Öl. Gutes Essen beschwingt und macht glücklich. Ein Glück, das man an diesem Tresen gerne mit den Menschen um sich herum teilt und wie sich herausstellt, bin ich umringt von Gästen, die nicht das erste Mal hier sind. Was wenig verwunderlich ist. Wäre ich länger auf der Insel, ich wäre das ebenfalls. Zum Abschluss wähle ich noch eine Vanillecreme mit Rauchsalz und Karamellbutter. Die beste Vanillecreme, die ich je gegessen habe.
Restaurant Elise – poisson et braise
5 Rue Marie Lemonnier
85330 Noirmoutier-en-l’Île
Übernachten
Das Hôtel Restaurant Les Prateaux am Bois de la Chaise liegt unweit der Strände Plage des Dames und Plage des Sableaux. Hier genießt man die Ruhe in den geschmackvoll eingerichteten Zimmern rund um den üppigen Garten. Mit 20 Zimmern ist es klein und fein und Küchenchef Luderic Picon serviert eine kreative Küche entlang der Saison und den lokalen Produkten. Und zu Recht ist man stolz auf ein ausgezeichnetes Frühstück.
Hôtel Restaurant Les Prateaux
8 Allée du Tambourin,
85330 Noirmoutier en l’île
Offenlegung: Die Reise nach Noirmoutier wurde unterstützt von Vendée Expansion und Tourisme de Noirmoutier. Die Eindrücke sind wie immer ganz die meinen.



































Alleine die Bilder, veranlassen mich sofort dorthin zu reisen😊danke für den gelungenen Beitrag. Liebe Grüße Bärbel