4. Mai 2017

Literarische Versuchsküche: Tafelspitz mit asiatischer Pflaumen-Jujube Sauce, frei nach dem großen Glander

6 Kommentare

Tafelspitz mit Pflaumensauce-4

Der kulinarische Roman im Allgemeinen liegt mir nicht besonders. Suche ich die kulinarische Inspiration, nehme ich Kochbücher. Nur wenige Werke aus der Belletristik, in denen gekocht wird, vermögen mich in ihren Bann zu ziehen. Wenn Haruki Murakami in a Year of Spaghetti beispielsweise über das Kochen von Spaghetti in einem riesigen Topf schreibt, spüre ich dieses zwanghafte sich-zurückziehen von der Welt. Ich teile den einsamen Teller Nudeln mit ihm und bin ganz gefangen in seinen Worten. Der Koch von Martin Sutner ging mir dagegen schon wieder zu weit. Zu schön wäre es, wenn wir mit unserer Kochkunst wirklich die großen Gefühle der Menschen steuern könnten, wenn es uns gelänge, Herzen damit zu erobern oder das Böse zu bannen. Wenn schon Fiktion, dann ist mir der Replikator aus Star Trek am liebsten. Ein Gerät, das jedes Essen, das man haben möchte einfach erzeugen kann. Ich sage zum Beispiel „Sushi“ oder „Minestrone“ und schon werden auf wundersame Weise die Moleküle zusammengefügt und nach einigen Sekunden steht das vor mir, wonach mir gelüstet. Und draußen der Weltraum. Das ist schon eher mein Ding.
Doch dann begegnet einem ein kulinarischer Roman von einem Menschen, den man persönlich kennt. Der große Glander von Stevan Paul. Wo ein berühmter Künstler verschwindet, sich von der oberflächlichen Welt der Kunst abwendet und sich ganz dem Kochen widmet. Ich mag Pauls Geschichten sehr gerne. Er schreibt pointiert, heiter und stets mit leidenschaftlicher Hingabe an die Zubereitung von Speisen. Er weiß schließlich wovon er spricht. Er hat das Kochen gelernt, und in seinem neuen Roman lässt er mich ein wenig in seinen Kopf schauen. Nämlich genau dann, wenn es um die Beschreibung von Speisen geht. Während ein Murakami über die bloße Nudel sinniert, schwelgt Paul in den Sinfonien der Aromen, Düfte und teilt die aufregendsten Kreationen mit uns. Die Art und Weise, wie tief er in die kunstvolle Komposition der Gerichte eintaucht und sie beschreibt, lässt erahnen, welcher Hagelsturm an olfaktorischen und gustatorischen Eindrücken auf ihn einprasselt, wenn er über Essen schreibt.

Tafelspitz Jujube
In seinem Roman ist dieser Tafelspitz hier vom edlen Waguy Rind. Das kennt mein Metzger auf dem Bauernmarkt zwar, hat er aber nicht. Und für die beschriebenen Preiselbeeren ist die Saison grad nicht so ganz die Passende. Darum habe ich kurzerhand die nordische Küche sein gelassen und habe mich meinen Jujube Beeren, die ich aus Taipeh mitgebracht habe zugewandt. Endlich bekommen sie ihren Auftritt. Ich habe sie aus einem kleinen Bioladen im alten Stadtteil Datong. Die rote Jujube Beere, oder auch Jujube Dattel, ist mir auf meiner Reise des Öfteren begegnet, ich habe Jujube Tee in Korea getrunken und habe sie auf den Märkten gesehen, doch nur einmal bekomme ich sie in Taiwan auch in Bioqualität. Grund genug, sie um die halbe Welt nach Hause zu schleppen.
Die im Buch erwähnte Fusion-Küche ist also eine ebensolche geworden, nur dass sie eben nicht nordisch, sondern taiwanesisch inspiriert ist und trotzdem dem heimischen Rind, das butterzart auf der Zunge zergeht, durchaus zu höheren Weihen verhilft. Während die Pflaumen sich während des Kochens fast vollständig auflösen und der Sauce eine würzige Säure geben, sie schön sämig machen, bleiben die Jujube Beeren in ihrer Form erhalten. Ein wenig Mark aus den Knochen, das darin mitgekocht wird, macht die Sauce reichhaltig und sättigend.
Dazu passend wäre ein Rauchtee oder ein frischer, trockener Sake.

Tafelspitz mit Pflaumensauce-1 Tafelspitz mit Pflaumensauce-2 Tafelspitz mit Pflaumensauce-1-2

Für Vier

600 g Tafelspitz
400 ml asiatische Knochenbrühe
50 ml Sherry Medium
2 EL Pflaumenmarmelade
1 TL Tomatenmark
8 getrocknete Dörrpflaumen (soft)
etwa 12 getrocknete Jujube (asiatisch Dattel, auch Brustbeere genannt, bekommt man mit Glück im Asialaden)
2 EL Soja Sauce
etwas Mehl zum bestäuben
2 EL Öl
Salz

asiatische Knochenbrühe
etwa 6 Markknochen
1 Stange Lauch
3 Sternanis
3 Möhren
1 Petersilienwurzel
3 Stangen Sellerie
1 Schalotte
2 Lorbeerblätter
1 TL Pfefferkörner
1 Stück Ingwer
1, 5 L Wasser

Brunnenkresse für die Dekoration

1. Für die Knochenbrühe, die Knochen ohne Zugabe von Fett in einem Schmortopf rösten. Das Gemüse wo nötig schälen und grob würfeln. Pfeffer und Sternanis in den Topf geben und weiterrösten. Das Gemüse zufügen kräftig umrühren und nach etwa einer Minute mit dem Wasser ablöschen.
2. 40 Minuten offen köcheln und auf die Hälfte reduzieren lassen.
3. Durch ein Sieb in einen Topf gießen und beiseite stellen. Von zwei Markknochen das Mark herausdrücken und ebenfalls beiseite stellen.
4. Den Tafelspitz in etwas Mehl wälzen, das Öl im Schmortopf erhitzen und von allen Seiten kurz anbraten. Mit Sherry ablöschen.
Die Brühe dazugeben (den Rest der Brühe anderweitig verwenden).
Die Dörrpflaumen vierteln und mit den Jujube und dem Mark zum Fleisch geben.
Bei geschlossenem Deckel und niedriger Temperatur 2,5 Stunden köcheln lassen.
5. Das Fleisch aus der Sauce nehmen und kurz ruhen lassen, währenddessen die Sauce nochmal eitwas einkochen lassen.
Das Fleisch in Scheiben schneiden und mit der Sauce servieren.

Aufgewärmt schmeckt’s gleich nochmal so gut.

Tafelspitz mit Pflaumensauce-5

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6 Kommentare

  1. Liebe Claudia,

    da ist dir aber eine tolle Interpretation gelungen. Steht schon auf meiner ToDo- Liste und ich hab dich auch in meinem Glander-Post verlinkt.

    Liebe Grüße
    Ursl

    Antworten
    • Liebe Ursl, das Kompliment kann ich nur erwidern. Sehr schön dein Rehfilet und eine schöne Blogentdeckung!
      Liebe Grüße
      Claudia

      Antworten
  2. Tolle Interpretation des Gerichts aus dem Buch! Genauso hätte ich es mir beim Lesen auch vorgestellt.

    Antworten
    • Vielen Dank an den lesenden Herrn Lagerfell! :-)

      Antworten
  3. Hi Claudia,
    das Büchlein liegt gerade frisch eingetroffen jetzt auch bei mir. Werde es mir zeitnah einverleiben :-) Wenn alle Kreationen so spannend sind in dem Buch wie deine hier vorgestellte, wird das Lesen sicher auch nicht lange dauern!
    Liebe Grüße,
    Eva

    Antworten
    • Liebe Eva, dann wünsche ich schon mal viel Lesevergnügen und kulinarische Inspiration.
      Liebe Grüße
      Claudia

      Antworten

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