22. September 2015

Kulinaarinen Suomi – Finnland kulinarisch (Teil 2) Helsinki

4 Kommentare

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Von der Einsamkeit in den Wäldern bis ins lebhafte Helsinki ist es nicht weit und genau das macht es so reizvoll. Innerhalb einer Stunde kann man die absolute Einsamkeit mit dem Treiben der Stadt tauschen. Der Kontrast könnte nicht größer sein, als ich meine entzückende Hütte am See gegen das brandneue Design Hotel Lilla Roberts, im Zentrum von Helsinki und nur drei Minuten zu Fuß von Hafen und Markt entfernt, eintausche. Nach der Stille des Waldes erscheinen die Stimmen umso lauter. Stadt, du hast mich wieder!

Helsinkis Design District, famose Fische und Krebse in ehrwürdigen Hallen

Und wieder bin ich umzingelt von wunderbaren Stühlen und Lampen. Das mag erheiternd klingen, doch wenn ich, deren Radar normalerweise nur Teller, Drinks und Essen scannt, plötzlich am liebsten ihre Wohnung umkrempeln möchte, so ist dies ein Indiz für die Außergewöhnlichkeit. Ich finde sie nicht nur in meinem großzügigen Hotelzimmer, sondern auch in der Lobby und natürlich in den Geschäften in den Straßen. Und hier gibt es sündhaft viele kleine Läden mit hübschen Sachen. Die blaue Stunde naht, als ich die Bar in der Lobby betrete. Zeit für einen Cocktail. Der Restaurantleiter in Kirkkonummi hat mir diese Bar, respektive die Künste des Bartenders, wärmstens empfohlen. Und so lehne ich mich zurück in einem breiten Ledersessel und bestelle einen Cocktail mit Yuzu, Joghurt und Gin. Serviert wird er mit frischen Blüten und winzigen Kapuzinerkresseblättchen in einer Teeschale. Er schmeckt ausgezeichnet. Coole Cocktails machen nur in der Stadt so richtig Spaß. Ich bin bereit.

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Nach einem kurzen Spaziergang in der Dämmerung über die Prachtstraße Helsinkis (man sieht nicht mehr so viel, es ist dunkel) entlang des Hafens, hat meine reizende Begleiterin Jaana von Visit Helsinki ein Überraschung für mich. Ein Crawfish Dinner im exklusiven Restaurant Palace Gourmet. Dieses zu den Olymischen Spielen 1952 erbaute Prachtstück, das früher ein Hotel mit einer Sauna-Bar (hüstel, klingt frivoler als es ist) auf dem Dach war und eben ein Restaurant das einen atemberaubenden Blick über den Hafen und die ständig ein- und ausfahrenden Fähren bietet, wurde komplett neu renoviert. Die Bar wurde geschlossen, ebenso das Hotel. Was blieb ist das Restaurant. Ich habe gelernt, dass der Finne im Allgemeinen gerne früh zu Abend isst. So gegen 18:00 Uhr. Es ist bereits Acht und es ist gähnend leer. Scheint nicht so der Brüller zu sein, denke ich. Weit gefehlt. Ich habe das Restaurant für mich alleine. Also besser gesagt für mich und meine Begleitung. Bevor es jetzt allen den Atem verschlägt sei gesagt – dies ist nicht ungewöhnlich. Abends kann man hier nur auf Bestellung dinieren. Es gibt mehrere „private Dining Rooms“ (auch dies mag jetzt wieder pikant klingen, ist jedoch für private Feiern und Firmenevents vorgesehen). Die Stühle (!) wurden exakt jenen aus den Fünfzigern nachgebaut.
Das mit den Krebsen folgt einem festen Ritual. Du isst einen Krebs, also pulst ihn schön aus, danach werden die Finger in der Fingerbowle auf dem Tisch saubergemacht und dann gibt es einen Schnaps. Und zwar nach jedem Krebs. Ich habe Glück –  es gibt nur vier Krebse pro Person.
Nach den Krebsen gibt es einen Whitefish (große Maräne), der so wundervoll ist, dass ich kurz erwäge ein Loblied anzustimmen. Das tue ich natürlich mit Rücksicht auf meine Begleitung nicht.
Feine deutsche und spanische Weine als Begleitung. Auf die eventuelle Frage, ob ich danach noch geradeaus laufen konnte, kann ich nur antworten – problemlos. Mag wohl am Klima liegen.

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Heringe in Wacholder, Moltebeeren und was es sonst noch so auf den Märkten in Helsinki gibt

Jeder schwärmt von Moltebeeren. Diese Beeren, die aussehen wie zu kurz geratene gelbe Himbeeren gibt es aber nur im Norden des Landes. Was auf den Märkten in Helsinki verkauft wird, ist tendenziell eher Moltebeerenmus. Die zarte Frucht überlebt den Transport selten unbeschadet. Was jedoch keinen davon abhält sich Moltebeerenmus auf Brotkäse (eine Spezialität, die es noch jagen gilt) und alles möglich zu packen. Natürlich will ich wissen, ob man hier auch Elch, Rentier und Bären essen kann und ernte ein belustigtes Grinsen. Tut man eher nicht und all das Fleisch, das in Dosen in den Markthallen und am Flughafen verkauft wird ist für die Touristen. Vorzugsweise jene aus Asien. Die mögen dem strengen Odeur des Bärenfleisches vielleicht noch magische Kräfte zusprechen. Mir rät man davon ab. Ich entdecke, dass Karelische Piroggen (Karjalan Piirakka) einen besonders hohen Suchtfaktor haben. Ganz besonders die traditionellste Variante mit Graupenfüllung. Diese mit der überall beliebten Ei-Butter sind so unschlagbar gut, dass ich sie jetzt schon schmerzlich vermisse. Die besten habe ich in der alten Markthalle am Hakaniemi Market bekommen. Das salzige Gebäck mit den eindeutig russischen Wurzeln ist jedoch überall hier zu bekommen.

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in der Mitte die karelischen Piroggen mit Graupen und rechts der „Bread cheese“

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der coolste Markstand ever…

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Sanddorn und Blaubeeren

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finnisches Streetfood

Auf dem Central Markt am Hafen gibt es Beeren über Beeren, köstliche finnische Bratwürste und das übliche Gemüse. Dunkle Pflaumen kennt man hier nicht. Hier sind sie alle gelb bis orange. Die alte Markthalle daneben wurde komplett renoviert, beinhaltet nette Stände, und das hippe Restaurant „Story“, doch einkaufen sieht man eher nur Touristen. Die Helsinkier gehen alle in den Hakaniemi Markt. Dort ist es weniger chic, aber die Sachen sind authentischer. Dort esse ich den besten Hering in Wacholder Tunke meines Lebens. Es ist ja schon so, dass mich ein paar Mal im Jahr diese unglaubliche Lust auf Hering überkommt und ich dann um die Kühltheke im Supermarkt herumschleiche auf der Suche nach Teufelsröllchen oder ähnlichem. Diese hier sind die Krönung von Teufelsröllchen. Das Allerbeste.
Und in dieser Markthalle finde ich auch den „Bread cheese“, eine schnittfesten Frischkäse, der so gar nicht mit irgendwas zu vergleichen ist, was ich kenne. Ein bisschen wie Mozzarella vielleicht. Ich habe ihn mit Lakritzsauce und Moltebeeren gegessen, kann ihn mir aber auch hervorragend auf eine herzhafte Art vorstellen. Die Verkäuferin zweifelt daran, dass es mir gelingen wird, diesen Käse ungekühlt bis nach Deutschland zu bringen. Dabei habe ich doch Amazonas Ameisen über Sao Paulo, nach Lima und zurück nach Deutschland in einer geschlossenen Kühlkette transportiert. Was das angeht, bin ich schließlich kein Anfänger. Der Käse muss also mit. Ein bisschen Kultur lasse ich mir an diesem Tag auch noch angedeihen und besuche das Restaurant Museum im alten Kabelwerk (was in Zeiten vor den Mobiltelefonen einmal Nokia gehörte). Lese dort alte Speisekarten und bewundere alte Küchengeräte aus der Gastronomie. Zur Abwechslung gibt hier mal keine Stühle, die ich sofort mitnehmen möchte.

Der „Lakritz und Torten Tempel“, eine Tortenpremiere und was Finnland mit den Elben zu tun hat

Im ersten Teil der Trilogie „Der Herr der Ringe“ gibt es jene Szene, wo die Hobbits auf dem Weg ins Land der Elben zwei monumentale Statuen passieren. Die Statuen am Bahnhof ähneln diesen auf verblüffende Weise. Als Wahrzeichen der Stadt strahlen sie eine erhabene Würde aus. Tolkien, der Verfasser der Trilogie war ein großer Fan Finnlands und seine Elbensprache wurde dem Finnischen nachempfunden. Nichtsdestotrotz sind die Finnen in den entsprechenden Szenen ebenso auf die Untertitel angewiesen wie ich.

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An meinem letzten Morgen frühstücke ich nicht im Hotel, sondern bin zum Frühstück ins ehrwürdigste Café der Stadt eingeladen. Das Karl Fazer Café. Hier am Ursprung dieser nordischen Legende tauche ich ein in die Welt der Torten, Törtchen, Pralinen und natürlich der Lakritze. Das Frühstücksbüffet ist eine Sensation. Ich ernte ein zustimmendes Nicken, als ich  – ganz so wie es die Finnen lieben – auf mein warmes Porridge noch einen guten Teelöffel Butter packe. Tendenziell ist dieses Porridge leicht salzig, was dennoch wunderbar harmoniert mit frischen Früchten und einem Klacks Bitterorangen-Marmelade. Mich begleitet die bezaubernde finnische Bloggerin Elisabeth Heinrichs alias HelsinkiDragonfly. Auf ihrem Blog und Instagram Account berichtet sie ständig über neue Hot Spots in Helsinki, Design und Lifestyle.
Und dann dürfen wir sie probieren – die neueste Tortenkreation von Chefkonditor Eero Paulamäki. Eine Lakritzmousse Torte mit Kirschen und Schokolade. Wer auch immer glauben mag, solche Unanständigkeiten dürfe man nicht zum Frühstück tun, dem kann ich nur sagen –  man muss. Diese Torte ist umwerfend. Und Eero ein so leidenschaftlicher und fantastischer Konditor. Es ist eine Ehre, dass er sie uns persönlich serviert.

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Chefpatissier Eero Paulamäki und seine neue Lakritzmousse Torte

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Im Lakritz-Himmel

Zum Abschluss darf ich noch aus allen Lakritzsorten meine Lieblingssorte wählen und bekomme eine Riesentüte mit der leckersten Auswahl in die Hand gedrückt. Finnland, Helsinki und ihr Finnen – ihr habt mein Herz  im Sturm erobert. Soviel Freundlichkeit und Gastfreundschaft ist herzerwärmend. Danke dafür.

Und im nächsten Bericht geht es noch bei strömendem Regen mit dem Rad durch die Stadt in das  Michelinstern bestückte Restaurant ASK.

Adressen

Schlafen
Lilla Roberts Hotel http://www.lillaroberts.com/en/

Essen
Palace Gourmet – definitiv die beste Aussicht über den Hafen http://www.palace.fi/en/
Lasipalatsi – typisch finnisch und bester Fisch http://www.ravintolalasipalatsi.fi/en/index.php
Story – cool, modern und mitten in der alten Markthalle http://www.restaurantstory.fi/
Boulevard Social – die kleine Schwester des Gaijin mit trendig-orientalischem Touch http://boulevardsocial.fi/
ASK – Sterneküche (separater Bericht folgt) http://restaurantask.com/
Helsinki Food Map (alles und noch viel mehr) http://www.visithelsinki.fi/en/stay-and-enjoy/eat/food-helsinki-hel-yeah
Karl Fazer – Traditionscafé http://www.fazer.fi/kahvilat-ja-leipomot/kahvilat–ravintolat/karl-fazer-cafe/karl-fazer-cafe/

Trinken
Bar im Hotel Lilla Roberts – die coolsten Cocktails der Stadt http://www.lillaroberts.com/en/bar
Bier, Bier – hier tagt die Craft Beer Szene – http://www.bier-bier.fi/

Aktivitäten
Hotel und Restaurant Museum http://www.hotellijaravintolamuseo.fi/
Design District – einfach rumlaufen und entdecken oder mit einer geführten Tour von Happy Guide (der Typ ist nicht annähernd so schräg wie auf dem Foto) http://happyguidehelsinki.com/

Die Reise wurde unterstützt von Visit Finnland, Visit Espoo, Visit Lohja und Visit Helsinki. Herzlichen Dank dafür. Meine Meinung bleibt davon unbeeinflusst.

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4 Kommentare

  1. Seit 20 Jahren reise ich nun nach Helsinki und war vom ersten Tag an verliebt in diese Stadt. Es gibt immer wieder etwas neues zu entdecken und wenn die Finnen etwas Ahnung haben, dann ist es, das Leben zu genießen und gut zu essen. Es war ein Genuss deinen Bericht zu lesen, und die Sehnsucht ist wieder ein Stückchen größer geworden. Auf ein baldiges wiedersehen, nähdään pian!

    Antworten
    • Liebe Britta,
      es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, dass ich dort war. Ich will unbedingt wieder hin.
      Herzliche Grüße
      Claudia

      Antworten
  2. Was für eine Traumreise. Ich habe jetzt Teil 1 und 2 atemlos gelesen – Du vermagst zu beschreiben, dass man sich fühlt, als sei man dabei. Für mich bitte auch einmal von allem, inklusive Stühle. Vielen Dank für diese wunderbaren Einblicke, liebe Claudia, und lieben Gruß!

    Antworten
  3. Deine Erlebnisse hab ich gerne gelesen! Ich war vor über 10 Jahren in Finnland und fand es einfach traumhaft!
    Auf jeden Fall kann ich mich an eine wundervolle Crème brûlée mit Moltebeerengelee erinnern… große Liebe!
    Ich wäre zu gerne dabei gewesen!
    Liebe Grüße
    Lena

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  1. Lieblingshappen im September | Reisehappen - […] Dinner um Acht stand diesen Monat alles im Zeichen von Finnland, vor allem kulinarisch und die Fotos machen riesige…

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