17. September 2016

Reden wir über Umami –
über ein Umami Symposium und ein Rezept voller Umami (Misogeröstete Tomaten mit Soba Nudeln)

6 Kommentare

umami-symposium-header

Zu fortgeschrittener Stunde, bei einem Glas Wein, sind wir bei den Formeln angelangt. Es geht richtig zur Sache und Molekülstrukturen werden auf Servietten aufgezeichnet. Rechtsdrehend, linksdrehend. Alles das hängt mit Umami zusammen. Umami – die Bezeichnung für den fünften Geschmack. Zu süß, sauer, salzig, bitter hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts noch umami gesellt. Beschrieben wurde es erstmalig von dem japanischen Forscher Ikeda Kikunae. In seiner Ausdrucksform steht umami salopp umschrieben für lecker. Doch was ist lecker? Parmesan ist lecker, Fleisch ist lecker, ein Glas Sherry in der Rinderbrühe ist lecker, Walnüsse sind lecker. Lecker ist eine blöde Beschreibung, denn sie ist völlig undifferenziert. Werden wir also konkreter. Hinter Umami verbirgt sich das Protein Glutaminsäure. Eine Aminosäure. Umgangssprachlich verwendet man hier gerne den Begriff „Geschmacksverstärker“ und schwupps, ist man in einer ganz bösen Ecke gelandet. Die Dämonen des industriellen Fast Foods werden auf den Plan gerufen. Glutamat, das Unwort ist plötzlich wieder da.
Das Food Magazin Effilee lud die Wissenschaftler Prof. Dr. Thomas Vilgis, Physiker am Max Planck Institut und Autor mehrerer Kochbücher, und Michael Podvinec, Molekularbiologe und Autor, die Küchenchefs Martin Fauster und Tohru Nakamura (in dessen Werneckhof das Symposium stattfand), den Gewürzexperten Ingo Holland und ein paar Vertreter aus Blogs und Medien zu einem Austausch über das Thema „Umami“ ein. Was nachmittags mit wunderbaren Snacks beginnt, unter anderem mit Tohrus Miso-Leberkäse, endet spät in der Nacht. Dazwischen lausche ich spannenden Vorträgen, und weiß nun endlich auch, dass bereits in der Muttermilch ganz viel Umami enthalten ist. Diese Glutaminsäure ist einfach überall drin, wo es köstlich wird. Die alten Römer schätzten ihr Garum, was uns heute immer noch in Form von asiatischer Fischsauce begegnet. Die großen Nahrungsmittelkonzerne haben sich in einem Schulterschluss dazu durchgerungen, auf Geschmacksverstärker zu verzichten und verstecken es seitdem hinter dem unschuldigen Wort Hefeextrakt. Alles was mit Hefe, ganz besonders mit Fermentation zu tun hat, ist voller Glutaminsäure. Voller Umami. Voller Geschmack. Wir tun also nur so, als sei plötzlich alles gut. Dabei ist es immer noch da, ist allgegenwärtig. Eine Pasta Puttanesca mit Kapern, Tomaten und Sardellen ist eine Umami Bombe. Kommt noch Parmesan drüber, beginnen wir lustvoll zu seufzen. Ein Glas Wein dazu? Herrlich. Da steckt nämlich auch jede Menge Umami drin (Hefe, Fermentation – alles klar?).
Man kann ihm also gar nicht entkommen dem Umami. Hinter vorgehaltener Hand sprechen wir über das „Chefsalz“, das in den Restaurantküchen steht. Und damit sind nicht nur die asiatischen Küchen gemeint. Es steht überall und ist – richtig, Geschmacksverstärker. Glutamat.
Den einen oder anderen mag es schon überall jucken, schließlich hat man doch schon so viel über das „China-Restaurant Syndrom“ gelesen. Wenig fundiert und selbst von seinem Entdecker nur als Möglichkeit aufgeführt, Glutamat als Verursacher dessen zu bezichtigen, was man heute eher als Histamin Intoleranz bezeichnen könnte. Und glaubt mir, mit Histamin und juckenden Nesseln kenne ich mich aus. Über drei Jahre verfolgten mich die Nesseln. Thunfisch war tabu, Spinat und Tomaten auf dem Speise-Index. Dann war es plötzlich wieder weg. Wieso wussten nicht einmal die vielen Ärzte, die ich konsultiert hatte.
Wenn also Umami allgegenwärtig ist, wenn wir es geradezu suchen und nicht genug davon bekommen können, dann kann man schon mal einen Tag lang sich in endlosen Gesprächen vertiefen und dabei lernen, dass es das Wort Geschmacksverstärker eigentlich überhaupt nicht geben dürfte. Da ist nämlich nichts, was den Geschmack verstärkt, es sei denn, man möchte die Zugabe von Tomatenmark an eine Tomatensauce als Geschmacksverstärker bezeichnen. Oder die Zugabe von Miso in heißes Wasser oder Dashi Brühe, was eine ausgezeichnete Suppe ergibt. Sagen wir also besser, es ist umami, denn es ist Glutaminsäure enthalten.

Geschmack ist wasserlöslich, Aroma ist fettlöslich

Natürlich geht es an diesem Tag auch darum, echte Umami-Bomben zu kosten und da kommt Dashi ins Spiel. Dashibrühe ist ein fester Bestandteil der japanischen Küche und wird aus Kombu Algen, Katsuobushi (Flocken vom getrockneten und geräucherten Bonito) und wahlweise Shiitake Pilzen hergestellt. Perfekt funktioniert das, wenn man alles zusammen bei 65° vakuumiert im Sous Vide Gerät zubereitet. Bei dieser Temperatur löst sich die Glutaminsäure am liebsten heraus. Macht man Dashibrühe zuhause, darf es auch gerne weniger wissenschaftlich sein. Da gibt man einfach alles zusammen mit Wasser in einen Topf und lässt es eine Weile vor sich hin köcheln. Heraus kommt eine schmackhafte Brühe, die vielseitig verwendbar ist. Wir probieren an diesem Tag Dashi Brühen aus verschiedenen Kombu Algen, mit ausgekochter Parmesanrinde, mit Pilzen und ohne. Und es ist unglaublich, was so eine Kombu Alge an Geschmack an das Wasser abgibt. Da ist man dann beim reinen Umami. Die Urform sozusagen. Hier kann das Gehirn nichts bekanntes mehr zuordnen. Keine Tomate, keinen Fisch, einfach gar nichts. Aber da ist trotzdem so viel Geschmack. Wie soll ich ihn beschreiben? Mir fällt kein Wort dafür ein. Es ist würzig und dennoch undefiniert. Nichts, was ich jetzt anstelle von Tee lieber hätte, aber von einer ganz besonderen Wirkung. Es ist umami. Es ist reichhaltig.
Wo viel Glutaminsäure drin ist, wird weniger Salz benötigt.
Zuhause will ich das gleich nochmal ausprobieren und gehe zum ersten Mal ganz besonders „nerdig“ an ein Rezept heran. Wo steckt viel Umami drin? Ich entscheide mich für Miso-geröstete Tomaten mit Sobanudeln und einer Limetten-Miso Sauce. Hier habe ich Umami von der fermentierten Sojabohnen Paste (Miso), den Tomaten, den Grüntee Soba Nudeln und ein wenig im Reisessig. Hinzukommen ein paar Röstaromen von Sesamkörnern und Sesamsauce, das Ganze mit der frischen Säure von Limetten, Ingwer und Tomaten.
Salz brauche ich für dieses Gericht eigentlich gar keines, eine winzige Prise vielleicht. Geschmeckt hat es umwerfend. Lecker, aber das ist ja ein so ein beliebiges Wort. Voll umami eben!

umami-bowl-soba-noodles-miso-8 umami-bowl-soba-noodles-miso-7

Soba Nudeln mit Miso gerösteten Tomaten

Für Zwei
1 Schale Cherry Tomaten
2 El Reisessig
2 EL Rapsöl
2 EL hellbraunes Miso
1 walnussgroßes Stück frischer Ingwer, gerieben
1 ½ TL geröstetes Sesamöl
1 EL Honig
Abrieb und Saft einer unbehandelten Limette
2 Frühlingszwiebeln, in sehr feine Ringe geschnitten
250 g Soba Nudeln (Buchweizen Nudeln aus dem Asia Markt, ich habe die mit zusätzlichem Grüntee genommen)
1 EL schwarzer oder weißer Sesam, in der Pfanne ohne Fett geröstet
eine kleine Prise Salz

Den Ofen auf 200° vorheizen.
1. aus Öl, Miso, Limettensaft und –abrieb, Sesamöl, Reisessig, Honig und Ingwer eine Marinade anrühren. Nach Bedarf mit Salz abschmecken.
2. ein Blech mit Backpapier auslegen und die Tomaten daraufsetzen. Mit etwa 2 EL von der Marinade beträufeln. In den Ofen geben bis sie bräunen und leicht geschmolzen sind (etwa 20 Minuten).
3. Die Soba Nudeln nach Packungsanweisung kochen und mit kaltem Wasser abschrecken. Die Restliche Marinade und die Frühlingszwiebelscheiben darin verrühren. Die gerösteten Tomaten daraufsetzen und mit dem Sesam bestreuen.

umami-bowl-soba-noodles-miso-3

[fblike showfaces=“false“ width=“450″ verb=“like“ font=“arial“ locale=“de_DE“]

6 Kommentare

  1. Lieben Dank für die ausführliche Beschreibung des Unwortes, welches meinen noch sehr jungen Foodblog-Blog Namen ziert :-) zumindest beschäftigt es die Menschen scheinbar. Denn das finde ich schon mal gut. Da die Domain noch frei war, scheint es aber gar nicht so ’nervig‘ und verbraucht zu sein. Liebe Grüße! Helen von umami-blog

    Antworten
  2. Liebe Claudia,
    ein tolles Rezept, besonders jetzt, wo man unterschiedliche Tomatensorten bekommt. Gestern nachgekocht und alle waren begeistert.
    Viele Grüsse
    Thomas

    Antworten
    • Lieber Thomas,
      ich freue mich riesig darüber, dass es allen geschmeckt hat. Danke fürs dran teilhaben lassen.
      liebe Grüße
      Claudia

      Antworten
  3. Das war ein ganz informativer Beitrag und eine leckere Reeptidee! Wenn ich mihc richtig erinnere, ist Glutamat und Glutaminsäure auch nicht das gleiche, oder? Kamen deine Reaktionen durch einen zu hohen Histaminspiegel, oder waren sie anders begründet? Interessiert mich, weil ich auf so was auch mit histaminbedingten Reaktionen reagiere.

    Antworten
    • Du hast recht. Es ist nicht das gleiche. Da sind wir dann bei links und rechtsdrehend in der Molekularstruktur. Die Nesseln waren eine starke Urtikaria, deren exakten Ursprung man nie genau feststellen konnte. Selbst die Ärzte, die mich im Rahmen einer Studie an der Charité untersuchten, konnten es nicht bestimmen. Autoimmunreaktionen kommen und gehen. Es war nur auffällig, wenn ich zum Beispiel stark Histaminhaltigen Weißwein getrunken hatte, wurde es schlimmer.

      Antworten
      • Das ist interessant! Auf jeden Fall ist es toll, dass du das Problem wieder los bist… Alles Liebe!

        Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert